Kapitel 33

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Ich komme einfach nicht mit dem Gedanken klar, dass Josephine Liliths Mutter ist. Vielleicht liegt das daran, dass ich hinter jedem ihren Wort einen Hacken höre, doch... Die Vampirinnen sind sich nirgendwo ähnlich. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob Josephine ihren Clan für einen Menschen verlassen würde. Sie wollte schon immer Macht besitzen. Ihr passte nie das langweilige Menschenleben. Und überhaupt, ich bezweifle, dass sie sich verlieben könnte.
“Vielleicht war ihre Mutter ja jemand, den wir kennen...“, überlegt Miguel und bringt mich somit aus meinen Gedanken.
Ich habe ganz vergessen, dass er sich bei mir im Zimmer befindet.
Und da werde ich wie von einem Blitz getroffen. Schon die ganze Zeit über hatte ich so ein seltsames Gefühl, dass Lilith jemandem ähnlich sieht.
“Ich muss Angelika sprechen! Ich habe eine Vermutung.“, rufe ich und richte mich abrupt auf.
“Aber heute ist der Kampf!“, widerspricht der Vampir.
“Eben! Du musst Lilith so lange zögern lassen, bis ich wiederkomme, Miguel. Es kann sein, dass wir gerade einen großen Fehler begehen, indem wir uns gegen Alexandra stellen.“
Miguel lehnt sich nach vorne und sieht aufgeregt zu mir hoch. “Wie willst du da noch was ändern? Lilith kämpft gegen Alexandra, das steht fest. Unser ganzer Clan wird da sein!“
Und Jeffrey... Er gehört zum Rat, ich konnte seine Kraft spüren. Aber Spaß muss dabei sein. Ich zweifle nicht daran, dass auch er sich ein wenig Spaß erlaubt hat und sich deshalb als ein junger Dark ausgegeben hat. Die ganze Gefangenschaft war also ein kleines Schauspiel zwischen mir und ihm für die anderen.
Ich stehe vom Bett auf und stelle mich vor Miguel hin.
“Zögere die Zeit hinaus.“, trage ich ihm auf.
“Ich werde es versuchen.“, sagt er nach einer Weile.
Ich nicke ihm zu und eile durch den langen Flur, bis ich den Wald zu spüren glaube. Also öffne ich die Tür vor mir und trete hinaus. Angelika muss irgendwo hier sein. Das ist ihr Territorium und sie wird meinen Geruch erkennen.
Und das ist auch kein Irrtum, denn nach wenigen Sekunden steht meine Schwester schon vor mir.
“Was möchtest du?“, fragt sie feindselig.
“Die Zusammenarbeit mit dir genieße ich auch nicht unbedingt, Angelika. Doch ich bitte dich um Antworten. Eine einzige Frage.“, bitte ich sie.
Die Vampirin nickt langsam. “Rosalie ist aus dem Clan geflohen. Zu ihrem Menschen. Und als wir sie aufgesucht haben, wollte sie nicht mehr zurück, da sie ja schon ein Kind hatte. Wir dachten, es ist ein Mensch und haben es am Leben gelassen. Liliths Vater haben wir die Erinnerungen gesperrt und alle Fotos verbrannt. Rosalie ist tot, Joshua, schon seit 17 Jahren tot.“
Ich kann mein Entsetzen nicht verstecken. Josephine hat Rosalie umgebracht... Und jetzt will sie auch noch durch Lilith ihre Feinde beseitigen. Rosalie war damals auf der Flucht und ich habe nichts von ihrer Angst mitgekriegt.
“Wirst du Josephine jetzt das Leben nehmen?“, interessiert sich meine Schwester.
Ich schüttele den Kopf. “Sobald Lilith die Wahrheit erfährt, wird sie es selbständig tun wollen. Und du, wirst du deiner Anführerin davon berichten?“
Ganz kurz fliegt ein Lächelnd über ihr Gesicht. “Sie ist nicht meine Anführerin und ich war mit ihr auch nie zufrieden. Ich wollte nur ein wenig deine Ruhe stören, da ich dich zufällig gefunden hatte. Ich werde mich heraushalten und Vergnügen empfinden, ganz gleich welche Seite siegt.“
Das habe ich geahnt. Angelika interessiert es kein wenig, was um sie herum geschieht, Hauptsache sie bleibt am Leben.
Ich seufze. “Was möchtest du für die Informationen?“
Meine Schwester schüttelt den Kopf. “Nichts. Doch wenn Lilith in beiden Kämpfen siegt, müssen wir eine Weile zusammenarbeiten.“
“Das versteht sich von selbst.“, nicke ich.

Jahr 2016
Ich lasse den Anblick des Mondgartens hinter mir und schließe die Tür. Bald schon werden neue Rosen blüten, doch noch ist es zu früh dafür - der Winter ist noch nicht vorbei.
Weiter im Flur umarmt mich Miguel brüderlich und klopft mir auf den Rücken.
“Willst du jetzt wirklich einfach gehen?“, fragt er mit Hoffnung in der Stimme.
Ich breite leicht die Arme aus und zucke die Schultern. “Hier habe ich nichts mehr zu tun. Dir ist selbst bewusst, dass ihr meine Hilfe nicht mehr braucht. Und auf meine Ratschläge könnt ihr nun auch verzichten.“
Das Schnauben des Vampirs deute ich als eine unsichere Zustimmung.
“Und willst du dich nicht mal von Lilith verabschieden?“, möchte er dann wissen.
Ich lächele entschuldigend. “Eher nein als ja.“
Miguel lacht und lehnt sich mit einem breiten Grinsen gegen die Wand. “Dann hast du Pech.“
Es machen sich Schritte von der Wendeltreppe aus hörbar und ich erblicke Lilith.
“Viel Spaß.“, flüstert mir Miguel zu und verschwindet im Wohnzimmer.
Ich drehe mich wieder zu Lilith um und ernte ihren fragenden Blick.
“Was ist denn los?“
Ich sehe ihr in die Augen und verwerfe den Gedanken, der Frage auszuweichen.
“Der Moment ist gekommen, an dem ich euch verlasse.“, antworte ich.
Eine plötzliche Trauer ergreift sie.
“Oh.“, flüstert sie.
Eine Weile schweigen wir nur und ich warte darauf, bis sie ihre letzten Bekümmerungen mit mir teilt.
“Joshua“, meint Lilith. “Warum nennt ihr euch eigentlich seelenlos? Das stimmt doch gar nicht. Christopher ist das vielleicht. Oder Josephine. Oder Angelika. Die kümmert ja gar nichts in der Welt. Ein Weltuntergang würde kommen und es wäre ihnen egal. Doch du sorgst dich um andere. Miguel auch. Maximilian und Diana lieben sich. Aurora überfüllt Spott. Sogar Alexandra hat ihrem Clan zugute gehandelt. Wie kannst du das seelenlos nennen? Ihr ernährt euch sogar nicht mehr von Menschenblut! Eure Seele gehört immer noch euch, Joshua, da kannst du dir sicher sein.“ Sie legt ihre Hand sanft auf meine Brust. “Deine Seele ist da, spürst du es denn nicht?“
Ich lausche und höre ihr Herz dabei schlagen. Auch meins schlägt ab und zu.
“Vielleicht.“, sage ich leise.
Fest sieht sie mir in die Augen und ein kleines Lächeln stielt sich auf ihr Gesicht. “Natürlich ist sie da. Und ich werde dich schlagen, wenn du mir jetzt nicht zustimmst.“
Ich grinse. “Ein letzter Kampf?“
“Nein, danke.“, lacht sie. “Davon hab ich genug.“
Ich nicke leicht lächelnd. “Ja, ich auch.“
Nun sieht sie mich besorgt an. “Wo gehst du jetzt hin? Schließt du dich dem Rat an?“
Ich schüttele den Kopf. “Zuerst möchte ich ein wenig reisen. “
Wir schweigen.
“Danke dir, Lilith.“, sage ich schließlich.
Sie hat meine Welt verändert. Ich habe vieles dazugelernt, ohne es zu merken.
“Ich werde dich vermissen.“, erwidert sie und ihre Augen glänzen.
Aufmunternd lächele ich sie an. “Das Leben ist lang. Bestimmt werden wir uns noch sehen.“
Sie nickt und ein trauriges Lächeln verzieht ihre Lippen.
“Bestimmt.“, flüstert sie. “Viel Glück, Joshua.“
Auch ich lächele traurig. “Lebe wohl, Lilith.“
Mit diesen Worten kehre ich ihr den Rücken zu und verlasse die Villa.

Ende

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So traurig es auch für mich ist, ich muss die ganze Story hier beenden. Ich hoffe, ich konnte euch durch diese so genannte Fortsetzung Joshua näher bringen und das Geschehen hinter Liliths Rücken deutlicher machen.
Es ist schon komisch, die Vampire hinter mir zu lassen, denn für mich waren sie durchaus lebendig. Schon nach dem zweiten Teil wollte ich es nicht tun und so konnte ich mich von dem dritten Teil auch nicht abbringen. So wie bei allen anderen Geschichten werde ich mir auch diesmal noch viele Gedanken machen, was ich hätte noch schreiben oder anders machen können, doch einen weiteren Teil wird es wirklich nicht mehr geben.
Ich danke euch, dass ihr meine Geschichte gelesen habt, und hoffe, sie hat euch gefallen.
Natürlich würde ich mich über Kommentare freuen und gern beantworte ich euch auch gebliebene oder aufgetretene Fragen.
Eure Once-00

Zu Hause bei den Vampiren 3Où les histoires vivent. Découvrez maintenant