Kapitel 12

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In der nächsten Nacht werden wir nach oben befördert. Aurora möchte diese Nachricht nicht erklären, doch ich habe mir gleich gedacht, dass es um Miguel gehen wird. Diese Ahnung stellt sich als richtig heraus, als ich, Aurora und Maximilian folgend, das Wohnzimmer betrete. Dort sitzt der arme Junge auf einem der drei Sofas und guckt sich in dem großen, mit altem Möbel bestellten Zimmer um.
“Oh, endlich bin ich nicht allein.“, atmet er aus und sieht uns erleichtert an. “Wisst ihr, dass die Stille hier unerträglich ist? Wie könnt ihr hier nur leben?“
“Mit Mühe.“, brumme ich und ernte Auroras unzufriedenen Blick.
“Wo ist Christopher?“, fragt Maximilian.
Genau. Mir ist ebenfalls aufgefallen, dass der Älteste nicht hier ist. Dabei sollte er den jungen Vampir bewachen, denn solche machen sehr oft Unruhen.
Miguel verdreht die Augen. “Ach... Vor einer halben Stunde hat er gesagt, er würde gleich wiederkommen, und ist geflohen.“
Seine Wortwahl wird ihn noch in große Schwierigkeiten bringen.
Ich schüttele den Kopf und sehe zu Maximilian, der meiner unausgesprochenen Meinung mit seinem Blick zustimmt.
“Hüte deine Zunge.“, entgegnet Aurora bissig. “Christopher flieht nicht. Wenn er weg ist, hat er Wichtiges zu tun.“
Sie weiß, wo er ist., kommt es mir in den Sinn. Sie weiß es und möchte es nicht preisgeben. Als würden die Ältesten die Geduld des Jungen auf die Probe stellen. Oder war es sogar Alexandras Auftrag?
Ich gehe auf Miguel zu und setzte mich neben ihn auf das dunkle Samtsofa. Dabei beobachtet mich Aurora pausenlos mit ihrem scharfen Blick. Ich jedoch habe weder Anweisungen erhalten, noch wurden mir Verbote genannt. Ich widersetze mich also keinem Befehl.
“Ich bin mir nicht sicher, ob Christopher dir unsere Namen verraten hat, also möchte ich sie dir nennen.“, fange ich geübt ausdruckslos an und möchte soviel es geht mit Auroras Nerven spielen. “Die junge Dame am Eingang ist unsere Älteste, Aurora. Lass dich nicht vom ersten Eindruck täuschen; sie ist netter, als es scheint.“ Und das stimmt sogar. Wenn Christopher auf der Jagd und sie gut gelaunt ist, ist sie gar nicht so schlimm. “Der junge Herr in ihrer Nähe heißt Maximilian. Mit ihm wirst du dich leicht anfreunden, auch wenn er nicht unbedingt viel redet.“
“Sagt der, der am meisten schweigt und sich so gut es geht aus allen Angelegenheiten heraushält, die in ihm kein Interesse wecken.“, entgegnet der Vampir und lächelt.
“Jaa, das ist der einzigartige Joshua.“
Da kennt er mich aber schlecht. Und das erfreut mich.
“Stets zu Diensten.“ Ich neige den Kopf und lächele.
Miguel grinst. “Ich sehe, ihr lebt hier nicht ohne Spaß.“
Mürrisch brummen wir. Spaß... Was es in diesem Haus grundlegend nicht gibt, ist Spaß. Aber kann man sich eigentlich denken, bei so alten Vampiren, wie wir es alle sind. Sogar Maximilian ist über Zweihundert und somit fast so alt wie das Ältestenpaar. Nur können nicht alle Älteste genannt werden und da Christopher und Aurora als erste da waren und bereit sind, die Verantwortung zu tragen, tragen sie den Titel. Ehrlich gesagt hätte ich nicht gerne ihre Stellung übernommen. Ich bin keiner, der gern über andere herrscht. Das ist auch der Grund, weshalb ich Alexandra noch nicht von ihrem Thron gestoßen habe.
“Ist es etwa so langweilig hier?“, wundert sich Miguel. “Und ich dachte, das Leben eines Vampirs sei voll von unvergesslichen Ereignissen.“
“Unvergessliche Ereignisse... Wie lustig du doch bist.“, sagt Maximilian leicht unglücklich und setzt sich auf das Sofa rechts von uns.
“Was hat dir Christopher schon erzählt, Miguel?“, fragt Aurora mit vor der Brust verschränkten Armen.
Sie geht mit ihren zockenden Hackenschuhen zur Wand, die das verwaiste Esszimmer vom Wohnzimmer trennt, und lehnt sich dagegen.
“Ehrlich gesagt hat er NICHTS erzählt. Einfach mal gar nichts. Er hat sich mir vorgestellt und mich hier warten gelassen.“, antwortet Miguel gereizt.
Das klingt dem Ältesten durchaus ähnlich.
“Warum bist du dir dann so sicher, dass wir Vampire sind?“, hackt Aurora mit ihrer verführerisch verstellten Stimme nach.
Das kann sie wirklich gut. Ihr ganzes Auftreten ist auf Verführung einstellt. Es wären so viele Jungen untergegangen, wenn sie ihren Hunger an Menschen hätte stillen dürfen. Wahrscheinlich hat Christopher sie genau deswegen verwandelt. Mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass die beiden, genauso wie Angelika und ich, zusammen erfolgreich gejagt hatten, bis sie in den Clan aufgekommen wurden.
Doch es breitet sich die Sorge in mir aus, Miguel könnte mich verraten. Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, meinen Alter aus seinem Kopf zu löschen, und jetzt würde es auffallen.
Doch Miguel zuckt nur die Schultern. “Ihr habt etwas an euch, etwas Unmenschliches. Vielleicht sind es sogar eure Augen, die euch verraten. Außerdem hätte ich sterben müssen. Ein Mensch hätte mich nicht mehr retten können.“
Hm, deshalb hat er mir am Tag so einfach geglaubt. Weil er es schon angenommen hatte, dass wir keine Menschen sind. Und die Gefühlwellen, die nun von ihm ausgehen, sind nur mit Freude gefüllt. Er akzeptiert, dass er jetzt kein Mensch mehr ist, und freut sich darüber. So etwas kann ich von mir selbst nicht behaupten.
“Was aber quält dich derzeitig?“, interessiert sich Aurora.
Ich weiß, dass es kein wahres Interesse ist. Sie möchte nur mehr Informationen aus ihm herausbringen. Wozu diese Art Informationen auch gut sein soll...
Miguels Blick wird düster und seine Antwort ist von Entschlossenheit gefüllt. “Ich will den Mann töten, der mich umbringen wollte. Ich will sein Blut austrinken, damit kein Leben mehr in diesem gottlosen Menschen bleibt.“
Diese Härte haben seine Worte am Tag noch nicht gehabt. Doch das konnte daran liegen, dass die Sonne ihn zu dem Moment müde gemacht hat.
Aurora schüttelt den Kopf. “Das untersteht dir.“, sagt sie fest.
“Wir sollten ihm vielleicht zuerst unsere Regeln erklären.“, schlägt Maximilian vor.
“Ja, das wäre schlau.“, stimme ich zu und sehe Aurora an.

Zu Hause bei den Vampiren 3Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon