98. Der kleine Regenwurm

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Mädels. Ihr braucht Taschentücher, ganz dringend. Ganz viele.

Hab drei Tage gebraucht um dieses Kapitel fertig zu schreiben und musste immer wieder unterbrechen, weil es mir so schwer fiel, über Marios Beerdigung und über Marco zu schreiben. Es hat mich zerissen. Es tut mir leid....

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Montag 12. Juni 2017

Marco verbrachte noch knapp eine Woche, unter starken Beruhigungsmitteln, in der LWL. Zu sehr war die Sorge, er würde sich etwas antun. Doch was würde das bringen? Er konnte doch nicht für immer hier eingesperrt bleiben. Es würde der Tag, die Stunde, die Minute kommen. Das wusste Mats genau. Marco hatte ihm bei einem Besuch, einen solchen Blick zugeworfen, der unmissverständlich war. Dieser Blick bedeutete nichts anderes als: "Lasst mich bitte sterben."

Mats konnte nichts, ausser seinen Kopf weinend auf Marcos Brustkorb zu legen. Er wusste, dass dieser sich entschieden hatte. Daran konnten auch die Medikamente, die er bekam, nichts ändern. Der Schmerz saß bei Marco viel zu tief, als dass diese Stelle, die so weh tat, ein Beruhigungsmittel je hätte erreichen können.

Für Marco war nach Mailand klar, dass seine und Marios Herzen und Seelen, für immer untrennbar verbunden waren. So untrennbar, wie der Himmel und die glitzernden Sterne, der Strand und das wild schäumende Meer und ....wie Sunny und Woody...die wundervollste und innigste Liebe, die es je gegeben hatte.

Ohne Sunny war alles so sinnlos. So wertlos. Sogar Marcos eigenes Leben. Der Plan, den seine Seele beschlossen hatte, war Sunny zu folgen. Egal wohin. Auch wenn das bedeuten würde selbst sterben zu müssen.

Wenn Marco erschöpft seine Augen schloss, schmerzte sein Brustkorb, als würde er zerquetscht werden, aber so fühlte es sich wenigstens für wenige Sekunden so an, als wäre Mario ganz nah bei ihm. Er küsste ihn gedanklich immer wieder, obwohl er wusste, dass es nicht real war. Immer wieder wechselten Weinkrämpfe und stumme Schreie mit erschöpftem Einschlafen.

War dies das Ende für einen jungen Mann, der nur geliebt werden wollte und noch viel mehr Liebe zurückgeben wollte? Er war nicht nur in Mario verliebt gewesen. Nein. Er liebte ihn mehr als sich selbst oder irgend jemanden sonst auf dieser Welt! Einfach unendlich. Und dies bis in den Tod und auch noch weit darüber hinaus.

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Mats hatte an diesem Montag, Wechselsachen für Marco dabei. Er würde seinen besten Freund mitnehmen, obwohl er wusste, welch Auswirkungen dies haben könnte. Denn morgen Mittag, würde der Tag des endgültigen Abschieds sein.

Die Beerdigung von Mario.

Marco war an diesem Tag, besonders eingestellt worden, was die Medikamentendosis anging. Außer schwach, entkräftet und völlig willenlos neben Mats herzulaufen, war mit ihm nichts mehr anzufangen. Mats hatte ihn in sein Auto bugsiert und mit zu sich nach Hause genommen, entgegen allem ärztlichen Rat, des Klinikpersonals.

Geradeso hatte Mats ihn zuhause noch auf die Couch gleiten lassen, als Marco schon in einen völlig erschöpften Schlaf fiel, der mehrere Stunden andauerte.

Er selbst hatte sich nicht zugetraut, diesen Tag und auch die Nacht vor der Beerdigung, mit Marco allein zu verbringen. Mats Freundin und auch sein Trainer Tuchel, hatten sich bereiterklärt, in dieser Nacht den beiden beizustehen.

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Mats sah seinen bestem Freund stundenlang beim schlafen zu. Wie unendlich traurig Marco selbst in diesem Zustand aussah! Immer wieder fing Mats an, unkontrolliert und heftig zu weinen. Es wäre nicht nur der Abschied von Mario, den er inzwischen so gern gehabt hatte. Es wäre auch der Abschied von Marco. Das wusste er ganz genau.

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Dienstag, 13. Juni 2017

Am nächsten Morgen war noch ein Arzt zu Mats Haus gekommen, der Marco wieder mit Medikamenten versorgte, damit dieser den Tag überstehen würde.

Wie Mats Marco überhaupt in einen schwarzen Anzug gebracht hatte, daran konnte er sich nicht erinnern. Es war irgendwie gelungen. Doch auch der feine Anzug konnte nicht verbergen, in welchem Zustand sich Marco befand. Sein Geist hatte bereits aufgegeben. Sein Körper funktionierte nur noch wie mechanisch.

Mario würde in Dortmund beerdigt werden. Nicht in Bayern, wo seine eigentlichen Wurzeln waren. Hier, und nur hier in seiner schwarzgelben Fussballstadt, würde seine Seele Ruhe finden. Dieser Meinung, waren sogar Marios Eltern und die anderen Angehörigen gewesen.

Der Dortmunder Hauptfriedhof in Brackel, ganz in der Nähe des Trainingsgeländes des Vereines, war die einzige Alternative, die für alle in Frage kam.

Die Kapelle war wunderschön geschmückt. Zuviel für Mats. Er konnte sie nicht betreten. Auch Marco wollte nicht hineingehen. Er lehnte erschöpft an Mats und schluchzte herzzerreissend.

Die Rede des Pfarrers war unendlich schön und rührte alle zu Tränen. Zu der Abschiedsfeier waren mehr als 2000 Menschen gekommen. Und das war nur der absolut "engste Kreis" gewesen, der überhaupt den Friedhof an diesem Tag betreten durfte. Trotz aller Geheimhaltung und aller Sicherheitsvorkehrungen, hatten doch wieder einige Presseleute und auch Fans davon Wind bekommen, wo und wann Mario seine letzte Ruhe finden sollte. So etwas konnte man einfach nicht komplett geheim halten. Nicht einmal davor hatten diese Menschen Respekt gehabt.

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An Marios Grabstätte angekommen, warfen die vielen Menschen nacheinander eine Hand voll Erde und Blumen auf Marios Sarg. Dies war der schlimmste Moment, doch der wurde noch übertroffen. Als Marco mit Hilfe von Mats etwas Erde in die Hand nahm, kringelte sich darin ein kleiner Regenwurm. Außer Mats und Marco, hatte dies niemand bemerkt.

Mats der sowieso am endgültigen Ende seiner Kräfte angelangt war, betete zu Gott, dass dies ein Irrtum sein musste. Sofort schossen ihm die Szenen aus seinem Garten, als die beiden Jungs damals so kindisch um diesen Wurm vom Kompost gekämpft hatten und dann in einen leidenschaftlichen Kuss verfallen waren, in den Kopf.

Dieser kleine schmutzige Wurm, war ein Zeichen. Das war eindeutig und beide hatten dies im gleichen Moment begriffen.

Marco bückte sich und legte die handvoll Erde wieder auf den Boden. Den Wurm bedeckte er behutsam mit einem Teil der Erde.

Ungläubig starrten die anderen Trauergäste auf die ungewöhnliche Szene.

Mats half Marco wieder auf die Beine, denn dieser war nun trotz der starken Medikamente in einen Weinkrampf gestürzt, der sich nicht mehr stoppen ließ.

Schreiend klammerte er sich in Mats Anzug. Die Jungs vom Verein waren zu den beiden geeilt und bildeten eine riesige schützende Traube um die beiden.

"Ich liebe dich Sunny!"  hatte Marco immer wieder geschrien.

Die Worte waren undeutlich, da sie immer aufs Neue abbrachen und von Tränen erstickt wurden. Dennoch waren sie laut und es hatte sie jeder der Anwesenden verstanden.

Mats hielt Marco ein Taschentuch unter dessen Gesicht, denn ihm liefen nicht nur die Tränen unkontrolliert herunter, sondern auch sein Speichel. Marco hatte sämtliche Kontrolle über seinen Körper verloren.

"Er weis es." flüsterte Mats. "Er wusste es immer."

Die Blicke der Trauergäste waren unbezahlbar, als der Tross der Spieler mit Mats und Marco in ihrer Mitte, sich etwas von der offenen Grabstelle entfernten um die Szeremonie nicht weiter zu stören.

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Wenn eines auf dieser Welt und an diesem Tag allen Anwesenden bewusst geworden war, dann war es, dass dieser schreiende Junge, Mario so sehr geliebt hatte wie niemand sonst auf dieser Welt.

Als wäre nicht alles schlimm genug gewesen, einen 25-jährigen zu Grabe zu tragen, sie sahen auch, wie ein weiterer Mensch seinen Lebensmut verloren hatte. Marco war ganz sicher mehr als Marios bester Freund gewesen.

Jeder der Trauergäste wusste dies nun. Auch die Presse, die um den Friedhof herum schlich und unzähle angereiste Fans.


Ende Kapitel 98.


I adore you forever -Götzeus-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt