-1-

10K 323 39
                                    

Ich stehe vor dem Spiegel, um mein Kleid ein letztes Mal glatt zu streichen.

»Mace, nun komm schon. Du musst gleich raus«, höre ich
Claire.

»Komme«, rufe ich zurück.

Das Lied ›Wedding March‹ von Mendelssohn Bartholdy wird zum Hochzeitsmarsch gespielt. Es ist wunderschön. Ich stecke mir die Strähne, die sich immer wieder aus meiner Frisur löst, hinters Ohr und stelle mich vor Claire.

»Dein Blumenstrauß«, sagt sie und drückt mir einen weiß-blauen Strauß in die Hand.

Ich bin so aufgeregt, dass der Strauß in meinen Händen anfängt, zu zittern.

»Du siehst toll aus«, versichert mir meine Schwester und zugleich beste Freundin.

»Puh, dann wollen wir mal.«

Ich grinse sie an, und sie nickt den zwei Männern zu, die vor einer Doppeltür stehen und diese dann öffnen. Öffentliche
Auftritte liegen mir nicht, doch diesem hier konnte ich nicht
entfliehen. Ein letztes Mal atme ich tief ein, bevor ich losgehe. Mein ganzer Körper zittert, während die Gäste jeden meiner Schritte beobachten. Ich komme in der Mitte des Weges an. Nur noch ein paar Schritte zum Altar, sage ich mir selbst. Nur noch ein paar – und dann passiert es.

Ich stolpere.

Peinlicher geht es wohl nicht. Da will man zum Altar ›schreiten‹, doch stolpert stattdessen auf dem Weg dorthin.

Ich fühle, wie meine Wangen heiß werden. Alle starren mich an. Wirklich alle. Jedes Augenpaar in der Kirche liegt auf meiner Wenigkeit, als ich auf dem harten Boden aufkomme.

Nein, nein, nein, das ist nicht passiert. Bitte sag mir, dass das nicht passiert ist.

Oh doch, Schätzchen es ist passiert. Ich spüre, wie meine Knie anfangen, ein wenig zu schmerzen, doch ignoriere es. Ich schäme mich in Grund und Boden, als ich aufschaue und die Blicke der Gäste mich treffen. Am liebsten würde ich mich in eine dunkle Ecke zurückziehen. Jetzt stell dich nicht so an, ist ja nicht so,
als wäre das deine Hochzeit. Du bist nur die Trauzeugin. Da hast du wohl recht.

Wenige Sekunden später spüre ich eine Hand an meinem Arm, die mich hochzieht.

»Ich habe zwar erwartet, dass ich vor dir auf die Knie falle, um dich zu bitten, mich zu heiraten, aber so geht es auch«, zwinkert mir Jasper zu, hebt den Blumenstrauß vom Boden auf und reicht ihn mir grinsend.

Die Gäste, die um uns herumsitzen, fangen leise an, zu lachen.

Mich zuckersüß anlächelnd flüstert er in mein Ohr: »Na komm schon, zeig mir dein Lächeln, der war doch gut«, und reicht mir seinen Arm. Ich versuche, mir ein Grinsen zu verkneifen, doch das

klappt nicht so ganz.

»Danke, mein Held«, schmunzle ich, nehme seinen Arm und gehe gemeinsam mit ihm weiter zum Altar.

Dort angekommen, stelle ich mich auf die Seite meiner Familie, gefolgt von Mandy, meiner kleinen Schwester, die eine von
Claires Brautjungfern ist. Jasper stellt sich wieder neben den
Bräutigam, da er sein Trauzeuge ist.

»Oh, dein Kniefall war zu lustig, ich konnte mich vor Lachen kaum auf den Beinen halten.« Mandy feixt mich breit an, wischt sich die imaginären Lachtränen weg und bringt ein einfaches
Hach heraus.

Ich schaue sie wütend an, doch ernst bleiben, kann ich nicht. Es wäre bestimmt sehr lustig gewesen, wenn man nicht selber die Person ist, die den Boden umarmt. Gespielt genervt flüstere ich: »Ach, sei still« und grinse sie dabei an. So ist es immer zwischen uns. Matthew, Claires Fast-Ehemann, sieht mich ebenfalls an und schmunzelt.

Er lacht dich innerlich aus. Ja, das weiß ich auch. Warum ich ein Gespräch mit mir selbst führe? Lasst mich euch erstmal bekannt machen: das ist ›The Voice‹. Es ist eine Stimme in meinem Inneren, die mir hilft, nicht zusammenzubrechen, aber meistens macht sie mich fertig. Und ja, mir ist bewusst, wie krank das klingt.

Alle erheben sich und drehen sich zur Tür, als Claire im Türrahmen steht. Man kann leise ›Ohs‹ und ›Ahs‹ hören. Ihr Brautkleid ist einfach nur wunderschön. Sie ist eine elegante und
attraktive Frau. Manchmal beneide ich sie, aber nicht, weil sie so hübsch ist, sondern weil ich ihre selbstsichere und offene Art
bewundere. Sie sagt gerade heraus, was sie denkt, auch wenn es andere nicht hören wollen. Damit meine ich nicht, dass sie andere verletzt, im Gegenteil, bei ihr fühlt man sich immer wohl.

Mit diesem Gedanken schaue ich stolz zu, wie sie von Helena, unserer Mutter, geführt wird und diese sie am Altar an Matt
überreicht. Er grinst wie ein Honigkuchenpferd und strahlt dabei seine Fast-Ehefrau an. Man kann förmlich die Liebe zwischen den beiden spüren. Claires Augen glitzern, als wären Sterne darin.

»Wir haben uns heute hier versammelt, um Claire Elaine
Gallagher und Matthew Kirk Hayman in den Bund der Ehe zu begleiten. Die Liebe erträgt alles, sie glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf. Und so hoffen wir, dass sie euch immer beistehen wird«, sagt der Pfarrer und schaut dann
Matthew an »So frage ich dich, Matthew Kirk Hayman, wirst du deine Frau ehren und lieben, in guten wie in schlechten Zeiten, an kranken wie an gesunden Tagen, in Armut und Reichtum, so
antworte mit ›Ja, ich will‹.«

Matthew schaut sie an, grinst und sagt: »Ja, ich will.«

Der Pfarrer sieht in Claires Richtung und wiederholt die Frage, mit den Ausschweifungen.

» ... so antworte mit ›Ja, ich will‹.«

»Ja, ich will«, spricht sie laut und deutlich aus.

»Du darfst die Braut jetzt küssen«, erklärt der Pfarrer und hat dabei ein Lächeln auf den Lippen. Matthew nimmt Claires Gesicht in beide Hände und küsst sie leicht, bis Claire ihn am Nacken packt und an sich zieht.

Uhh ... jetzt geht's aber ab.

Jasper sieht mich von der anderen Seite des Altars an, zwinkert mir zu und grinst verführerisch. Als Antwort rolle ich nur
belustigt die Augen.

Ich sehe zu, wie ein paar Hochzeitsgäste sich die Freuden-tränen wegwischen, andere sehen fröhlich aus und lachen über

die Wildheit der beiden beim Knutschen und dann gibt es noch mich. Ich freue mich sehr für Claire und Matthew. Hochzeiten sind etwas Schönes, doch ich weiß ganz genau, dass ich niemals heiraten will. Das habe ich schon vor langer Zeit beschlossen.

Blue in my HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt