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Ein paar Tage später

Ich wage einen Blick auf den Wecker, der neben dem Bett auf dem Nachttisch steht. 23:51 Uhr und ich bin hellwach.

Nun liege ich seit einer gefühlten Ewigkeit in diesem riesigen Bett und bekomme kein Auge zu. Dann kann ich auch gleich aufstehen.

Entschlossen setze ich mich auf und marschiere zur Tür
hinaus, nachdem ich sie leise geöffnet und meinen Kopf in den Flur gesteckt habe. Kein Licht, Primes muss schon schlafen.

Ich gehe auf den Flur und sehe auf Primes' Tür, die geschlossen ist. Meine Neugier überwältigt mich, weswegen ich auf die linke Seite des Flurs gehe und die Klinke der Tür, die gegenüber von meinem Schlafzimmer ist, runterdrücke. Verschlossen. Sie lässt sich nicht öffnen. Toll, jetzt ist meine Neugier noch mehr geweckt.

Mach dir nichts draus, es gibt noch die andere Tür, die gegenüber von Primes' Schlafzimmer.

Stimmt.

Leise tapse ich auf die andere Tür der linken Flurseite zu. Und ... Ja, sie ist offen. Es ist ein Büro. Ich sehe mich um. Modern
eingerichtet, wie der Rest des Apartments. Ein kurzer Blick nach rechts und vor mir erstreckt sich ein großes Bücherregal.

Ach, Bücher ... Die Flucht in eine andere Dimension, eine
andere Welt.

Ganz oben im Regal steht eines meiner Lieblingsbücher.
›Abbitte‹ von Ian McEwan. McEwans großartige, aber auch
quälende Beschreibung von Briony, die zu spät ihren Fehler
erkennt und nun mit den Konsequenzen leben muss, ist einfach fantastisch. Eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe.

Ich strecke mich, komme aber nicht an das Buch.

Und jetzt?

Jetzt schnappe ich mir den Schreibtischstuhl und stelle mich darauf. Gesagt, getan. Ich schiebe den Bürostuhl vor das Bücherregal und klettere darauf. Doch genau in dem Moment, in dem ich nach dem Buch greife, rollt der Stuhl nach vorne gegen das Regal, und ich krache lautstark auf den Boden. ›Abbitte‹ landet direkt auf meiner Stirn.

Selbst schuld, Liebes.

Plötzlich stürmt Primes mit einer Waffe in der Hand in das
Büro. Schockiert über die Waffe hebe ich meine Arme, um zu
signalisieren, dass ich es bin.

»Verdammt, Macey, ich dachte, es wäre ein Einbrecher!«, schreit er mich an und steckt seine Waffe in den Bund seiner
Boxershorts. Warte, was?

Er hat Boxershorts an. Nur Boxershorts. Verdammt, wer schläft denn bitte nur in Boxershorts?

Er kommt auf mich zu und streckt mir seine Hand hin, die ich dankend annehme. Sanft zieht er mich hoch, und ich starre ihm verlegen in sein Gesicht, um nicht woanders hinzuschauen.

Wie zum Beispiel auf seinen nackten Oberkörper und seine ausgefüllten Shorts?

»Du bist wohl eine Meisterin in der sich-verletzen-Kategorie.« Er zeigt auf meine Stirn, als er meinen verwirrten Ausdruck sieht. Ich fasse mir an die genannte Stelle und sehe dann auf blutverschmierte Finger runter.

»Komm mit«, sagt er und geht los. Immer noch perplex stehe ich da und starre ihm durch die offene Bürotür hinterher. Er geht in sein Schlafzimmer und ich runzle die Stirn. Was soll ich bitte in seinem Schlafzimmer?

»Kommst du?«, fragt er und kommt wieder in den Flur zurück, als ich nicht antworte. »Die Wunde muss gesäubert werden, damit sie sich nicht entzündet.«

Okay, stell dich nicht so an, er will dir nur helfen. Er wird dir schon nichts tun.

Ich folge ihm in sein Schlafzimmer, doch da ist er nicht. Stirnrunzelnd schaue ich mich um und sehe eine offene Tür. Das Licht im Raum dahinter wirft dabei ein schwaches Licht in das dunkle Schlafzimmer.

Primes holt gerade eine Kiste aus dem Wandschrank im riesigen Bad heraus, in dem wir gerade stehen und platziert diese auf einem kleinen Tisch neben der Badewanne. Ich wusste gar nicht, dass es im Apartment, außer dem kleinen Bad hinter der Küche, noch eins gibt.

»Setz dich«, sagt er dirigierend und deutet auf den Bade-wannenrand.

Ich tue, was er sagt und setze mich auf das kalte Acryl. Sorgfältig fängt er an, die Wunde abzutupfen und sieht mich dabei
interessiert an.

»Was wolltest du mitten in der Nacht in meinem Büro?«

»I-Ich konnte nicht schlafen, deshalb habe ich gedacht, ich sehe mich ein wenig um und dann habe ich Ihr Bücherregal gesehen«, versuche ich, mich zu rechtfertigen.

»Dachtest du, ja?« Er gießt eine Flüssigkeit auf ein Wattepad und tupft wieder meine Stirn damit ab.

Es brennt, doch sein Blick, der auf mir liegt, brennt viel mehr. Seine meerblauen Augen durchbohren mich regelrecht. Nach nur wenigen Millisekunden kann ich ihnen nicht mehr standhalten, deshalb schaue ich auf meine ineinander verschränkten Hände.

Mit flinken Fingern klebt er mir noch ein Pflaster auf die Stirn und dreht sich zum Mülleimer, um die blutige Watte zu ent-sorgen. Danach schlendert er zum Waschbecken.

Nun bin ich diejenige, die ihn mustert. Er hat immer noch nur seine Boxershorts an. Da er mit dem Rücken zu mir steht, kann ich seine perfekte Rückenmuskulatur beobachten und wie dessen Muskeln sich bewegen, als er zur Seife greift.

Der Typ ist wirklich heiß.

Während er seine Hände trocknet, stehe ich vom Badewannenrand auf. »Danke fürs Verarzten«, gebe ich ehrlich von mir, bevor ich auf sein Schlafzimmer zusteuere, um wieder durch den Flur in mein Zimmer zu gelangen.

Aber da er im Weg steht, warte ich einen halben Meter von ihm entfernt, bis er mir Platz macht. Doch er bewegt sich keinen Zentimeter und starrt mich nur an.

»Wohin willst du?«, fragt er tonlos und macht einen Schritt auf mich zu.

»I-Ich ... Ehmm raus ... «, stammle ich vor mich hin, da er jetzt genau vor mir steht und auf mich hinab schaut.

»Da ist die Tür zu deinem Schlafzimmer«, sagt er und deutet auf eine weitere Tür im Badezimmer, die mir zuvor nicht auf-gefallen war.

»Oh ... «, bringe ich nur heraus und drehe mich in besagte Richtung. Ich öffne sie und tatsächlich ist mein Schlafzimmer
dahinter. Nachdem ich eintrete, wende mich noch einmal zu
Primes, der immer noch am selben Fleck steht und mich mustert.

»Danke nochmal«, murmle ich. Beim Umdrehen kann ich noch im Augenwinkel erkennen, wie er grinst.

Der Typ ist unglaublich.

Blue in my HeartWhere stories live. Discover now