Kapitel 23

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"Wusstest du es?", fragte Aylin leise, als sie und Nicole in ihrem Zimmer auf ihren Betten lagen und lasen. Der Tag, beziehungsweise die Nacht, war ab dem Gespräch mit Sarah für Aylin sehr entspannt verlaufen. Sie hatte noch eine ganze Weile in der Bibliotek verbracht und auf ihrem Zimmer weiter in ein paar Büchern geblättert, bis Nicole um 23 Uhr nach Zauberkunde ebenfalls dort eingetroffen war. Das Training beziehungsweise Kampfkunst würde erst um 2 Uhr losgehen und Aylin war aufgeregt, denn ihr war es nun doch schon an diesem Tag erlaubt zumindest zuzusehen. Nicole sah stirnrunzelnd auf.

"Was genau meinst du?"

Aylin kniff ihr linkes Auge zu und starrte ihre Freundin durch ihr schwarzes an. Nicole seufzte und klappte ihr Buch zu. "Deswegen bist du seit vorhin so seltsam. Sarah hat es dir erzählt, nicht wahr?" Aylin nickte und schaute nervös auf ihre Hände. Nach einer langen Schweigepause sah sie auf.

"Ein Alter Ego, hm? Das kann ja auch nur mir passieren." "Hey.", sagte Nicole sofort und setzte sich mit aus Aylins Bett. "Du schaffst das, okay? Ich kenne dich echt noch nicht sehr lange, aber ich sehe, dass du ein guter Mensch bist. Das da in dir...das bist nicht du, vergiss das nicht. Deine eigene...deine wirkliche Magie ist stärker. Sie ist bereits mit dir verbunden, die schwarze Magie muss sehr stark kämpfen um vollständig an die Oberfläche zu kommen, deswegen wird sie das auch nicht so schnell. Nicht, wenn du lernst dich mit deiner grünen Magie gegen sie zu verbünden."

Aylin sah sie ein wenig ausdruckslos an und brachte dann ein kleines Lächeln zustande. Nicoles Worte an sich machten es nicht wirklich leichter, aber sie war für sie da und dafür war Aylin ihr unglaublich dankbar. Trotzdem änderte das nichts an der verzwickten Situation, in der sie sich befand. Ihr Leben lang hatte sie sich nicht einmal mit ihrer Magie auseinandergesetzt. Und jetzt sollte sie sie plötzlich als ihre ganz persönliche Waffe verwenden. Sie atmete tief ein und aus und beschloss das Thema vorerst zu wechseln. Dies hier deprimierte sie bloß.
Etwas anderes war ihr nämlich auch ein paar Minuten zuvor eingefallen.
"Sag mal...Daven scheint hier oben ja ziemlich beliebt zu sein."
Nicoles Gesichtsausdruck hellte sich auf und sie nickte eifrig.
"Jedes Mädchen würde für ein Date mit ihm sterben. Ein paar Jungs natürlich auch."
Aylin zuckte bei dem letzten Teil ihres Satzes zusammen. Armer Teddy. Nach dem Training später würde sie ihn mal beiseite nehmen. So konnte das doch nicht weiter gehen.
"Mh.", sagte sie deswegen nur und ignorierte den seltsamen Blick in Nicoles Augen, welche sie nun interessiert musterten.
"Wieso fragst du?"
"Ach, nur so. Oh gott, guck doch wie spät, äh, früh es schon ist. Das Training fängt in einer halben Stunde an!", sagte Aylin dann hastig und sprang auf.
"Hey immer mit der Ruhe, das schaffen wir schon.", sagte Nicole wesentlich gelassener und rutschte ebenfalls vom Bett herunter. Sie warf Aylin noch einen letzten seltsamen Blick zu und ging dann grinsend zur Tür. Sie trug bereits Sportkleidung, welche ihre langen Beine und insgesamt sehr schlanke Figur betonten. Ein schwarzes Langarmshirt und dazu eine ebenso schwarze, lange Sporthose sowie Turnschuhe. Ihre kurzen, braunen beziehungsweise teils lila Haare hatte sie irgendwie in einem kleinen Dutt auf ihrem Kopf befestigt. Neben ihr fühlte Aylin sich plötzlich wie die unsportlichste Person der Welt, dabei war sie gar nicht mal unbedingt ein Sportmuffel. Sie selbst trug immer noch ihre Schuluniform. Etwas anderes würde sie ja heute wohl noch nicht benötigen. Trotz ihrer offensichtlichen Gelassenheit schritt Nicole nun zügigen Schrittes voran und Aylin hatte zu ihrem eigenen Erstaunen fast kein Problem mit ihr Schritt zu halten.

Das Adrenalin?

Schnell bemerkte Aylin, dass sie die Tür ansteuerten, durch die sie am Vortag morgens zum ersten mal die Moonlight Academy betreten hatte. Durch sie strömten auch noch viele andere Schüler nach unten, die sich offensichtlich etwas verspätet hatten. Sie alle trugen, wie Nicole, schwarze Kleidung. Aylin fragte sich wie riesig genau das Trainingsgelände wohl sein mochte, dass es so vielen Schülern auf einmal Platz zum Üben bot. Und wie sie von Nicole ein paar Stunden zuvor erfahren hatte, trainierte die ganze Schule gleichzeitig. Und dabei handelte es sich um 800 Schüler aller Jahrgangsstufen. Natürlich wurde trotzdem klassengetrennt unterrichtet, sie befanden sich halt nur alle auf dem selben Gelände, trotzdem fand Aylin den Gedanken an eine solche Masse von...Hexen und Magiern einschüchternd. Was sie jedoch am meisten beeindruckte, war die absolute Stille, welche sie umgab. Kein Muchs war von den Schülern, die um sie herum die Treppen herunter eilten, zu hören, außer natürlich ihre Schritte. Der Grund war einleuchtend: Wenn sie auffliegen würden, weil die Menschen unter ihnen durch sie aufgeweckt wurden, wäre das eine Katastrophe.

Aylin und Nicole waren mittlerweile am Ende der Treppe angekommen und liefen nun schnell durch die Eingangshalle. Aylin bemerkte, dass an der Tür, die nach oben führte und an dem riesigen Eingang der Schule mehrere dunkel gekleidete Gestalten an der Seite still und in gleicher Position verharrten.

"Wachposten.", flüsterte ihr Nicole so leise wie möglich zu, die offensichtlich ihrem Blick verfolgt hatte, "Schüler und Schülerinnen der dritten Jahrgangsstufe. Sie passen auf, dass alles reibungslos verläuft und bilden dann das Schlusslicht. Das heißt sie sind die letzten, die beim Trainingsgelände eintreffen."

Aylins Augen wurden groß. Alles war übermäßig perfekt organisiert. Und es funktionierte ohne jegliche Komplikationen. Mit gesenktem Kopf lief sie an den ihrer Meinung nach sehr einschüchternden Gestalten vorbei, dessen Gesichter sie auf Grund der Dunkelheit nicht ausmachen konnte und trat mit ihrer Zimmergenossin ins Freie. Kühle Luft schlug ihr entgegen und sie war froh, dass sie ihre Jacke doch noch mitgenommen hatte. Das kalte Mondlicht war die einzige Lichtquelle und Aylin erkannte schnell, warum die Sportkleidung in dieser Farbe ausgefallen war. Die Schüler wurden regelrecht von der Nacht verschluckt.

Als sie alle nun dem kleinen Weg um das Gebäude herum folgten, erlebte Aylin ein Déjà vu. Das letzte Mal, als sie hier entlang gelaufen war, war sie verzweifelt wegen ihren Träumen  gewesen und hatte von dem ganzen eigentlichen Schlamassel noch nichts gewusst. Plötzlich, und nur ganz kurz, sehnte sich Aylin in diese Zeit zurück. Die Träume waren nicht schön gewesen. Aber sie waren zu diesem Zeitpunkt wenigstens mehr oder weniger ihr einziges Problem gewesen. Als sie sich umblickte bemerkte sie, dass sie den Wald längst betreten hatten. Das Mondlicht drang nur noch schwach durch das dichte Blätterdach und es war dunkler denn je.

Suchend blickte sich Aylin nach Nicole um und fuhr erschrocken zurück, als sie sie erblickte. Sie hörte ein leises Lachen. "Cool, nicht war?", sagte Nicole und blickte sie aus leuchtend braunen Augen an. Ja. Im wahrsten Sinne des Wortes 'leuchtend'. "Unsere Kraft entfaltet sich in der Nacht am Besten, deswegen ist die Farbe unserer Augen noch kräftiger als sonst, dies nimmst du als ein Leuchten war.", erklärte sie und blickte Aylin amüsiert an. "Du siehst auch nicht besser aus."

Aylin hielt sich schockiert die Hände ein paar Zentimeter entfernt vor ihre Augen. Tatsächlich. Zumindest ihre eine Handfläche - die, welche sich vor ihrem grünen Auge befand - wurde leicht erhellt. "Abgefahren.", flüsterte sie und grinste. Das Grinsen ihrerseits überraschte sie. Eigentlich war das alles viel zu verrückt, um darüber zu lachen. Aber andererseits: Was blieb ihr schon anderes übrig?

Sie setzten ihren Weg fort und bald konnte Aylin schwaches Licht in der Ferne erkennen. Als sie näher kamen, erkannte sie was es war und riss die Augen auf. Es war wieder das Licht, dessen Quelle man nicht identifizieren konnte, welches die Fläche vor ihr ausfüllte. Wie ein riesengroßer Raum, welcher von unsichtbaren Wänden umrandet wurde und so das Licht davon abhielt sich weiter auszubreiten.

Mal wieder viel Aylin bei dem Anblick die Kinnlade herunter. Vor ihr befand sie das unfassbar riesige Trainingsgelände.

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