e i g h t e e n

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Hinter mir hörte ich noch einen Ruf und musste mich wirklich beherrrschen, damit ich mich nicht umdrehte und zurückblickte.

,,Merk dir eines, Zoe: Das alles ist mehr als du denkst. Aber eines Tages werden sich alle Zusammenhänge offenbaren, und du wirst alles verstehen. Vergiss nie: Vertrau niemals dem Jungen mit den Augen aus Wasser. Und wenn sie zu Eis werden, dann lauf. Lauf, so schnell du kannst. Und blicke nicht zurück."

Und mit diesen Worten war ihre Stimme wieder verstummt, wieder erloschen.

Ganz kurz musste ich um meine Fassung ringen, doch ich konzentrierte mich auf diese seltsame Botschaft. Der Junge mit den Wasseraugen ...

Ernsthaft? Es gab tausende von Jungen mit blauen Augen, wenn ich diesen Vergleich richtig verstanden hatte. Aber warum ausgerechnet der Vergleich mit Wasser? Warum reichte nicht einfach 'blau'?

Und was sollte das mit dem Eis? Blau ... aber Eis war weiß, beziehungsweise durchsichtig ...

Ich riss mich von diesen Gedanken los und konzentrierte mich auf die eigentliche Aufgabe, die zu bewältigen war, nämlich meine Tür zu finden.

Diese vielleicht? Nein. Es musste ja meine Tür sein, und diese Tür passte nicht zu mir. Sie war weiß, aber dafür beklebt mit unzähligen Postern von Teeniestars.

Justin Bieber, One Direction ....

Es wollte gar kein Ende nehmen.

Belustigt und verstört zugleich wandte ich mich wieder ab und ließ meinen Blick weiter durch den nicht enden wollenden Gang schweifen. Alte Türen, neue Türen, kleine Türen, große Türen, Türen, die aussahen wie Kichenportale oder die gleiche Farbe wie Mohnblumen hatten.

Also falls diese Türen die Persönlichkeiten ihrer 'Besitzer' zeigten, würde es mich nicht wundern, hier in der Klapse gelandet zu sein.

Ich meine, wie gestört muss man denn sein, damit die eigene Persönlichkeit von einem neonpinken Gotikportal mit Hello-Kitty-Fratze in der Mitte repräsentiert wird?!

Dort gab es immerhin eine normale Tür, die mir sogar ganz gut gefiel, so zur Abwechselung. Sie war grau lackiert, und in der Mitte waren sechs übereinander angeordnete, undurchsichtige Milchglasscheiben angebracht, und unter ihnen stand der Spruch: 'Ein Mensch stirbt erst, wenn er vergessen wird.' Er war in weißer, verschlungener Schrift aufgepinselt.

Und ich liebte diesen Spruch, er war so wahr. Ich würde meine Mum nie vergessen und sie würde, so dramatisch und kitschig sich das auch anhörte, in meinem Herzen weiterleben.

Ich sah oben auf dem Türrahmen drei kleine Vögelchen aus Metall sitzen, die ziemlich hübsch aussahen.

Und dann wusste ich es irgendwie, ich wusste, dass diese Tür meine Tür war.

'Okay Zoe, beruhig dich.', redete ich mir in Gedanken ein. Das hier war meine letzte Chance, meine einzige Chance, um genau zu sein.

Ein letzter, tiefer Atemzug, und ich drückte die Klinke hinunter und betrat einen Raum, den ich sofort als unser Bad identifizierte, weil ich die charakteristischen Schachbrettfliesen wiedererkannte.

Und da lag ich auch schon, in meinem Blut, genau wie Mum es beschrieben hatte. Ich stürzte auf mein zweites Ich zu und blieb unschlüssug neben mir stehen.

Wie sollte ich denn in mich selbst hineinschlüpfen?

Ich legte ich mich neben mich selbst und quietschte angewidert auf, weil ich das warme Blut an meinem Rücken spürte.

Ich überwand meinen Ekel und robbte mich Stück für Stück zur Seite in meinen Körper, was sich ziemlich seltsam anfühlte, weil es mir so vorkam, als würde ich eingesaugt werden.

Die Schattentänzerin | AbgebrochenWhere stories live. Discover now