t w e n t y t w o

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Ich war so vertieft in meine Überlegung, was das hier war, sodass ich nicht bemerkte, wie zwei Personen von hinten an mich herantraten, und als mir dann jemand auf die Schulter tippte, erschreckte ich mich so sehr, dass ich mit einem großen Sprung, bei dem ich die Schwerelosigkeit ausschaltete, ungefähr vier Meter nach hinten sprang.

Ich sah mich erschrocken um und erblickte zwei sehr verdattert dreinschauende Gestalten, die jetzt ungefähr vier Meter von mir entfernt standen und sich nicht bewegten. In eine der beiden Gestalten, einen großen blonden Mann mit drei-tage-Bart, kam langsam Bewegung und er trat ein paar Schritte auf mich zu.

,,Zoe Bronx?", fragte er mit einer dunklen Stimme, die ich jetzt wiedererkannte.

,,Exakt. Ich glaube, wir haben telefoniert.", erwiderte ich.

,,Ja ... ja. Wir haben telefoniert. Wie verlief ihre Reise?", erkundigte er sich zerstreut.

,,Gut.", sagte ich nur, da ich keine Lust auf weitere Ausführungen hatte, und er wirkte ohnehin abgelenkt.

Er fuhr fort. ,,Das ist Scarlett, sie wird sie herumführen. Ich habe noch etwas zu erledigen."

Und mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand. Jetzt fiel mein Blick auf die zweite Person, der ich bis zu dieser Stelle keine Beachtung geschenkt hatte. Sie stellte sich als mittelgroßes, rothaariges Mädchen mit gutgelauntem, schelmischen Lächeln auf den Lippen und den lebendigsten Augen, die ich je gesehen hatte, heraus. Sie waren grün, so unglaublich grün. Sie sahen aus wie ein Laubwald im Sommer, wenn die Sonne hereinschien und alles erstrahlen ließ.

Ich bemerkte, wie idiotisch ich sie anstarrte, und wandte meinen Blick ab. Mit einem wohlwissenden Grinsen trat sie auf mich zu, streckte die Hand aus und sagte gutgelaunt: ,,Scarlett Anderson, zu deinen Diensten. Zumindest für heute Nachmittag. Außerdem teilen wir uns ein Appartement, von daher solltest du lieber nett zu mir sein."

Trotz diese Bemerkung wurde meine Laune gleich besser, während ich mich mir ihr unterhielt und weiter ihre Augen betrachtete.

Sie erklärte mir, wie hier alles ablief, während wir einen geschwungenen Weg zu einem mittelgroßen, ultramodernen Städtchen hinaufgingen, und das erste mal betrachtete ich die Umgebung näher.

Um das moderne Dorf herum sah es aus wie in den schottischen Highlands, malerische grüne Hügel mit karger Bepflanzung, und hie und da sah man sogar ein paar kleine, weiße und flauschige Schäfchen. Doch nach etwas mehr als 50 Metern bröckelte die Landschaft einfach weg und es öffnete sich ein Abgrund.

Vor lauter Staunen war ich stehen geblieben, was Scarlett sofort bemerkte. Mit einem stolzen Grinsen beugte sie sich zu mir hinüber und raunte: ,,Ganz schön beeindruckend, was? Aber komm nicht zu nah dran und fall bloß nicht herunter. Was ist eigentlich dein Portal? Was ist deine Fähigkeit?"

Langsam wandte ich den Kopf zu der Rothaarigen und dachte scharf nach. Ich hatte nicht vor, gleich damit herauszurücken, dass ich drei Fähigkeiten hatte. Aber wie sollte ich ihr sonst erklären, dass mein Portal ein Block aus undurchdringlicher Schwärze war, aber ich vor ihr weggeflogen war, als ich mich erschrocken hatte. Die einzige Lösung, die mir einfiel, ohne wirklich zu lügen, war, mich kurzerhand dumm zu stellen.

,,Portal? Was für ein Portal? Ich kann fliegen und generell die Schwerkraft beeinflussen. Und du?"

Sie starrte mich überrascht an.

,,Ein Portal eben! Durch das du hergekommen bist. Fliegen? Echt richtig cool. Mal wieder jemand, der eine viel nützlichere Fähigkeit hat als ich.", sagte sie verbittert. ,,Ich meine, wenn man dann immerhin jemand ist, der übernatürliche Fähigkeiten hat, dann kann man doch wenigstens was vernünftiges bekommen, oder? Aber nein ..."

