Kapitel 16

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Jahr 1995
Ich versuche, nicht zu schnell zu laufen, während Miguel mir nicht hinterherkommt.
“Miguel!“, rufe ich. “Es sind noch einige Kilometer bis in die Tiefen, beeile dich!“
Die Jagt darf erst ab einem festgelegten Abstand zur Stadt beginnen, damit die Menschen nichts von uns mitbekommen. Daher vergeht einige Zeit, bevor man mit der Jagt überhaupt anfangen kann. Es ist zwar noch nie passiert, dass wir mir leeren Händen nach Hause kehrten, doch bei Miguels Schnelligkeit kann ich mir das durchaus vorstellen.
“Ja lauf doch noch schneller!“, beschwert er sich.
“Ich bin schon langsam genug!“, entgegne ich mit einem Blick zurück.
“Das denkst du vielleicht, weil du so verrückt alt bist!“
Ich verdrehe die Augen. Der Vampir ist wirklich nervtötend!
Ein bekannter Geruch erreicht meine Nase und ich halte inne. Miguel kommt neben mir zum Stehen.
“Ist etwas?“, fragt er besorgt.
Ich sehe mich um. Woher kommt der...?
“Warte hier.“, trage ich Miguel auf.
Er schnaubt. “Was soll ich hier machen?“
Schon bei der ersten Jagt musste ich feststellen, dass Miguel anstrengend ist. Erträglich war er nur beim Kämpfen und das auch nur, weil er sich dabei höchstens konzentrieren musste, um nicht gleich gegen mich zu verlieren. Seit dem hat er sich jedoch unglaublich verbessert und unsere Kämpfe gingen nun viel länger. Bis er schließlich doch gegen mich verlor.
“Setze dich von mir aus auf den Boden.“, sage ich augenverdrehend.
Der Vampir murmelt etwas Unverständliches und befolgt meine Anweisung, lehnt sich mit dem Rücken gegen einen Baum. Zufrieden nicke ich und laufe dem Geruch nach.
Auf einem umgefallenen Baum bleibe ich stehen und blicke mich noch einmal um.
“Rosalie?“, rufe ich unsicher.
Ich höre sich mir nähernde Schritte. Dann springt mir jemand von hinten auf den Rücken und ich taumele nach vorne in der Versuchung, das Gleichgewicht zu bewahren. Ein helles Lachen erklingt.
“Ach Joshua, ich habe dich vermisst!“, seufzt Rosalie mit einem hörbaren Lächeln.
Sie lässt mich los und ich drehe mich zu ihr um.
“Lange nicht mehr gesehen.“, lächele ich. “Du weißt schon, dass es hier gefährlich für dich ist?“
Die Vampirin sieht mich verwundert an. “Sag nicht, dass du dich Alexandra angeschlossen hast!“
Ich schaue ausweichend zur Seite und grinse ertappt. Es freut mich einfach, sie wiederzusehen. Ich kann gar nicht ernst bleiben.
“Und was hast du erreicht?“, interessiere ich mich.
Rosalies Augen fangen an zu leuchten. “Josephine hat mich aus dem Clan entlassen. Jetzt habe ich einen Mann! Ich habe dir doch gesagt, ich werde eine Familie gründen!“
Überrascht sehe ich sie an. War es wirklich möglich, dass Josephine so eine Großzügigkeit einem einfachen Vampir erwies? Mich hatte sie nur gehen gelassen, da ich in einem Kampf gegen sie gewonnen habe. Das war ein Abkommen, das ich schwer erbittet habe.
“Das freut mich für dich. Siehe jedoch zu, dass sein Geliebter nicht mitbekommt, dass du ein Vampir bist.“, warne ich sie.
Die Vampirin winkt ab. “Das weiß er bereits.“
Ich lächele. Es ist schön, dass Rosalies Wunsch in Erfüllung gehen konnte.

Jahr 2013
Ich liege im Bett und lausche. Oben wird gerade die Eingangstür geschlossen. Maximilian kommt schon zum dritten Mal kurz vor Sonnenaufgang. Es muss ihn wohl etwas in der Stadt aufhalten. Und das Einzige, was mir einfällt, wäre ein Mädchen.
Ich springe vom Bett und gehe zur Tür, trete in den dunklen Flur. Maximilian steigt bedacht leise die Wendeltreppe hinab.
“Ist sie zumindest hübsch?“, frage ich, mit einer Schulter an die Wand gelehnt.
Sofort ist der Vampir bei mir. “Woher weißt du von ihr?“, entgegnet er mit drohender Stimme.
Ich zucke jedoch nicht einmal zusammen. Wenn ich schon keine Angst vor Alexandra habe, werde ich ihn mit Sicherheit nicht fürchten.
“Es war nur eine Annahme. Es hatte dich nie etwas so lange draußen aufgehalten.“
Maximilian seufzt und entspannt sich. “Ich Idiot... Aber ja, sie ist hübsch. Doch ich bin mir sicher, sie wird weder dir, noch Miguel gefallen.“
Ich zucke die Schultern. “Sie muss es auch nicht. Hauptsache ihr beiden versteht euch. Nur eine Frage: Findest du es nicht zu gefährlich, dich mit einem Menschen zu treffen?“
Ich kann Alicia immer noch nicht aus meinem Erinnerungen verdrängen. Ich verstehe, dass ich da noch jung war und leicht unter Angelikas Einfluss stand, doch ich werde mich trotzdem nicht so nah an einen Menschen wagen. Meine Selbstbeherrschung ist nun besser, als sie je ein Vampir hatte, aber ich möchte... einen gewissen Abstand zu Menschen halten.
“Nein.“, antwortet Maximilian kurz.
Ich nicke. “Na gut, es ist deine Entscheidung.“
“Du wirst den Ältesten nicht von ihr erzählen, oder?“, wollte der Vampir wissen.
“Nein. Ich möchte keine zusätzlichen Probleme.“
Ich lächele leicht. Dann drehe ich mich um und begebe mich wieder auf mein Zimmer.

Zu Hause bei den Vampiren 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt