Kapitel 4

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"Aylin? Bist du fertig?"

Aylin verdrehte die Augen und antwortete ihrer Mutter nicht.
Sollte sie sich doch heiser schreien, Aylin würde ihren Koffer trotzdem nicht schneller nach unten befördern.

Alles war bereits fertig. Zwei große Reisetaschen und ein Koffer. Aylin hatte sich ausgiebig von ihren Freunden verabschiedet, fest versprochen irgendwie mit ihnen Kontakt zu halten und seit zwei Wochen nicht mehr als nötig mit ihrer Mutter gesprochen. Und mit Roy sowieso nicht. Nur mit ihrem Bruder hatte sie nochmal geredet und sich verabschiedet. Ihm war es dann letztendlich doch nicht ganz egal gewesen und ein paar Tränen waren schon dabei geflossen. Allerdings hatte sie ihm schwören müssen, es niemanden zu erzählen.

Aylin blickte sich in ihrem Zimmer um. Es fühlte sich alles so leer an. Auch in ihrem Inneren. Sie wusste nicht warum, aber diese Räume fühlten sich jetzt schon nicht mehr wie ihr Zuhause an.
Es war seltsam. Eigentlich wollte sie in diesem Moment einfach nur endlich losfahren. Freute sie sich etwa doch darauf dieses ganze Chaos, was bis jetzt ihr Leben gewesen war, zurückzulassen?
Vielleicht ein wenig. Sie wusste es nicht.

Endlich stand sie zum letzten Mal vor ihrem Bett auf und nahm ihren Koffer, um ihn die Treppe hinunter zu wuchten. Sie hatte versucht ihr halbes Zimmer in zwei Taschen und einem Riesenkoffer zu verstauen und es hatte offensichtlich auch funktioniert.
Hauptsächlich hatte sie aber all ihre Bücher und Blöcke zum Zeichnen mitgenommen.

"Na endlich.", seufzte ihre Mutter außer Atem, als Aylin an der Haustür auftauchte. Alles weitere war bereits im Auto verstaut worden. Aylin würdigte sie keines Blickes und stapfte an ihr vorbei.

Sie war sich ziemlich sicher, dass ihre Mutter in den letzten zwei Wochen öfter geseufzt hatte, als in ihrem ganzen restlichen Leben.

Als Aylin die Autotür hinter sich schloss, sah sie nochmal auf das Haus, was einmal ihr Heim gewesen war.
Ihre Mutter und Roy stiegen nun vorne ein. Dean würde nicht mitkommen. Er war über die Tage zu ihrer Tante gefahren. Natürlich um den Auszug seiner großen Schwester nicht mit erleben zu müssen. Auch wenn das nicht so gesagt worden war, hatte Caroline natürlich gespürt wie nahe dies ihrem kleinen Sohn ging.

Aylin war es ganz Recht so. Es wäre ihr später nur noch schwerer gefallen, dass Auto wieder wegfahren zu sehen.
Denn obwohl Dean ihr die meiste Zeit auf die Nerven ging, hatte sie ihn natürlich trotzdem unfassbar lieb. Er war schließlich ihr Bruder.

Ihrer Meinung nach, hätte Roy auch gerne zuhause bleiben können, oder gleich da wo der Pfeffer wächst. Aber Caroline hatte darauf bestanden, dass die Familie -Aylin hatte nur ein belustigtes Schnauben von sich gegeben- sich gemeinsam voneinander verabschiedete.

Der Motor des Autos begann nun zu Brummen und bald hatten sie ihr Haus weit hinter sich gelassen. Aylin blickte nach vorne.

Was würde sie erwarten? Wie würden die Leute im Internat sein?

Bestimmt würde es langweilig werden. 'Internat'. Das klang doch schon so spießig.

Sie seufzte - das Verhalten ihrer Mutter färbte offensichtlich auf sie ab - und holte ihr Tagebuch aus ihrem Rucksack, den sie zusätzlich mitgenommen hatte.
Dort hatte sie die Sachen verstaut, die ihr am wichtigsten waren. Dazu zählten ihr Tagebuch, ein Diamantanhänger von ihrer Mutter, ein Bild, wo sie mit Dean, ihrer Mutter und ihrem Vater drauf zu sehen war, ein Bild von ihr mit Janine und Nick und zu guter letzt ihre Hausschuhe.

Einen Stift hatte sie natürlich auch dabei.

Sie öffnete ihr Tagebuch. Lange hatte sie keinen Eintrag mehr geschrieben.
Der letzte war vor drei Wochen gewesen.
Sie würde wohl wieder anfangen zu schreiben. Wenn sie dort überhaupt was erleben würde...

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