High-Heels und Kuhscheiße

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Vor meinen Augen erstreckten sich über 4000 Hektar pure Natur und wenn ich Montana nicht so hassen würde, dann fände ich es hier sicherlich wunderschön. Die Ranch von Mums Verlobten beherbergte eine Ferienranch, ein übertrieben großes Haupthaus und eine Rinderherde, die bestimmt so viel furzte, dass die Erde sich täglich nur deswegen um 2 Grad erwärmte.
Seufzend öffnete ich die Tür des bulligen Trucks und schaute skeptisch auf den Boden. Eigentlich sollte ich mich mit der Situation abfinden, wie es sich für ein 17-jähriges Mädchen gehörte, aber egal wie sehr ich mich anstrengte, dieser bittere Geschmack wollte nicht vergehen. Irgendwo in der Ferne muhten Kühe und ein Windstoß ließ die Blätter der Bäume rascheln. Wenn ich kurz die Augen schloss, dann konnte ich mich, Jules Summers, blauäugig, dunkelblond (auch wenn ich mir nie so sicher war, ob ich nicht doch eher hellbraun war) und 1,67m klein, was ich mit 10 Zentimeter High-Heels zu vertuschen versuchte, mitten im Central Park sehen. Zwischen meinen Freunden auf einer karierten Picknickdecke mit dem Blick auf den Big Apple. Mit einem Kopfschütteln riss ich mich aus den Gedanken und machte einen mutigen Satz aus dem Monster. Dabei brach ich mir fast die Haxen, denn meine Absätze versanken sofort im Matsch. Obwohl, wenn ich die "Erde" genauer betrachtete, dann war ich mir nicht sicher, ob es sich wirklich darum handelte. Schließlich gab es auf einer Rinderranch noch eine andere braune Masse, die bei weitem nicht so geruchsneutral war, wie Dreck. Angewidert versuchte ich meine wunderschönen Michael Kors Schuhe zu befreien, da taumelte ich zurück und schlug mir den Kopf an der dreckigen Fensterscheibe. Erstens waren meine Schuhe versaut, zweitens hatte ich jetzt sicher eine Gehirnerschütterung und drittens konnte ich nicht mal abhauen, da ich um den Truck besteigen zu können eine Leiter gebraucht hätte. Ich schob mir die Sonnenbrille auf meinen perfekt frisierten Long-Bob und funkelte meine Mum böse an. Sie war an der ganzen Scheiße hier Schuld. Nur sie allein. Nach 20 Jahren Ehe, einer Tochter, einem perfekten Beruf und einem Traumhaus mitten in New York, hatten meine Eltern entschieden, "dass es nicht mehr funktionierte". Angeblich hätten sie sich auseinander gelebt. Wer's glaubt, wird selig. Wer nicht, kommt auch in den Himmel. Meiner Meinung nach hatte einer der beiden mit einem anderen Zungentango getanzt. Aber was ich dachte, interessierte ja eh keinen. WENN ihr mich fragt, dann würde ich hart auf Mum tippen. Schließlich hatte sie 2 Monate nach der Trennung schon "den Mann fürs Leben" gefunden. Mann Nr.2. Die Scheidung war jetzt 1 1/2 Jahre her und eigentlich bin ich gut damit klargekommen. Ich meine, ich lebte in New York abwechselnd bei Mum und Dad, hatte meine Freunde und einen Starbucks einmal quer über die Straße. Doch hiermit kam ich nicht klar. Was weiß ich, wie viele Kilometer zwischen hier und meinem Leben lagen, aber es waren zu viele. Meine Mum hatte das Aufenthaltsbestimmungsrecht bekommen, da mein Vater angeblich ein sehr beschäftigter Mann war und es für mein Wohl besser in einer intakten Beziehung war. Dad hatte eine Rechtsanwaltskanzlei in New York, in der meine Mum als Rechtsanwaltsgehilfe gearbeitet hatte. Sie ließ sich auslösen um eine Buchhandlung in diesem Kuhkaff zu eröffnen und hatte mich eiskalt gegen meinen Willen mitgeschleppt. Und um noch mal auf die "intakte" Beziehung zurückzukommen: Renald Johnson war jemand mit dem ich nicht einen Tag unter einem Dach leben wollte. Während mein Dad Isaac auf einer Skala von 1-10 locker eine 11 war, war Renald eine durchschnittliche 6. Er war nicht so witzig, gut gebaut, schlau, erfolgreich und zielstrebig wie mein Vater und es stellte sich mir die Frage, warum meine Mum sich von perfekt auf mittelmäßig herabließ. Na klar bin ich voreingenommen, wir sprechen schließlich über meinen Vater. Aber ganz ehrlich jeder andere hätte mir das so bestätigt.
"Bist du okay, Liebes", fragte Ren mich und schaute mich besorgt an. Mein Vater trug immer maßgeschneiderte Anzüge, doch dieses männliche Exemplar hier hätte problemlos in einem Wildwest-Streifen mitspielen können. Seine Beine waren in abgetragene Jeans gehüllt und über seiner Brust spannte sich ein rotes Holzfällerhemd. Was dem Topf allerdings den Deckel aufsetzte, waren die spitzen Cowboystiefel und der breitkrempige Cowboyhut. WTF.
"Ja, aber ich bin nicht okay damit, wenn du mich "Liebes" nennst", antwortete ich und bemerkte wie seine braunen Augen ermatteten. Ich reckte ihm mein Kinn entgegen und warf meine Haare zurück. Da trat meine Mum dicht vor mich und drückte mir meinen Koffer in die Hand. Meine restlichen Klamotten würden in den nächsten Tagen zusammen mit einigen Möbeln kommen und ich schwöre bei Gott,wenn auch nur eine Handtasche oder ein kleiner Ohrring fehlte, würde ich morden. Vorzugsweise Renald oder meine Mum. Diese baute sich nun vor mir auf und zischte:" Trag deine Sachen selber, Fräulein. Wenn du deine Manieren wiedergefunden hast, dann kannst du Ren gerne um Hilfe bitten." Hatte ich vergessen zu erwähnen, dass sie immer für andere Partei ergriff? Mensch, mir war klar, dass ich nicht gerade freundlich gewesen war. Aber ganz ehrlich, warum können sie mich und meine Launen nicht einfach ignorieren?
"Wie auch immer, Mutter", antwortete ich und setzte ein dreckiges Lächeln auf. Eher würde ich meine Schuhe mit der Zunge putzen, als dass ich ihr die Genugtuung gab, mich ärgern zu können. Sie schoss auf mich zu und ihre grünen Augen blitzten wütend. Sie sah mir absolut gar nicht ähnlich. Wo Dad und ich hell waren, war sie dunkel. Schwarze Locken und ein gebräunter Teint. Sie sah umwerfend aus, selbst wenn sie mich ansah, als hätte sie gerade in eine Zitrone gebissen. Ihre Finger legten sich um meine Oberarme und sie schüttelte mich. Hart.
"So redest du nicht mit mir. Hast du mich verstanden?", schrie sie und ich befreite mich. Während ich mir die Oberarme rieb, zog Ren sie zu sich.
"Mach so weiter. Körperverletzung kommt bestimmt nicht gut vor Gericht an. Und in nullkommanix bin ich wieder Zuhause in meinem Leben." Ihre Gesichtszüge entgleisten und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
"Das wagst du nicht", flüsterte sie.
"Lass es drauf ankommen, Mami." Fast tat sie mir leid. Aber nur fast.
"Warum darf ich nicht glücklich sein, Julianne?"
"Rachel, lass es gut sein. Sie beruhigt sich wieder", mischte sich Ren ein und dafür hasste ich ihn noch mehr. Immer war er dabei. Meine Mum war nicht mehr meine Mum, sie war Renalds zweite Hälfte. Und es kotzte mich an.
"Wenn ich unglücklich bin, dann bist du es auch", antwortete ich, drehte um und stakste zum Haus.

Fighting Cameron Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt