24. Den Tod vor Augen

1.2K 65 7
                                    

Es ist abends, als ich im Bett liege und in meinem Fotoalbum die ganzen Seiten durchblättere.

Diese Bilder... Diese ganzen Bilder... Sie scheinen mir alle so fern zu sein... War das mal ich? Wer bin ich heute? Was ist aus mir bloß geworden? Papa hatte Recht. Aus mir könnte etwas großes werden! Wenn ich heute in den Spiegel schaue, sehe ich einfach nur... Den Tod vor Augen! Mehr nicht. Mein Entschluss ist gefasst. Ich nehme zu, Papa hört auf zu rauchen. Vielleicht gelingt es mir sogar, ihn mit Mama wieder zu versöhnen?

Es vergehen soviele Wochen und der Elternabend nähert sich schneller wie erwartet. Morgen schon. Morgen findet er statt. Morgen ist es so weit. Ich sehe aus meinem Zimmer. Hinter den Gittern schneit es. Schneeflocken fallen. Am Boden prallen sie sanft auf und bilden gemeinsam eine Schneedecke. Gemeinsam sind sie stark! Währenddessen nehme ich mir meine Gitarre und spiele die Akkorde Dm, Am, G und dann nochmals Am hintereinander in Dauerschleife. Langsam sehe ich Buchstaben vor meinen Augen, die wie Schneeflocken im Wind zu tanzen scheinen. Aus den Buchstaben werden Wörter und aus den Wörtern ganze Sätze. Ich lese sie, fange langsam an in den Rhythmus hinein zu gelangen und beginne zu singen:

"Flocken fallen.
Stimmen hallen
in deinem Kopf!
Sie sagen, koche dir nichts im Kochtopf!
In tiefster Nacht
bin ich erwacht...
50 Liegestützen
sollen mich beschützen!
Doch niemand hört mein Schreien!
Ständig tu ich weinen...
Etwas quält mich
ganz schön tüchtig...
Ich kann nicht mehr...
Warum ist mein Leben so schwer?
Morgen ist es endlich soweit!
Meine Eltern sind vermutlich wieder zu zweit?
Was werden sie wohl denken?
Werden sie mir ein Lächeln schenken?
Werden sie mir danken?
Meine Vorstellungen schwanken...
Lieben sie sich noch vielleicht?
Falls ja, wäre mein Leben wahrscheinlich mehr als nur leicht...
Endlich hätte ich wieder eins -
ich hätte zurück, was einst war meins!"

Den Tod vor Augen (Magersucht)Where stories live. Discover now