《Kapitel 8》 ▪James▪

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Ich richtete mich auf und fokussierte mit kaltem Blick ihr Gesicht. „Ich kann nur wiederholen, dass ich keine Ahnung habe, wo Claire ist. Falls Ihnen etwas Seltsames in der Wohnung aufgefallen ist, sollten Sie es mir jedoch sagen."

„Nein, nichts. Die komplette Wohnung war sauber und ordentlich. Nur in der Küche hat es irgendwie nach...", sie schluckte, und ihre Augen wurden auf einmal groß. „Oh Gott, es hat nach Blut gerochen! Was, wenn Claire angegriffen wurde? Wir müssen sofort die Polizei rufen!"

„Nein. Ab hier übernehme ich das", unterband ich ihren dummen Vorschlag mit der Polizei. Das würde alles nur noch schlimmer machen. „Sie warten hier."

Ich klappte die Akte zu und ließ die sprachlose Jessica allein in meinem Büro zurück. Als ich an Marias Schreibtisch vorbei kam, legte ich ihr die Akte auf den Tisch und raunte ihr leise zu: „Ich werde für einige Stunden unterwegs sein. Halten Sie so lange Ms Gilbert in meinem Büro auf und verhindern Sie, dass sie telefoniert."

Dann stürmte ich zum Aufzug und fuhr nach unten in die Garage. Ich durfte keine Zeit verlieren.

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Nachdem ich unbemerkt in Claires Wohnung eingebrochen war, ging ich ohne Zögern in die Küche und stellte mich mit geschlossenen Augen in den Raum. Vampire konnten die Präsenz anderer Vampire spüren. Wenn Claire also von einem Vampir entführt worden und es erst vor kurzer Zeit passiert war, hatte ich gute Chancen darauf, diesen Vampir zu erkennen. Wenn sie jedoch von Menschenhand entführt worden war, reichten meine Fähigkeiten allein nicht aus.

Ich öffnete meinen Verstand und ließ die Emotionen und Erlebnisse aus diesem Zimmer auf mich einströmen. Da war Furcht, Zorn, Begierde. Ein blonder Vampir, der es auf Claire abgesehen hatte. Wütend knurrte ich auf, als ich fühlte, wie der Vampir Claire ein Messer in den Oberschenkel gestoßen und sie gebissen hatte. Ich würde ihn finden. Ich würde ihn foltern und töten, langsam und qualvoll. Doch zuerst musste ich Claire finden.

Ich holte tief Luft und öffnete die Augen. Von dem, was ich gleich tun würde, hatte ich bis jetzt nur in Geschichten gehört. Es war nicht garantiert, dass es klappen würde.

Dadurch, dass Claire und ich unser Blut getauscht hatten, waren wir miteinander mental verbunden. Laut den Erzählungen funktionierte diese mentale Verbindung auf unterschiedliche Weisen, unter anderem so, dass die Partner die Empfindungen und Gedanken des jeweils anderen in sich aufnehmen konnten. Ich musste also nur noch diese Bindung fassen und in Claires Geist eindringen, damit ich sehen konnte, wo sie war.

Ich benutzte meine vampirischen Sinne und tastete nach unserer Verbindung. Ah, da war sie. Ein von purpurnen Rot durchströmtes Band; ein Gedankenstrom, der sich zwischen Claire und mir gebildet hatte. Ich fokussierte mich auf Claire, stellte mir vor, dass ich in ihren störrischen, hübschen Kopf eindringen könnte. Und tatsächlich, es funktionierte.

Statt der kleinen, penibel geputzten Küche sah ich nun die Wellen eines Flusses vor mir, die unnachgiebig gegen das Ufer schlugen. Es war kalt und ich spürte meine Beine nicht mehr. An meiner Taille schnitt mir ein Seil die Luft ab und die Schwerkraft zog mich nach unten. Ich hatte Angst. Große Angst. Würde ich sterben? Ich presste meine Augen fest aufeinander und hoffte, dass mich irgendwer hier finden würde. Ich wollte nicht sterben. Nicht jetzt, und nicht hier.

Ich tauchte aus Claires Geist auf. Betrachtete die gemusterte, gelbe Tapete an der Wand vor mir. Dort hatte der Vampir gestanden und sich von meiner Sterblichen gewaltsam genährt. Sie war noch so jung und verletzlich.

Aggressiv schlug ich mit meiner Faust gegen die Wand und hinterließ dort ein großes Loch im Putz. Was, wenn sie nicht überlebte? Wenn mein Blut ihren Kreislauf schon verlassen hatte? Die Kälte, der hohe Blutverlust oder ein Sturz in den Fluss würden sie gewiss umbringen.

Eine Nacht mit einem Vampir Where stories live. Discover now