Wolf und Drache

#9 Maikos Erklärung ✔️

Die weiße Wölfin musterte Moon kurz, bevor sie sagte: "Lass mich dir erst erklären was genau das große Rudel ist, nachdem du vorhin gefragt hattest...", sie machte eine kurze Pause. Moon schwieg. Erinnerte sich wieder daran, vorhin nach dem großen Rudel gefragt zu haben. Sie hatte den Gedanken bereits zur Seite geschoben aber jetzt, wo Akira ihn wieder hochholte, wuchs ihre Neugierde. Sie wollte wissen was es damit auf sich hatte.

Warum ihr Geheule gerade eben einen derartigen Effekt auf Akira und all die anderen Wölfe gehabt hatte. „Also...", fing Akira dann an und schaute nach vorne, die Wölfe musternd, die eben noch zusammen mit dem Alpha gesungen hatten. „Das große Rudel ist eine Ansammlung von Wölfen, die dem Alpha Ratschläge geben. Die ihn unterstützen. Sie sind sozusagen seine Stellvertreter...", meinte sie dann und Moon nickte.

Auch, wenn sie noch immer ein wenig verwirrt war, um ehrlich zu sein. Die Stellvertreter des Alphas. Aber wer hatte sie ausgewählt? Konnte jeder ein Teil des großen Rudels werden? Oder musst man Anführer eines eigenen Rudels sein. Musste man gut singen können, um den Effekt zu erzielen, der gerade eben so wirkungsvoll alle Wölfe hier in den eigenen Bann gezogen hat?

So viele Fragen und doch würde sie keine Antworten darauf bekommen, denn in dem Moment, in dem sie hatte Luft holen wollen, um sie auszusprechen, wurde sie unterbrochen von der lauten Stimme Suruks. „Akira! Hast du das gehört?", Suruk lief aufgeregt im Kreis. „Die Drachen sind dieses Mal wirklich zu weit gegangen!", er schaute auf und beobachtete den Alpha, der in diesem Moment von seinem Felsen sprang.

„So weit auch wieder nicht...", fiel ihm dann Akira ins Wort. Die weiße Wölfin legte sich ins Gras und musterte die Wolfswandlerin entschuldigend. Doch Moon legte nur den Kopf schief. Sie verstand nicht ganz. Drachen hatten die Grenzen überschritten. Drachen. Hatte der Alpha tatsächlich von echten Drachen gesprochen? Jenen, die man kannte aus Filmen, groß, schrecklich und aggressiv? Warum sollte es dann nur halb so schlimm sein, dass sie die Grenzen überschritten hatten. Welche Grenzen überhaupt?

Moon wusste nichts von dieser Welt und dies wurde ihr immer mehr bewusst. Mit jedem Satz, den man sagte, kam in ihr eine neue Frage auf und mit jeder Frage eine Explosion weiterer Fragen. Sie wusste nicht wie diese Welt funktionierte. Wie diese Welt aufgeteilt war. Was für Wesen hier existierten von denen sie nur aus Märchen wusste. Die Welt, von der sie gedacht hatte, sie zu kennen und zu verstehen war ihr heute vollends genommen worden und ersetzt worden durch eine Welt die größer war als sie dachte. So viel größer. Die gefüllt war mit Mysterien und Geschichten, die sie nicht kannte und die sie unbedingt kennenlernen wollte.

„Sie haben nur die Grenze überschritten...", erklärte sich Akira dann. Ihr war aufgefallen wie verwirrt ihr Schützling war mit der momentanen Situation und es tat ihr leid, dass Moon so viel nicht verstand. Akira wollte helfen und sie versuchte Moon zu erklären was es auf sich hatte mit der Rede des Alphas.

„Dieser Wald ist aufgeteilt in zwei Teile. Ein Teil gehört uns Wölfen und einer gehört den Drachen. So war es seit Jahren und es ist nie zu einer Grenzüberschreitung gekommen. Einfach deswegen, weil es hier nichts gibt was die Drachen interessieren könnte und weil es drüben nichts gibt was für uns interessant sein könnte. Dass es jetzt zu einer Überschreitung gekommen ist, ist seltsam.", Akira nickte ihrem Bruder zu. „Ich kann verstehen warum es den Alpha beunruhigt. Vor allem, weil wir nicht wissen warum es dazu gekommen ist, dass die unausgesprochene Regel plötzlich gebrochen worden ist. Es könnte eine Provokation sein. Ein Zeichen dafür, dass die Drachen unzufrieden sind. Eine Drohung. Aber andererseits muss es nicht Schlimmes bedeuten. Wir wissen nicht was sie hier drüben getan haben. Aber ich bin mir sicher, dass der alleinige Übertritt der Grenze das harmloseste von allem ist.".

Jetzt machte Akiras Einwand Sinn. Moon war jedoch verwundert über Akiras Stimmfarbe am Ende ihrer Erklärung. Sie hatte gegen Ende einen Tonfall gehabt, der seltsam war. Als hätte Akira irgendwas im Kopf, was sie jedoch nicht sagen konnte oder wollte. Aber auf jeden Fall etwas, dass sie beschäftigte.