16. Kapitel

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Der Schmerz in meinem Fuß war vergessen. Alles was jetzt noch zählte, war der Schmerz in meinem Herzen.

Meine Füße trommelten auf den Boden. Besinnungslos vor Wut und Trauer rannte ich durch die Gänge. Ohne zu wissen, wohin ich eigentlich lief.

Ich wusste nicht, wie lange ich gelaufen war, aber schließlich versiegten meine Tränen und ließen mich leer und ausgehöhlt zurück. Irgendwo brach ich einfach zusammen und blieb liegen. Jetzt kam es mir dumm vor, dass ich einfach so drauflosgelaufen war. Denn jetzt hatte ich mich verirrt, soviel stand fest.

Aber ich blieb nicht lange allein. Kurz glaubte ich, von weiter Ferne den süßen Fremden von vorhin zu sehen, aber das musste eine Halluzination sein, denn er war plötzlich wieder verschwunden.

Aber dafür kamen nach kurzer Zeit andere Menschen. Als ich sie sah, rappelte ich mich auf.

„Wo bin ich hier? Bitte, Sie müssen mir helfen!", rief ich. Meine Stimme klang eingerostet und heiser.

Ein Mann kam auf mich zu, und ich brauchte eine Weile, um zu erkennen, dass es Rose' Vater war. Was machte er hier? Er dürfte eigentlich keinen Zutritt zum Ratsgebäude haben!

Als Anton sah, dass ich humpelte, stützte er mich.

„Was ist los? Warum bist du hier?", fragte ich. Doch Anton schüttelte nur den Kopf.

„Leise! Sie dürfen uns nicht hören!". Jetzt war ich verwirrt. Wer waren sie? Doch ich vertraute Anton, und darum hielt ich den Mund.

Wir bogen um eine Ecke, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht aufzuschreien, denn vor uns standen Menschen. Viele Menschen, Männer wie Frauen. Sie alle hatten nur eines gemeinsam: sie alle trugen schwarz.
Sie nahmen meine Aufmerksamkeit so auf sich, dass ich den aufgebrochenen Lüftungsschacht erst bemerkte, als wir direkt davorstanden.

Ungläubig sah ich Anton an. „Das ist jetzt aber nicht dein Ernst, oder?"

Er beugte sich vor. „Doch. Bitte, Elodie, vertrau mir. Wir tun dies hier nur zu deinem besten!"
Nach kurzem Zögern ging ich zu der Wand. Es wäre schon mit gesundem Fuß schwer gewesen, dort hoch zu kommen, doch jetzt war es ein Ding der Unmöglichkeit. Doch mit Antons Hilfe schaffte ich es, den Schacht zu erklimmen.

Doch kaum drinnen, wünschte ich mir nichts mehr, als hier wieder raus zu kommen. Die Schächte waren eindeutig nicht dafür gemacht, dass ein Mensch dort drinnen herum kletterte. Doch zurück konnte ich auch nicht, hinter mir waren die anderen reingeklettert. Also robbte ich, leise fluchend, weiter.

Nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, erreichte ich das Ende des Schachtes. Ohne darauf zu achten, dass ich mindestens einen Meter fallen würde, robbte ich weiter. Ich hatte echt Platzangst und war kurz davor, loszuschreien. Ich landete unsanft, aber doch überraschend weich auf einem Stapel Decken. Stöhnend sah ich auf - und wünschte mich plötzlich in den schönen, abgelegenen Lüftungsschacht zurück.

Vor mir stand der süße Fremde - und grinste. „Immer, wenn ich dich sehe, liegst du auf dem Boden!", sagte er. Ja, Lächeln stand ihm ausgezeichnet! Jetzt wirkte er deutlich entspannter als vorhin.

„Äh... Hallo!", murmelte ich und schlug seine ausgestreckte Hand aus. Meiner Meinung nach hatte ich mich vor ihm genug blamiert.

Er lächelte nur noch breiter. Zum Glück kam Anton jetzt aus dem Schacht geklettert und rettete mich aus der peinlichen Situation.

„Puh, hätten wir das geschafft!". Er rieb sich Schweißperlen von der Stirn. „Du hast uns ja ganz schön Sorgen gemacht!".

„Ich?", verwundert sah ich ihn an.

Anton hob zu einer Erklärung an, doch in diesem Moment mischte sich ein grauhaariger älterer Mann ein: „Erklären wir es ihr im Hauptquartier. Anton.".

Das wirkte, Anton hielt sofort den Mund. Ich verfluchte ihn dafür.

Wir liefen den Gang entlang, in dem wir gelandet waren. Er hatte nichts mehr mit der Prächtigkeit des Ratsgebäudes gemein, im Gegenteil. Alles schien so schlicht wie möglich ausgestattet zu sein. Die Wände waren in einem schlichten Grau, und überall waren Fächer eingearbeitet. Wo war ich hier blos?

Anton folgte meinem Blick und erriet, was ich dachte.

Nach einem kurzen Blick zu dem Grauhaarigen sagte er Leise: „Wir sind am Rand, Elodie.".

Der Rand. Um das zu verstehen, muss man einen Blick auf den Aufbau des Schiffes werfen. In der Mitte der Pandora waren die Häuser, Gärten, Schulen und so weiter. Und um das Ganze war ein einziger schmaler Gang gebaut, von dem Räume für die Roboter, Ersatzteile und Kabel gebaut waren. Niemand hatte hier zutritt. Niemand. Das Betreten dieses Ganges wurde mit dem Tod bestraft. Und jetzt - waren wir hier.

Elementaris #viaaward2017Where stories live. Discover now