17. Kapitel

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"Wir sind da", sagte Anton leise. Er klang erleichtert.
Überrascht sah ich mich um. Es sah nicht anders aus als bisher.
Doch dann stieß ein schwarzhaariger Lockenkopf die unscheinbare Tür rechts von mit auf - und mir blieb die Luft weg. Einen Raum wir diesen hatte ich noch nie gesehen! Und das lag nicht nur an den Reihen von Hängematten, die überall hingen, übereinander, voreinander und nebeneinander. Es lag auch an dem riesigen Fenster, das nach draußen zeigte.

Nach draußen ins Universum.

Ich wusste gar nicht, dass es solche Fenster gab. Bei meinen Ausflügen nach draußen hatte ich nie welche gesehen...

Ich setzte es auf meine Fragenliste und wandte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Raum. Rechts von mir schien eine kleine Küche zu liegen, in der mehrere Frauen kochten. Sie waren ebenfalls schwarz gekleidet. Langsam fühlte ich mich, als wäre ich im falschem Film gelandet. Oder ich war eine Neue Folge von "versteckte Kamera" aus Raum-TV.

Am Boden spielten Kleinkinder mit etwas, das aussah wie ein kaputter Roboter!

Doch bevor ich Zeit hatte, alles ausreichend zu bestaunen, lief der Grauhaarige weiter und ich folgte ihm notgedrungen.

Er stieß einen Vorhang beiseite und öffnete eine Tür. Der süße Fremde kam mit herein, aber alle anderen blieben draußen. Als sich die Tür auch vor Anton schloss, verlor ich den letzten Anflug von Vertrautheit. Doch ich drehte mich stur um. Ich war zu Stolz, um etwas zu sagen.

Vor mir befand sich ein kleines Büro. Vor dem Schreibtisch standen mehrere Stühle, und ohne auf eine Aufforderung zu warten, setzte ich mich. Damit setzte ich die Grenze der Machtverhältnisse: Ich hatte ihn in der Hand, und das ließ ich ihn wissen.

Der Grauhaarige sah mich einen Moment undurchdringlich an, aber ich hatte auch ein Pokerface aufgesetzt. Was er konnte, konnte ich schon lange.

Der Alte räusperte sich: "Lassen wir uns erst mal vorstellen. Das >du< ist doch in Ordnung, oder?" Er wartete nicht auf meine Zustimmung, und zeigte mir damit, dass er es keineswegs zulassen würde, dass ich seine Autorität untergrub.

Innerlich musste ich grinsen. Solche Machtspielchen hatten mir schon immer Spaß gemacht.

"Ich bin Henry Smith, und das ist Julian, mein Sohn." Fuhr er fort. Na Super. So wie er mich jetzt schon ansah, würde er es sicher nicht zulassen, das ich mit seinem Sohn Zeit verbrachte.

"Du hast sicher eine Menge Fragen. Nun, ich werde versuchen, dir alles zu erklären.

Alles begann vor langer Zeit... Vor etwa 17 Jahren. Du musst wissen, nicht alle wollten den Planeten verlassen, auf dem deine Mutter starb. Ich zum Beispiel wollte es nicht.

Aber als ich dagegen stimmte, wurde das vom Rat nicht gerne gesehen. Ich musste untertauchen, um zu überleben. Aber mit mir tauchten auch andere unter, diejenigen, die du vorhin gesehen hast. Auch sie waren unzufrieden mit dem Entschluss des Rates.

Also siechten wir hier am Rand dahin, ohne jegliche Daseinsberechtigung. Bis, vor ein paar Wochen, das Raumschiff vor einer Ansammlung von Planeten stoppte. Hast du eigentlich schon aus dem Fenster gesehen? Von hier aus kann man die Planeten sehen..."

Wieder willen sah ich zum Fenster, das es auch hier im Büro gab. Mir stockte der Atem. Es war mir eben nicht aufgefallen, aber die Pandora bewegte sich gar nicht - sie stand. Und man konnte die Planeten sehen. Mehrere. Ich konnte es nicht fassen.

Ein großer schwebte in der Mitte, umgeben von 6, 7, die kaum zu erkennen waren. Ob sie wohl alle bewohnbar waren?

Ich wandte mich wieder Henry zu. "Sind die alle bewohnbar?"

Henry nickte. "Wir ankern hier schon seit Wochen. Es wurden, natürlich streng geheime, Roboterdrohnen losgeschickt, die Bilder gesendet haben.". Er grinste und fuhr fort: "Ich sitze direkt an der Quelle. Du weißt schon, Wanzen und so.", er zwinkerte mir zu, als hätte er mir etwas Vertrauliches verraten - was es, bei genauerer Betrachtung, ja auch war. Dieser Mann war pures Klischee.

Pah, Angeber. Und weil ich das auch konnte, lachte ich gekünstelt auf und sagte: "Ach ja, wenn man kein Geld hat, braucht man ja so etwas wie Wanzen. Hatte ich schon fast vergessen." Ich beugte mich vor, was leider im Bikini nicht annähernd so gekonnt wirkte, wie es beabsichtigt war. "Also, komm auf den Punkt. Was willst du von mir? Du hast mir das doch bestimmt nicht erzählt, weil du mich so magst!"

Für einen Augenblich flackerte sein Pokerface, doch dann hatte er sich erstaunlich schnell wieder unter Kontrolle.

"Du hast recht, ich habe dir das nicht so erzählt. Aber unser Gespräch eben hat mich nur noch mehr überzeugt, wie wichtig es ist, dass du auf unserer Seite bist."

Ah, jetzt brachte sein Verhalten deutlich rüber, dass er uns für ebenbürtig hielt. Innerlich musste ich grinsen.

"Und dabei geht es nicht, wie du vielleicht denkst, um dein Geld. Davon haben wir nämlich genug."

Gelangweilt lehnte ich mich zurück und verschränkte die Arme. "Jetzt rede mal nicht lange um den heißen Brei herum. Was. Wollt. Ihr?"

Henry sog zischend die Luft ein. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass ich bei unserem Gespräch die Oberhand hatte.

"Du hast Einfluss. Und eine Ausstrahlung. Die Leute lieben dich! Wenn du den Menschen erzählst, was dort draußen los ist und wie man sie betrügt, werden sie vielleicht überzeugt!"

Ich lachte höhnisch. "Ich soll sie überzeugen? Du träumst."

Da mischte Julian sich ein, der bis dahin schweigend unser Gespräch verfolgt hatte. "Nein, wirklich, Elodie. Schon alleine, wie du meinem Vater gerade die Stirn geboten hast! Das war fantastisch!". Er warf seinem Vater einen entschuldigenden Blick zu.

Ich weiß nicht mehr, ob es Julians Enthusiasmus war, der mich ansteckte, oder einfach der bloße Willen, endlich einmal wirklich zu leben. Aber was es auch war, es brachte mich dazu, einzuwilligen.

Elementaris #viaaward2017Where stories live. Discover now