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»Sie muss sofort in das Zeugenschutzprogramm«, sagt Primes ein wenig harsch.

Wir sind im Büro von Primes' Boss.

»Das geht nicht ... «

»Sir, sie muss beschützt werden. Wer weiß, vielleicht hat dieser Drecksack jemandem von ihr erzählt«, unterbricht er seinen Boss fast lautstark.

G. Flemming entziffere ich den Schriftzug des Namensschilds, das auf dem Tisch steht. Bequem lehne ich mich in einen der
Sessel, die schräg gegenüber stehen. Vor mir befindet sich ein riesiger Tisch, mit einem Computer und mehreren Stapeln aus Mappen. Außerdem noch eine kleine Freiheitsstatue. Primes steht neben dem Sessel und stützt sich mit seinen Händen auf der Tischkante ab.

Sein Boss schaut ihn grantig an. »Special Agent Primes, ich weiß, was ich von mir gebe. Es ist kein Safehouse in der Nähe frei.« Der Angesprochene dreht sich zur Tür und fährt, beinahe hoffnungslos, mit der Hand durch seine Haare.

Flamming tippt etwas in den Computer. »Am Ende der Stadt ist eins, da kann sie untergebracht werden. Es ist nur zwei
Stunden entfernt«, schlägt sein Boss vor.

»NUR? Director Flamming, sie muss an einem Ort untergebracht werden, der nicht so weit entfernt ist. Sie ist eine wichtige Zeugin und muss, falls es nötig ist, unmittelbar zur Verfügung stehen können.« Er scheint verzweifelt zu sein.

»Ich werde etwas organisieren und solange wird sie Personenschutz bekommen«, schließt der Director ab. Für ihn ist die Sache offenbar erledigt. Ich lausche dem Gespräch, ohne mich einzu-mischen. Die beiden diskutieren so, als wäre ich gar nicht da.

Sie ignorieren dich wohl eher.

»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Sir. Wo soll sie denn hin? Wieder zurück in dieses Haus?«, er zeigt auf mich.

Primes wirkt nicht mehr verzweifelt, sondern durchaus ver-ärgert. Er fährt mit dem Finger an seinem Mund auf und ab und sieht dabei sehr nachdenklich aus.

»Das sind die Optionen, Agent«, meint sein Boss.

Primes atmet aus. »Miss Collins könnte auch in mein Apartment.«

Geschockt blicke ich ihn an, doch er würdigt mich keines
Blickes.

»Ich habe ein freies Zimmer und somit beansprucht sie keinen Personenschutz.«

Der Director nickt nachdenklich. »Ja, das wäre eine Möglichkeit. Zumindest bis ein Safehouse in der Nähe frei wird. Wären Sie wirklich damit einverstanden, Primes?«

»Ja, Sir«, antwortet er seinem Boss.

»Hört sich gut an. Ich hole die Papiere.« Director Flamming steht auf und verlässt das Büro.

Die entscheiden das einfach so? Ohne mich zu fragen? Als
wäre ich Luft.

Lass dir das nicht gefallen!

Tue ich auch nicht. Entschlossen melde ich mich zu Wort. »Ich kann bei den Natterns wohnen, das wäre kein Problem.« Meine Stimme ist kaum hörbar.

Und jetzt, zum ersten Mal seit wir in diesem Büro sind, nimmt er mich wahr. Er steht vor mir, seine Arme ineinander verschränkt und sieht auf mich herab.

»Doch, das wäre es durchaus. Es ist nicht genügend Schutz vorhanden und außerdem haben die Natterns ein Kind. Ich kann es nicht verantworten, wenn etwas passiert«, gibt er beherrscht von sich.

Woher weiß er bitte, dass unsere Nachbarn ein Kind haben?

Er weiß fast alles über dich, schon vergessen?

Ich springe auf. »Was soll denn schon passieren?«

Wir stehen voreinander, uns trennt ein halber Meter. Primes guckt mich todernst an und macht einen Schritt nach vorne.
Eingeschüchtert falle ich in den Sessel zurück, wobei meine Hand gegen die Spitze der Staute knallt. Diese fällt auf den Boden, aber ich ignoriere sie, denn in diesem Moment neigt er sich runter, stützt seine Hände auf die Sessellehnen und spricht so ruhig, dass es fast schon drohend wirkt.

»Macey, vergiss nicht, was vor einer Stunde geschehen ist.« Während er das sagt, spüre ich seinen Atem in meinem Gesicht. Es ist so nah an meinem, dass es mir die Luft abschnürt.

Ich halte den Atem an. Ich fühle mich eingeengt. Seine
meerblauen Augen sind tief in meinen haselnussbraunen
versunken. Dieses Blau ... einfach himmlisch.

Jemand öffnet die Tür, und Primes tritt sofort einen Schritt zurück. Eine Dame steht in der Tür und bittet mich, mitzukommen.

Ich hole tief Luft. Es fühlt sich an, als wäre ich im Meer
gewesen und nach Minuten wieder an die Oberfläche aufgetaucht. Langsam versuche ich, aufzustehen.

»Wir nehmen jetzt Ihre Aussage auf«, meint die Frau, mit
einem Tablet in der Hand. Ich nicke und folge ihr, ohne Primes anzusehen.

»Warte«, entfährt es ihm. Er kommt auf mich zu und gibt mir ein schwarzes Tuch. »Deine Hand, sie blutet«, er zeigt auf meine linke Hand. Tatsächlich, es rinnt Blut aus meiner Handinnen-fläche. Das muss wohl passiert sein, als ich die Statue umgeworfen habe.

Ich nehme das Tuch und halte es mir gegen die Wunde.
»Danke.« Er nickt nur.

Die Dame im Hosenanzug und ich gehen in einen Verhörraum.

»So, Miss Collins, fangen wir an ... «

Nach einer gefühlten Ewigkeit hält sie mir ihre Hand hin und sagt: »Gut, das war's. Ich bedanke mich und falls es noch offene Fragen gibt, kontaktieren wir Sie.«

Ich nicke lächelnd, verlasse den Raum und das Erste, was ich sehe, ist er, wie er direkt neben der Türe steht.

Primes mit verschränkten Armen. »Ich hoffe, er bleibt für immer hinter Gittern«, höre ich ihn murmeln.

Sein Boss hält mir ebenfalls die Hand hin.

»Vielen Dank, Miss Collins, Sie waren uns eine große Hilfe«, sagt er sanft.

Blue in my HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt