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Nach dem Gottesdienst habe ich mich spontan dazu entschieden, beichten zu gehen. Ich knie mich an dem kleinen Fenster nieder, das eine Art von Gittertrennwand hat, durch die man die Person, die einem gegenüber sitzt, vollkommen erkennen kann.

Ich dachte Beichten wären anonym?

Sind sie eigentlich auch ...

Dich kennt man hier eh nicht.

Hast ja recht. Naja, was soll's, wenn ich schon mal da bin.

Ich höre und sehe auch, wie sich jemand in den Beichtstuhl setzt. Es ist der Priester von vorhin.

Ein gar nicht schlecht aussehender Mann.

Der Priester sitzt mir seitlich gegenüber und schaut geradeaus, also nicht zu mir. Er räuspert sich, nachdem ich nichts sage.

»Ähm ... Ich glaube ich habe gesündigt«, kommen die Worte unsicher aus mir heraus. Der Priester dreht sich zu mir und schaut mich mit zweifelndem Blick an. Dann scheint er sich in den Griff zu kriegen, dreht wieder den Kopf nach vorne und fragt gelassen: »Ist das deine erste Beichte, mein Kind?«

»Eigentlich nicht, Vater. Ich bin als Kind immer mit meinen
Eltern in die Kirche gegangen, aber nachdem sie verunglückt sind, war ich nicht mehr in der Kirche ... Ehm, Vater.«

»Mein Beileid«, sagt er mitfühlend und es hört sich echt an.

»Danke, Vater.«

Hör auf, ständig Vater zu sagen.

Schon gut!

»Fang am besten mit: ›Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes‹ an. Bekreuzige dich und sprich dir deine Sünden von der Seele«, meint er ernst und ruhig.

Ich tue, was er sagt und beginne, zu reden.

»Also, ich glaube ich habe mich in einen Mann verliebt.«

»Aber das ist doch keine Sünde, mein Kind!«, meint er be-denklich.

Das ist deine Sünde? Ich hätte mehr von dir erwartet ...

Ich ignoriere sie gekonnt und plappere drauf los.

»Doch, ich glaube schon, denn dieser Mann ist verlobt. Ich würde gerne seine Verlobte hassen, aber sie ist so ein netter Mensch. Ich lebe auf unbestimmte Zeit bei der Familie des Mannes und ich weiß, dass ich mich von ihm fern halten muss. I-Ich kann aber nicht. Bei ihm fühle ich mich sicher und geborgen. Ich spüre seine Anwesenheit und möchte ihm nahe sein. Das ist mir noch nie passiert. Normalerweise verabscheue ich das männliche
Geschlecht.« Bei diesen Worten ziehen sich seine Augenbrauen zusammen.

»Das ehm – meine ich nicht so ... Vater. Ich ehm – Ich meinte, dass ich normalerweise versuche, mich vom männlichen
Geschlecht, so gut es geht, fernzuhalten.«

»Schon gut, fahre fort.«

Das machst du sehr gut. Applaus.

Steck dir deinen Sarkasmus sonst wo hin.

»Ist – Ist es falsch?«, frage ich vorsichtig.

»Gewiss ist es nicht falsch, denn jeder kann lieben, wen oder was er will. Doch wenn die Beziehung der beiden dadurch
geschwächt wird, so soll es falsch sein.«

Toll, das bringt mich kein Stück weiter.

Aber jetzt weißt du, dass du ihn lieben darfst.

Wow ...

»Ich meine, wie soll ich mich nun verhalten? Soll ich es ihm
sagen oder es lieber lassen?«

»Es ist alles geschrieben, Gott wird alles regeln. Verlasse dich auf ihn und dir seien deine Sünden vergeben.«

Dann predigt er noch ein wenig, zitiert die Bibel und sagt
folgendes zum Schluss: »Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes, die Welt mit sich versöhnt und uns den Heiligen Geist gesandt, zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und
Frieden. So spreche ich dich los von deinen Sünden: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Er bekreuzigt sich ein weiteres Mal.

»Sag ›Amen‹, mein Kind und bekreuzige dich.«

Ihn nachahmend, bekreuzige ich mich und stehe langsam auf. Ich fühle mich wirklich leichter, so als sei die Schuld, die ich
getragen habe, von meiner Schulter gefegt.

Ja, mit einem Staubwedel.

Ich verdrehe mental die Augen und sehe mich nach den
Primes um. Abigail steht neben einer Frau und unterhält sich angeregt mit ihr. Ich schlendere zu den beiden und geselle mich mit einem Lächeln zu ihnen.

»Oh Diana, kennst du schon Macey? Sie ist eine Freundin der

Familie.« Abigail strahlt mich förmlich an.

Diana reicht mir ihre trockene Hand. »Schön, dich kennen zu lernen. Woher kommst du? Ich habe dich hier noch nie gesehen.«

Na na na, nicht gleich so neugierig.

»Ich ehm ... komme –«, doch bevor ich meinen Satz beenden kann, stößt Darren mit Fiona am Arm zu uns und schneidet mir das Wort ab.

»Miss Collins kommt aus Portland, sie ist vor kurzem zu uns gezogen.«

Erstaunt darüber, wie gut Darren lügen und gleichzeitig so entspannt bleiben kann, starre ich ihn an.

Warum lügt er die Freundin seiner Mutter an?

Du musst das klarstellen.

Gerade als ich etwas sagen will, lächelt er mich an, was mich sofort vergessen lässt, was ich sagen wollte und ich schmelze
dahin.

Blue in my HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt