Kapitel 8

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Josephine mustert mich eindringlich. Ihre Reaktion überrascht mich kein bisschen - ich war mir schon die ganze Zeit über sicher, dass sie mir nicht vertraut.
“Wie viel hat dir Rosalie über uns verraten?“
“Sie hat mir nichts verraten, da ihr ihr Leben wichtig ist. Deshalb möchte ich es von dir erfahren.“, entgegne ich kalt.
“Wie kann ich mir sicher sein, dass du die Informationen nicht an meine Feinde erzählst?“
Ich zucke die Schultern. “Du kannst es gern in meinen Gedanken lesen. Ich habe keine hinterhältigen Absichten.“
Die Vampirin betrachtet mich noch einmal prüfend und seufzt dann. “Was möchtest du wissen?“
Ich setzte mich ihr gegenüber auf den Stuhl.
“Was ist der Rat? Wo ist sein Sitz? Wer gehört dazu? Welche Entscheidungen treffen sie?“
“Der Rat ist ein geheimer Clan. Seine Angehörige bleiben anonym, versuchen immer, sich nicht zu zeigen. Sein Sitz ist ebenfalls unbekannt. Doch wer gegen die Regeln verstößt, wird sofort sein Leben los.“, erzählt Josephine.
Es gibt Regeln, wie ein Vampir zu leben hat. Sehr interessant. Dabei ist keine einzige zu meinen Ohren durchgedrungen. Wie soll man Regeln beachten, von den man nie gehört hat?
Die Vampirin verschränkt die Arme vor der Brust. “Bist du jetzt zufrieden, Joshua?“
Ich nicke bedächtig. “Gewiss.“

Das Leben mit Josephine erweist sich als äußerst nervtötend. Solange ich keine Botengänge mache, zwingt sie mich, ihre Aufgaben am Hof zu übernehmen. Weil sie sich damit befasst, meine Kräfte weiterzuentwickeln, wie sie es argumentierte. Zudem muss ich manch Aufträge am Tag erledigen.
Doch mit der Zeit werde ich wirklich immer besser, bis ich Josephine übertreffe. Nach zwei Jahren bin ich ihr überlegen.

Jahr 1830
Die Nacht ist kalt, doch ich friere nicht. Der Winter dieses Jahres ist wirklich unentbehrlich. Die Menschen gehen spät kaum raus, doch eine Mahlzeit pro Woche reicht mir aus.
Plötzlich nehme ich einen bekannten Geruch wahr. Ich trete auf die Lichtung und sehe mich um. “Rosalie?“
Die Vampirin läuft aus den Wald auf mich zu und wir werden herumgewirbelt, als sie nach meinen Armen greift.
Sie lacht herzig. “Joshua, lange nicht mehr gesehen!“
“Mittlerweile schon 146 Jahre.“, grinse ich. “Was hat dich hierher geführt?“
Rosalie verdreht genervt die Augen. “Josephine.“
Ich sehe sie forschend an. “Josephine? Ich dachte, du stehst unter Alexandra.“
“Mittlerweile nicht mehr. Die Anführerinnen kommen nicht mehr miteinander klar und wollen nun zwei eigene Clans bilden. Dabei ist Alexandra gegen das Menschenblut und Menschentötung.“
Jetzt wird es ja noch interessanter. Josephine und Alexandra wollen sich teilen. In meiner Erinnerung hatten sie ein gutes Verhältnis.
“Und du bist auf Josephines Seite...“, bemerke ich leicht überrascht.
“Josephine bietet mir ein freieres Leben an. Sie meinte, ich könnte sogar eine Familie gründen, wenn ich einen Lebensgefährten finde. Eine eigene Familie, Joshua! Stell dir das nur vor!“, ruft die Vampirin begeistert.
“Hast du keine Angst, dass du deinen eigenen Mann umbringst?“, frage ich besorgt.
Ich erzittere bei der Erinnerung an Alicia und wie ich ihr das Blut ausgesaugt habe.
Doch Rosalie schüttelt nur den Kopf. “Ich habe eine gute Selbstbeherrschung. Meinem Mann werde ich nie im Leben etwas zuleide tun.“
Das habe ich auch einmal geglaubt. Aber ich sage der Vampirin trotzdem nicht, wie groß ihr Irrtum ist.
Dann drängen Schritte zu mir durch und ich lausche angespannt.
“Hörst du das?“, flüsterte ich.
Rosalie nickt und winkt ab. “Das ist nur meine Begleiterin.“
Als diese 'Begleiterin' die Lichtung betritt, muss ich mich wirklich zusammenreißen, um keine großen Emotionen zu zeigen.
“Angelika.“, sage ich kalt.
“Joshua.“, entgegnet meine Schwester mit ihrer gewöhnlich erniedrigenden Stimme.
Ihre Augen haben nun eine vollständig schwarze Farbe, nur der Mond bildet einen hellen Punkt.
“Ihr kennt euch?“, wundert sich Rosalie und sieht zwischen uns hin und her.
Angelika nickt.
“Wir sind Geschwister.“, antworte ich zurückhaltend.
“Ohhh! Aber das ist doch schön! Was für ein Zufall! Wie lange habt ihr euch schon nicht gesehen?“
“Nicht lange genug.“, meint meine Schwester gefühllos.
Rosalie sieht uns verständnislos an.
Ich kann Angelika jedoch nur zustimmen. Sie gehört jetzt also Josephines Clan an. Warum wundert mich das nicht? Das Mädchen ist doch erbarmungslos verdammt!
Ich trete auf Rosalie zu und küsse ihre Hand. “Ich muss jetzt lieber los. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann wieder.“
Sie sieht mich traurig an. “Viel Glück, Joshua, und auf Wiedersehen.“
“Danke.“, nicke ich ihr zu.
Ich sehe Angelika kurz noch einmal an und laufe los. Nein, sie ist mir keine Schwester mehr.

Zu Hause bei den Vampiren 3Where stories live. Discover now