12| Spaghetti Regen

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Calvin Harris - My Way

Liv wollte heute Abend in die Stadt gehen und war gerade dabei einen Begleiter zu finden, denn weder Chuck noch ich wollten mit. Ich, weil ich gerade auf dem Weg zum Felsen war und bei Chuck hatte ich keine Ahnung.

Mit meinem Schreibzeug stapfte ich durch den Wald hindurch und fröstelte ein wenig in meiner kurzen Jeans, weil das Wetter ziemlich ungemütlich war. Von weitem machte ich Shawn schon aus, der mit seiner Gitarre an der Stelle von gestern saß.

,,Hey", begrüßte ich ihn ein wenig aus der Puste.

,,Hi", murmelte er und ließ von seiner Gitarre ab. Shawn klopfte auf den freien Platz neben sich, um mir zu verdeutlichen, dass ich mich setzen sollte. ,,Schön das du gekommen bist", meinte er trocken und sah in die Ferne.

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten konnte, also beließ ich es dabei und schwieg vor mich hin. Weil es mir irgendwann zu langweilig wurde, widmete ich mich meinem Notizblock und versuchte mein Bestes mich zu konzentrieren.

,,Stört es dich, wenn ich Gitarre spiele und dazu singe?", fragte Shawn und mein Blick fuhr zu ihm. ,,Nein, ist kein Problem."

Schlussendlich war es doch ein Problem, denn ich konzentrierte mich mehr auf den unglaublich schönen Gesang, anstatt auf mein noch immer leer gebliebenes Papier. Ich gab die Hoffnung auf und legte mein Schreibzeug zur Seite. Mein Kopf lehnte an dem Felsen und ich lauschte mit geschlossenen Augen der Musik.

"Something big I feel it happening

Out of my control

Pushing, pulling, and its grabbing me

Feel it in my bones"

***

,,Bist du noch wach?", rüttelte es sanft an meiner Schulter. Als ich die Augen aufschlug blickte ich direkt in das Gesicht von Shawn, welches kaum drei Zentimeter von meinem entfernt war. ,,J-ja bin ich", stotterte ich und wich ein kleines Stück zurück. Unsicher sah er mich an und begann ein wenig auf seine Gitarre rumzuspielen.

,,Willst du das auch mal versuchen?", fragte er, weil er meinen sehnsüchtigen Blick, der auf der Gitarre lag, bemerkte. Ich nickte leicht.

,,Hier", sagte er, nachdem er sich aus dem Gitarrengurt befreit hatte und drückte mir die Gitarre vorsichtig in die Hand. Etwas schüchtern zupfte ich an den Gitarrensaiten, bis ich eine Melodie fand, die ich immer wieder spielte. ,,So gut wie du werde ich das wahrscheinlich niemals können", lachte ich auf und bevor ich ihm die Gitarre wiedergeben konnte, setzte er sich hinter mich. Shawn schlang seine Arme von hinten um mich und legte seine Hände über meine, damit ich etwas 'richtiges' spielte.

Irgendwann ließ er seine Hände von meinen ab und ich konnte die Melodie alleine spielen. ,,Das war doch schon gut", raunte er mir ins Ohr, aber ich konnte sein Grinsen heraushören. ,,Pff", meinte ich gespielt beleidigt. ,,Danke", sagte ich und gab ihm die Gitarre zurück.

Ich rückte ein kleines Stück nach vorne, aber Shawn hingegen blieb hinter mir sitzen und zog mich zurück. Weil ich nicht etwas dagegen tun konnte, mich aber trotzdem nicht nach hinten lehnen wollte auf ihn drauf, lehnte ich mich einfach nach rechts gegen den Felsen.

Shawn hielt es auch nicht für nötig sich wieder richtig hinzusetzen, weswegen wir in dieser merkwürdigen Position verweilten. ,,Wollen wir etwas spielen?", raunte er in mein Ohr. ,,Was denn?", entgegnete ich.

,,Ich sehe was, was du nicht siehst."

Ich begann zu lachen, wirklich zu lachen, auch wenn seine Aussage gar nicht so lustig war. Seine vibrierende Brust spürte ich an meinem Rücken, als er auch lachte.

,,Nein, mal ernsthaft", sagte ich und blickte grinsend nach vorn, auch wenn er mein Gesicht nicht sehen konnte. ,,Lass uns 20 Fragen spielen. Du fängst an", wisperte es jetzt hinter mir.

,,Okay..", überlegte ich.

,,Möchtest du später etwas mit deiner Musik erreichen?", stellte ich vermutlich die schlechteste und einfallsloseste Frage.

Er zuckte mit seinen breiten Schultern und antwortete einige Momente später : ,,Ich weiß nicht. Ich liebe es Songs zu schreiben und zu singen, aber hinterher gefällt es den anderen Menschen nicht. Und ich will nicht den Spaß am Singen verlieren dadurch."

,,Klingt logisch", murmelte ich und nickte verstehend. ,,Aber in meinen Augen kannst du toll singen", fügte ich noch hinzu.

,,Danke."

,,Du bist dran", sagte ich und setzte mich etwas anders hin, weil meine Beine dabei waren einzuschlafen in dieser Position.

,,Willst du in deinem Leben etwas besonderes erreichen?", fragte er und konnte mich nun ansehen, weil ich seitlich zu ihm saß.

,,Am Ende meines Lebens will ich sagen können, dass ich gelebt habe. Sonst will ich nichts besonderes erreichen", erwiderte ich und gähnte.

,,Okay..", murmelte er. ,,Ich hingegen möchte viel erreicht haben am Ende meines Lebens. Ich will bei den Wakeboard Meisterschaften teilnehmen, die Schule irgendwie schaffen und später unabhängig von allem sein", erklärte er.

,,Wakeboard Meisterschaften?", fragte ich mit ehrlichem Interesse.

Er nickte heftig. ,,Nächstes Jahr im Sommer finden sie wieder statt."

,,Das klingt gut", entgegnete ich grinsend.

,,Liebst du das Gefühl auf dem Wasser auch? Frei und etwas weiter weg von allem?", fragte ich und richtete meinen Blick auf ihn. Er sagte nichts dazu, sondern nickte bloß begeistert, was vermutlich alles sagte.

,,Du bist dran", sagte ich nach langer Stille.

,,Mir fällt keine Frage mehr ein", meinte er achselzuckend. ,,Und ich denke nicht, dass du mir die typischen null-acht-fünfzehn-Fragen beantworten möchtest."

Ich schüttelte den Kopf und lehnte mich seufzend zurück. Dann wohl nicht.

Nach langem schweigen, anstarren und wieder wegschauen sobald der andere zurückblickte, begann es - wie es kaum anders zu erwarten war - zu regnen. In San Diego gab es monatlich ein paar Regentage und heute hatten wir wohl das Glück. Innerlich schlug ich mir gegen die Stirn, denn ich hätte mir vorhin eine lange Hose anziehen sollen. Genervt von meiner eigenen, naja leichten Dummheit, stand ich auf und zog mir die Kapuze meiner dünnen Jacke über den Kopf.

Nachdem Shawn erst einmal realisieren musste, dass es wie lange, endlose Fäden regnete, rappelte auch er sich auf.

,,Wollen wir den ganzen Weg wirklich zurücklaufen?", fragte er etwas lauter, weil der Regen so laut plätscherte. Ratlos zuckte ich mit den Achseln. ,,Es ist 20 Uhr Abends und ich will heute noch lebendig an den Bungalows ankommen, also ja, bitte", erwiderte ich bibbernd.

,,Dann komm."

Er griff nach meiner Hand und zog mich im dunklen hinter sich her. Ich vertraute ihm jetzt einfach, dass er den richtigen Weg fand und ich nicht wieder über den kleinsten Stock in diesem Wald stolperte.

Ich hatte das Gefühl, dass der Regen immer heftiger wurde und meine Klamotten langsam begannen durchzunässen. Super.

***
pizzatogo

Opposites AttractWo Geschichten leben. Entdecke jetzt