t h i r t y s i x

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,,Zoe? Bis bald. Schade, dass deine zwei Wochen hier schon vorbei sind."

Scarlett sah mich mit nur semi-realistischem traurigen Blick an. Sie versuchte, ihre mundwinkel so weit wie möglich herunterzuziehen. Es sah leider nicht hundertprozentig realistisch aus. Aber vielleicht bildete ich ir das alles auch nur ein. Meine zweite Woche in dieser Stadt war nicht ganz so schön gewesen, wie die erste, denn irgendwie traute ich jetzt niemandem mehr so richtig. Aber na ja, heute war ja ohnehin meine Abreise, deshalb stand ich mit meinem Koffer und meinem Rucksak vor meinem Portal während ich darauf wartete, dass Scarlett, Jasper und Chris endlich Leine zogen, damit ich zurückspringen konnte. Ich hatte nämlich den Verdacht, dass ich mich in Schatten auflösen würde, sobald ich in mein Portal hineintrat. Leider musste ich mir noch etwas einfallen lassen, um zu erklären, dass sie außer Sichtweite gehen mussten.

Ich probierte es mal damit, Scarlett mit einem bittenden Blick anzuschauen und zu sagen: ,,Ja, ich finde das auch schade.Aber ich komme bald wider, ziemlich oft sogar. Irgendwie ... weißt du, ich würde gerne alleine von diesem Ort Abschied nehmen, bis ich in einer Wochen wiederkommre."

Scarlett sah mich ein wenig befremdet an. ,,Du willst ... alleine Abschied nehmen? Wie soll ich das erstehen?"

Mmh, vielleicht war diese Ausrede nicht die schlaueste gewesen. Aber ganz ehrlich , viele andere Möglichkeiten hatte ich ohnehin nicht. ,,Ich möchte gerne allein sein, wenn ich den Boden abknutsche, weil ich eine seltsame und enge Bindung zu diesem Ort spüre.", würde wahrscheinlich auch nicht ganz so gut ankommen. Obwohl, vielleicht vermuteten die drei das auch selber, wenn ich sie bat, sich zu entfernen. ,,Also, ich würde gerne kurz noch allein sein, bevor ich zurückpringe. Noch kurz die Ruhe und Einsameit dieser magischen Landschaft genießen, weißt du?" Ich schlug bittend meine Augen auf, mit einem, wie ich hoffte, hoffnungsvollen Hunde-Blick, dem man nichts abschlagen konnte.

Sie nickte nur, umarmte mich kurz und verabschiedete sich von mir. Auch Jasper umarmte ich, Chris schüttelte ich nur die Hand.

,,Also ... bis bald, würde ich mal sagen",verabschiedete ich mich ein letztes mal von ihnen, in der Hoffnung, dass sie sich mal langsam om Acker machen würden. Ich stellte meinen Ruckack demonstrativ auf dem Boden ab und lief ein kleines Stückchen on den Portalen wegg, dann drehte ich mich noch ein letztes Mal um, um ihnen zu winken. Ich schlenderte betont langsam durch die Wiese, bückte mich, um mir eine seltsamte Blume anzusehen, und tat so, als würde ich den Vogel beobachten, der vor dem wolkenverhangenen Himmel flog. Nach ein paar Minuten von derartigem herumschlendern schaute ich mich schnell um, um zu überprüfen, ob die drei noch da waren. Waren sie glücklicherweise nicht. Ich rannte also schnell auf mein Gepäch zu, warf mir den Rucksack über den Rücken und wuchtete meine Tasche auf mein rabenschwarzes Portal zu. Noch einmal tief Luft holen, noch einmal umschauen, dann machte ich einen Schritt hinein und dachte fest an die Seitenstraße in Edinburgh, die nicht weit vom Bahnhof entfernt war und von der Chris mir eben ein Blid gezeigt hatte. Das war für meine Tarnung. Ich konnte nicht einfach aus heiterem Himmel zu Hause auftauchen, außerdem hatte Dad versprochen, mich am Bahnhof abzuholen. Also ein Zug von Edinburgh nach London.

Ich wurde duch nichts gewirbelt, gerdreht und geschleudert, aber es war ganz anders als Schattenspringen. Auf einmal, ganz ohne Vorwarnung, hörte meine Reise durch die Dimensionen auf. Ich stand, vollkommen aufrecht, meinen Rucksack auf dem Rücken und den Griff meines Koffers in der Hand, auf dunkelelm Kopfsteinpflaster. Ein leichter Windstoß wehte mir einee Haarsträhne ins Gesicht. Um mich herum war alles ruhig, erst mit der Zeit setzte Alltagslärm wie Hupen, Motorenbrummen oder das Rascheln des Windes in den Bäumen ein. Ich sah kurz auf meine Uhr, rief mir den vorher sorgältig eingeprägten Weg in Gedanken und ging los. Eigentlich hatte ich locker Zeit bis zur Abfahrt gehabt, aber meine Herumtröderelei vor den Portalen hatte meine Zeitplan ein wenig strammer gemacht. Aber kein Grund zur Panik, wenn ich auf dem Weg nicht unnötig aufgehalten wurde, würde ich gerade noch pünktlich zum Zug kommen. Na gut, vielleicht. Zum Glück hatte Chris mir meine Karte eben schon in die Hand gedrückt, wo auch immer er sie her hatte. Aber na gut, das war nicht mein Problem. Ich hatte die Karte und damit war genug.

,,Der Zug Edinburgh-London auf Gleis Zwei startet in wenigen Minuten. Machen sie sich bitte bereit zur Abfahrt."

Mist. Wo war denn das verdammte Gleis?! Gleis eins, drei, fünf. Anscheinend waren hier nur die Aufgange für die ungeraden Zahlen. Na super.

Ich war schon dabei, leicht in Panik auszubrechen, bis mich ein Schild darauf hinwies, sadass es zu den ungeraden Gleisen in diesen Gang ging. Okay, jetzt nur keine Panik. Ich sprintete auf den Gang zu, und bei der Kurve wäre mein Rollkoffer fasr zu Boden gegeangen, aber ich schaffte es gerade noch, ihn einigermaßen auszubalancieren. Jetzt die Treppe. Ich hechtete mit großer Mühe die Stufen hinauf, und zog meinen Koffer einach hintere mir her, weshalb er äüßerst unsanft die Stufen hochpolterte. Hoffentlich ging nichts kaputt. Egal, ich hatte ohnehin nuchts zerbrechliches dabei. Da war er, der Zug. Ich sprintete darauf zu, der Schaffner blies schon in seine Pfeife und kündigte damit die Abfahrt des Zuges an. Ich hechtete duch die Tür, wuchtete meinen Koffer hinter mir her- und dann war ich drin. Ich suchte noch schnell meinen Sitzplatz, dann klappte ich völlig außer Atem auf dem Sitz zusammen und musste erst einmal einen großen Schluck aus meiner Flasche trinken. Als mein Puls sich dann wieder einigermaßen beruhigt hatte, versuchte ich, den Koffer in die Gepäckablage zu heben, was mir nach vielen Bemühungen auch gelang. Dann setzte ich mich auf meinen Fensterplatz, strich mir eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr und blickte hinaus. Ich konnte der Landschaft quasi dabei zusehe, wie sich die letzten Ausläufer der Stadt verflüchtigten und immer mehr Felder und Wiesen an mir vorbeizogen.

Ein paar stunden und mehrere schlechte Cappuchinos vom Bordcafe später fuhren wir in London ein. Der Schaffner machte seine typische Durchsage: ,,In wenigen Minuten erreichen wird den Bahnhof London Paddington. Bitte achten sie gut auf ihr Gepäck und überqueren die Lücke zwischen Zug und Gleis vorsichtig. Ausstieg in Fahtrichtung links."

Ich raffte mich auf, steckte mein Buch zurück in den Rucksack und zog mir die Kophfhörer aus den Ohren. Im Anschluss versuchte ich, meinen Koffer irgendwie von der Gepäckablage zu bekommen, möglichst ohne erschlagen zu werden. Ich schaffte es nicht. Ein älterer Herr, der sich dass Trauerspiel wohl nicht weiter ansehen wollte, half mir und ich bedankte mich bei ihm. Der Zug hielt. Ich verlor kurz das Gleichgewicht, wankte, fing mich aber wieder. Ich rollte meine Koffer durch das Zugabteil bis zu nächsten Tür, an der ich erst einmal warten musste, weil sich vor mich und um mich eine zum Ausgang drängelnde Menschentraube entwickelt hatte. Als ich dann endlich aus dem Zug herauskam, entdeckte ich kein bekanntes Gesicht. Ich blickte mich suchend um, als er mir endlich ins Auge fiel : Mein freudestrahlender Dad.


Die Schattentänzerin | AbgebrochenWhere stories live. Discover now