19| Ein kleiner Abschlusstag

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If It Means A Lot To You - A Day To Remember

Verwirrt lief ich wieder zum Spülbecken, an dem die Teller standen, die ich noch fertig abtrocknen musste.

Was war das denn wieder? Eine kurze Zeit hatten wir uns wieder wie zwei Freunde verhalten und dann küsste er mich zum zweiten Mal. Also nicht das ich etwas dagegen hätte, aber ich war viel zu durcheinander.

Warte Sienna, was sagst du da? Du hast nichts dagegen?, wisperte mir meine Innere Stimme zu.

Äh doch. Doch. Im Prinzip kannte ich Shawn ja gar nicht.

Du kennst ihn also nicht? Du kennst andere Jungs aus dem Camp also besser, als ihn?, lachte mich das Stimmchen in meinem Kopf aus.

Nein, das meinte ich nicht. Aber er war nur jemand, den ich seit einer Woche kannte. Da wurde mir auch klar, dass Shawn und ich uns nach nicht einmal einer Woche geküsst hatten. Oh Gott, was war bloß mit mir los..

So abwegig ist das gar nicht, mischte sich die Stimme wieder ein.

***

Nachdem ich das Geschirr fertig gespült hatte, ging ich in eine Kabine, um meine Zähne zu putzen und alles andere notwendige zu tun. Liv war meines Wissens nach in unserem Bungalow und wartete dort auf mich, aber ich ging mal davon aus, dass sie sowieso bei Chuck oder so rumhing. Als ich fertig damit war, meine Zähne zu putzen, mich ein wenig zu schminken und mir einen wärmeren Pullover überzuziehen, verließ ich das Waschhaus und lief zurück zum Camp.

Auf dem Weg traf ich auf Matt, der auch Spülsachen mit sich trug.

,,Hey!", rief ich nach ihm, weil er ein paar Meter vor mir lief.

,,Hallo", erwiderte er nur mit einem leichten, aufgezwungenem Lächeln auf den Lippen.

,,Ich hab dich beim Spülen gar nicht gesehen", fügte er mit hochgezogener Augenbraue hinzu.

,,Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich vor zehn Minuten schon fertig war und mich dann fertig gemacht habe", antwortete ich lachend.

Schulterzuckend meinte er nur noch : ,,Achso." Die nächsten Meter schwiegen wir nur, bis mir etwas einfiel.

,,Du, Matt?", fragte ich.

,,Hm?", kam es zurück.

,,Kannst du mir sagen, warum du gestern so unfreundlich zu mir warst?"

Nicht, dass ich besonders viel Wert darauf legte, was Menschen von mir dachten und wie sie zu mir waren, aber bei Matt war das ein anderes Thema. Ich hatte in der letzten Woche damit angefangen ihn zu mögen und deshalb wunderte es mich einfach nur, warum er plötzlich so war.

,,Ähm..", schien er zu einer Erklärung ansetzen zu wollen, als er von Jonathan gerufen wurde.

,,Sorry", sagte er bloß und verschwand dann. Ernsthaft?

Doch das passte relativ gut, denn in den Moment kam Chuck auf mich zu.

,,Hi", grinste er.

,,Hi?", grinste ich zurück.

,,Soll ich dir tragen helfen?", fragte er und deutete auf die Kiste, die ich in der einen Hand hielt und auf mein eigenes Zeug, das in der anderen war.

,,Wäre nett", entgegnete ich.

Er nahm mir die Kiste ab und stellte sie als wir an den Bungalows ankamen zu der Essensausgabe.

,,Danke", grinste ich. Er zuckte bloß mit den Schultern.

,,Wo ist Liv?", fragte ich ihn.

,,Hier bin ich", rief sie und stand plötzlich hinter mir. Leicht zuckte ich zusammen und drehte mich zu ihr um.

,,Ich bring kurz meine Sachen weg und komme dann wieder, ja?", fragte ich. Sie nickte und ich ging in unser Bungalow. Meine Kulturtasche warf ich einfach aufs Bett und mein Handy schloss ich ans Ladegerät an.

Über die Nacht war ich ja woanders, deshalb konnte ich es schlecht aufladen. Ich warf einen kurzen Blick drauf und sah, dass sich meine Beste Freundin Kira auch wieder gemeldet hatte. Sie war mit ihren Eltern zwei Wochen irgendwo in der Pampa zum Wandern, wo sie anscheinend schlechtes Internet hatte.

Sie schrieb : ,,Sienaaa!"

,,Kiiiraaa!", antwortete ich und legte mein Handy zur Seite. Eine Antwort würde ich sowieso nicht sofort erhalten.

Kira und ich waren schon seit der Kindergartenzeit Beste Freundinnen. Zwar besuchten wir damals nicht die gleiche Grundschule, aber durch unsere Mütter sahen wir uns mindestens dreimal in der Woche und so hielt unsere Freundschaft bis zur weiterführenden Schule, die wir nun zusammen besuchten.

Unterbrochen wurden meine Gedanken, als Liv ins Bungalow kam und sich fragte, wo ich steckte. ,,Kommst du? Die Betreuer warten schon", grinste sie.

Schulterzuckend ging ich aus dem Bungalow, während ich meine Haare aus meinem Dutt befreite.

,,Schön, dass wir jetzt auch endlich vollzählig sind", sagte Tanja mürrisch, eine der Betreuerinnen und blickte unglaublich unauffällig zu mir. Ich presste meine Lippen aufeinander, um nicht laut loszulachen.

,,Wie ihr wisst, ist heute der letzte Tag eures ersten Workshops. Samstag und Sonntag werdet ihr aufgeteilt und euch in größeren Gruppen sportlich betätigen. Dazu gehören zum Beispiel Sprints gegeneinander und eigene zusammengestellte Workouts. Außerdem werdet ihr nicht in euren Bungalows schlafen", ein Raunen ging durch die Reihen, "Sondern ihr bekommt Zelte mit, in denen ihr eine Nacht im Wald verbringen werdet. Einige werden sicher schon bemerkt haben, dass der Wald riesig ist, also werdet ihr nicht zu nah an dem Camp sein. Ihr braucht ebenfalls nicht auf die Idee kommen, euch Nachts hierhin zu schleichen, denn zwei Teamer werden hier sein und das Camp im Blick behalten. Am Sonntag Abend werden wir uns dann nochmal versammeln, um die Pläne für die nächste und damit auch die letzte Woche zu besprechen. Gibt es noch Fragen?"

,,Wie groß werden die Gruppen sein?", rief irgendjemand, dessen Namen ich nicht kannte.

,,Sie werden aus zwei Achtergruppen bestehen und einer Neunergruppe", beantwortete ein anderer Betreuer die Frage.

,,Äh was ist mit Toiletten und waschen?", fragte Chuck angewidert.

,,Du wäscht dich?", rief Jonathan lachend, aber es war klar, dass er nur scherzte.

,,Das hatte ich vergessen zu sagen. Von unserer Organisation aus gibt es natürlich Waschhäuser in unmittelbarer Nähe zu euren Zelten", erklärte Tanja.

,,Alles weitere und genauere werdet ihr sowieso mit euren jeweiligen Gruppenleitern besprechen", beendete Samira die 'Gruppenversammlung'.

,,Geht jetzt bitte in eure Workshops."

***

,,In den letzten Tagen habt ihr einiges zum fotografieren gelernt. Heute, als kleinen Abschlusstag würde ich vorschlagen, dass ihr zu zweit oder mit mehreren Leuten zu euren Lieblingsstellen hier im Wald geht und dort ein paar schöne Fotos schießt. Anschließend kommt ihr wieder und ich beeile mich damit, die Fotos auf meinen Laptop zu ziehen und wir schauen uns alle Fotos der letzten fünf Tage an. Was haltet ihr davon?", erklärte Alex.

Einstimmig nickten alle und teilten sich in Gruppen auf. Ich schaute zu Chuck und er nickte grinsend. Matt stellte sich ebenfalls zu uns, wobei er mich keineswegs beachtete. Komischer Typ, dachte ich.

Die anderen fünf Leute teilten sich auch irgendwie auf und Alex drückte uns pro Gruppe eine Kamera in die Hand. ,,Die will ich heile zurück haben", sagte er ernst. ,,Ich vertraue euch."

Auch wenn das hier ein Camp war, in dem wir eigentlich an unserem Verhalten arbeiteten sollten, hatte ich nicht das Gefühl, dass wir aus 25 verhaltensgestörten Jugendlichen bestanden, die absolut keine Gehirnmasse besaßen und auf die Idee kamen die Kameras in den See zu werfen oder so.

,,Wohin willst du zuerst?", fragte mich Chuck.

Auch wenn es für mich etwas persönlicher war, ging ich zu dem Felsen, an dem ich mich immer mit Shawn traf. Nicht direkt dorthin, aber in die Nähe. Von hier hatte man einen perfekten Ausblick und ich bat Chuck, dass er mir die Kamera gab. Gezielt schoss ich einige Fotos und sah mir sie dann zufrieden an.

,,Wohin als nächstes?"

***
pizzatogo

Opposites AttractWo Geschichten leben. Entdecke jetzt