Jetzt hatte sie mein Interesse geweckt. ,,Was ist denn deine Fähigkeit?", fragte ich behutsam.

Sie sah mich an und schnaubte einmal vor Wut . Anscheinend war es ein Thema , über das sie sich die ganze Zeit aufregen konnte. Dann sagte sie leise und ein wenig beschämt: ,,So ziemlich das unnötigste, was es gibt. Ich kann bewirken, dass die Leute glücklich werden und bessere Laune haben. Wenn sie eben gestresst sind oder so. Das ist so unnötig ..."

Sie sah beschämt zu Boden, und ich dachte nach. Irgendwas musste ich ja sagen, um sie aufzuheitern, aber sie hatte schon etwas Recht.

,,Mmh ... aber schau mal: wenn du mit einem Team gegen jemand anderen kämpfst, und deine Teamkameraden schon außer Puste , verletzt oder sonst was sind, dann kannst du deine Fähigkeit anwenden und ihnen wieder Kraft und Energie geben. Und das ist nicht das einzige, wenn du noch darüber nachdenkst, fällt dir bestimmt noch etwas ein."

Sie schaute mich lange an, und meine Stimmung hob sich bei ihren Blick langsam aber stetig. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich für das belohnte, was ich gesagt hatte.

Ich grinste sie an. ,,Danke. Aber übertreib es nicht, ich bin neu hier und ich bezweifele, dass es so gut ankommt wen ich herumkichre wie ein aufgedrehtes Hühnchen."

Sie kicherte kurz und zog mich und meinen Koffer weiter den Weg hinauf.

,,Sorry, dass Chris eben so schnell abgezischt ist, aber Asher ist immer noch nicht aufgetaucht, und langsam macht er sich sorgen..."

,,Asher? Komischer Name."

Sie grinste mich an. ,,Ist natürlich nicht sein Vorname, du Schlaukopf. Aber sie nennen hier die meisten mit Nachnamen, deshalb kenne ich seinen Vornamen nicht."

Verwirrt blickte ich zurück. ,,Aber dich hat, wie heißt er noch gleich, Chris, mit Vornamen genannt.

Ein stolzes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. ,,Nun ja, da mein Nebenjob daraus besteht, seine persönliche Assistentin zu sein, denke ich, dass das schon klargeht. Und jetzt, hopp hopp, im dunkeln ist es hier nicht so angenehm."

>>>><<<<

Erschöpft ließ ich mich auf das weiche Bett fallen und stöhnte Laut auf.

,,Mann, das war anstrengend!", schnaufte ich. Scarlett grinste mich stolz an. ,,Dafür, dass hier nicht so viele Leute leben, ist es gar nicht so klein, aber es sind sehr viele Forschungs- und Schulungszentren, Büros, Werkstätten und so weiter und so fort. Aber die Wohnräume sind auch alle relativ großzügig gestaltet. Es gibt auch Trainingszentren und Sporthallen, außerdem Versammlungssäle.

Und eine der wichtigsten Dinge:

Die Alchemielabore. Die geheimen Alchemielabore, um genau zu sein."

In Gedanken ergänzte ich noch Restaurants, Geschäfte, Kinos und diverse andere Dinge.

Was mich aber mit am meisten beeindruckte war, dass hier fast alle Shadows der Welt lebten.

Aus diesem Grund war es mir heute manchmal durchaus schwergefallen, einige von den Leuten zu verstehen. Manche von ihnen hatten einen so starken Akzent, dass man kaum ein Wort verstand.

,,Ich hoffe, dass du weder Frühschläfer noch Frühaufsteher bist!", rief Scarlett von oben herunter, denn wir hatten tatsächlich ein Hochbett. Ja, ein Hochbett. Wie in Jugendherbergen. Und das erstaunlichste war, dass Scarlett mit Vergnügen darin schlief.

,,Ersteres nein, letzteres schon! Meistens stehe ich so um sieben auf."

Scarletts Miene glitt über zur Fassungslosigkeit. ,,Um sieben?! Am Wochenende?! Na gut, in der Woche müssen wir ohnehin um sieben zum Frühstück erscheinen, im Hauptgebäude. Das Hauptgebäude ist -"

Sie wurde davon unterbrochen, dass ich die Vorhänge am bodentiefen Fenster aufriss und laut ,,Whoa! Wie geil!", rief.

Die Schattentänzerin | AbgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt