t h i r t y e i g h t

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,,Ciao, Jake!" rief ich ihm hinterher. Er hob die Hand zum Gruß und wandte sich ebenfalls ab, um anschließen d seine Schritte in Richtung U-Bahn zu lenken. Ich blieb stehen und sah ihm hinterher. Was war das denn eben gewesen? Obwohl ich stetig versucht hatte, ihn vom Thema wegzulenken, hatte er immer intensiver nachgebohrt, doch als ich ihn schließlich gefragt hatte, was die Fragerei denn sollte, hatte er wiederum schnell das Thema gewechselt und war meinem Blick ausgewichen. Das war sehr seltsam. Jake hatte mit der ganzen Sache doch eigentlich rein gar nichts am Hut. Oder doch? Nein, da war ich mir sicher. Jake würde mich niemals betrügen, warum er auch. Er hatte schlichtweg keinen Grund dazu. Er hatte keine übernatürlichen Fähigkeiten, von Leuten die sich Shadows nannten noch nie etwas gehört und außerdem war er genug mit seinem eigenen Leben beschäftigt. Ich nahm die U-Bahn zurück nach Hause und verbrachte den Rest des Tages damit, zu lesen oder mit Rose zu telefonieren.

Am nächsten Morgen ging die Schule wieder los, und am gestrigen Abend hatte ich mir eines ganz fest vorgenommen: Ich würde Jenns Beleidigungen nicht mehr an mich heranlassen sondern sie einfach ignorieren. So gut mir das eben möglich war. Doch das war, wie sich am nächsten Morgen herausstellte, leider gar nicht so einfach wie gedacht. Der Tag begann mit Mathe, was ich gleich doppelt als Minuspunkt verbuchte. Einerseits hasste ich Mathe und hatte schlichtweg kein Talent für die Berge an Zahlen und Formeln, andererseits saß Jenn in Mathe neben mir. Zudem war es auch noch eine Doppelstunde, was hieß, dass Jenn neunzig Minuten lang nichts anderes zu tun hatte, als sich unter dem Tisch die Nägel zu Feilen. Das war ein wirklich ganz hervorragender Start in die Woche. Und leider kam es genauso wie gedacht. Kaum hatte ich mich auf meinem Platz neben der Blondine niedergelassen und meinen Rucksack auf den Boden gestellt, da ging es auch schon los. ,,Guten Morgen, Zoe!", flötete sie mit einem künstlichen, fast schon gruseligen Lächeln, ,,Hast du schlecht geschlafen? Du sieht mal wieder gar nicht gut aus!" Ich ignorierte sie geflissentlich. Ich hatte so ein schönes Wochenende gehabt, mich mit Jake getroffen, mit meinen Freundinnen telefoniert und mit meiner Vater lustige Shows im Fernsehen angeschaut, da würde ich mir meine eigentlich gute Laune nicht direkt am ersten Tag nach den Ferien vermiesen lassen. Und vor allem nicht von Jenn.

Die ersten fünfundvierzig Minuten verliefen unverhofft entspannt, denn Jenns mentale Kapazitäten musste sie darauf verwenden, komplizierte Matheaufgaben zu lösen, die zugegebenermaßen leider auch für mich ziemlich schwer waren. Zu schwer, um einen Versuch zu starten, Jenn so verächtlich wie möglich anzuziehen und sie damit aufzuziehen, dass sie die Aufgaben nicht schaffte. Das würde mir zwar ohnehin nicht gelingen, weil diese Mädchen so unglaublich überzeugt von sich war, dass sie alles, was nicht ihrem perfekten Selbstbild entsprach, an sich abprallen ließ. Um ehrlich zu sein, würde ich das manchmal gerne können. Auch die schlimmsten Beleidigungen einfach seelenruhig mit einem zufriedenen Lächeln ignorieren. Um die Wahrheit zu sagen, beneidete ich Jenn sogar ein wenig darum. Aber soweit würde es noch kommen, dass ich ihr das unter die Nase rieb. In der zweiten Hälfte der Doppelstunde stellte sich das nonchalant sein als schwieriger heraus als erwartet. Der Stoff, mit dem wir jetzt begannen, was sogar für Jenn so einfach, dass sie sich beruhigt zurücklehnen, ihre Nägel feilen und immer wieder wie beiläufig beleidigende Kommentare fallen lassen konnte.

,,Wo hast du denn deine Klamotten eigentlich immer her? Aus dem Müllcontainer oder aus der Altkleidersammlung?" brachte das Fass dann doch zum Überlaufen. Ich drehte meinen so mühsam auf die Tafel fixierten Kopf ruckartig zu Jenn und zischte: ,,Jetzt hör mir mal zu. Hältst du dich für etwas Besseres, nur weil du mehr Geld für Markenklamotten verschwendest als ich? Wirklich? Da muss ich dir leider was sagen: Auch deine Klamotten sehen nicht schöner aus als die der anderen. Und meine sind übrigens weder aus der Altkleidersammlung noch aus dem Müllcontainer!"

Ein widerliches Siegerlächeln breitete sich auf Jenns Gesicht aus. Sie war schon vermutlich leicht besorgt gewesen, weil ich ihre Beleidigungen vorher mit zusammengebissenen Zähnen so gut wie möglich ignoriert hatte. ,,Oh, also nicht der Müllcontainer? Vielleicht ja beim nächsten Mal."

Bevor ich darauf reagieren konnte, ertönte der erlösende Ton der Klingel, woraufhin ich schnell meine Sachen zusammenpackte, sie in meine Tasche stopfte und raus auf den Gang ging, um auf Rose und Elouise zu warten. ,,Puuh.", machte ich laut, als die beiden kamen und wir uns zu dritt auf den Weg zur nächsten Stunde machten. Französisch. Da hatte ich nun wirklich keine Lust drauf.

Anderthalb Stunden und mehre verzweifelte Versuche unser Französischlehrerin, unseren Kurs zum Zuhören zu bringen, später saß ich mit meinen beiden besten Freundinnen auf einer Bank draußen auf dem Schulhof. Ein paar der jüngeren Schüler rannten aufgeregt herum und spielten Fangen oder etwas in der Art. Ich wollte Rose und Elouise jetzt beichten, dass ich in demnächst wohl nicht mehr so viel Zeit für die beiden haben würde, aber irgendwie war es schwer auszusprechen. Ich glaube, ich hatte Angst vor ihrer Reaktion. Vermutlich würde diese verständlich ausfallen, aber man konnte sich nie sicher sein. Was wäre, wenn sie wütend auf mich sein würden oder keinerlei Verständnis hätten? Dann hatte ich wohl ziemlich Pech gehabt. Aber wie sagte Rosie manchmal so schön: No risk, no fun. Also los. ,,Leute, ich muss euch was erzählen.", begann ich meinen Satz. Die beiden schienen etwas überrascht, Rose sogar besorgt.

,,Was ist denn los? Ist irgendwas passiert?", wollte sie interessiert wissen. Ich schüttelte den Kopf und setzte erneut an. ,,Also, das ist nicht so einfach. Mit mir ist alles gut, aber, wie soll ich sagen ..." Jetzt waren sie erst Recht verwirrt, und Elouise zog skeptisch eine Augenbraue hoch. ,,Du, weißt, du kannst uns alles erzählen.", sagte sie in eindringlichem Tonfall und blickte mir tief in die Augen. Okay, dieses Gespräch ging in eine ganz falsche Richtung. Vermutlich wirkte es auf die beiden so, als müsste ich irgendetwas Schreckliches beichten. Was ja nicht so war, denn das, was ich ihnen erzählen wollte, war eigentlich total unspektakulär und nicht sonderlich dramatisch. Ich gab mir einen Ruck und verkündete, was ich schon die ganze Zeit sagen wollte. ,,Sorry, falls ihr euch gerade Sorgen macht. Es ist nichts schlimmes-" ,,Und warum machst du dann so einen Aufstand?", wollte Elouise wissen, wurde jedoch von Rose mit einer Geste zum Schweigen gebracht und ich fuhr fort. ,,Es ist so, dass ich ab sofort wahrscheinlich fast gar keine Zeit mehr haben werde, irgendetwas mit euch zu machen. Es tut mir total Leid, aber ich kann nichts dran ändern. Ihr wisst ja, dass ich in den Ferien bei den Shadows war, und Chris, also einer ihrer Anführer hat mich quasi dazu gezwungen, dass ich so eine Art Ausbildung bei denen mache." Nun hatte ich Rose neugierig gemacht, und sie fragte: ,,Wie, du sollst eine Ausbildung machen? Wann das denn? Du musst doch in die Schule gehen!" ,,Na ja, das ist eben der Knackpunkt. Ich gehe zwar ganz normal in die Schule, aber ich muss jeden Nachmittag in der Woche, und manchmal auch am Wochenende dahin, und in dieser Zeit werde ich dann ausgebildet. das heißt, ich komme Abends frühestens um sechs nach Hause.", antwortete ich resigniert. Die beiden schwiegen, und ich hatte immer noch Angst vor ihrer Reaktion, doch dann ergriff Elouise das Wort und ich zweifelte nicht eine Sekunde länger an den Beiden. ,,Das ist doch überhaupt keine Problem! Wir sehen uns doch trotzdem, und außerdem, was hast du von uns erwartet? Das wir dir jetzt einfach mal so die Freundschaft kündigen, nur weil du noch andere Dinge machst? Nö! Wir sind beste Freundinnen, das weißt du doch. Wir schaffen das." Vor lauter Dankbarkeit fiel ich erst ihr und dann Rose in die Arme, welche zustimmend nickte.

,,Danke, Leute. Ich hab euch echt lieb."


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Endlich hab ich es geschafft, dieses Kapitel zu schreiben! Es tut mir echt leid, dass letzte Woche keins kam, aber ich hatte viel zu viel mit der Schule zu tun. Dafür habe ich jetzt Ferien und genug Zeit.

Die Schattentänzerin | AbgebrochenWhere stories live. Discover now