Kapitel 11

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Aylin lief mit gesengtem Kopf den Flur zum Kursraum, in dem sie nun Englisch hatte. Alles Make-Up der Welt hätte nicht gereicht, um die tiefen Augenringe, die sich bereits seit ein paar Tagen unter ihren müden Augen abzeichneten, zu verdecken, also hatte sie es gleich ganz gelassen. Wie üblich, hatte Aylin die Nacht zuvor kaum ein Auge zu getan. Wieder war sie schreiend und heulend in ihrem Bett hochgeschossen, zitternd und völlig verängstigt. Der seltsame Albtraum, den sie vor einer Woche das erste Mal gehabt hatte, wiederholte sich seitdem ständig und Aylin wusste nicht woran es lag. Wieder und wieder rannte sie durch diesen endlosen Flur und wieder wurde sie von einer unbekannten Person verfolgt.

Und wieder stand sie im zweiten Stock am Fenster und sah hinab in die dunkle, kalte Nacht.

Sie musste nur an den Traum denken und sie erschauderte.
Seit einer Woche schien alles um sie herum verschwommen und unwichtig. Sie war weggetreten und abweisend. Zwischendurch tat es ihr leid, wie sie die Menschen um sich herum - vor allem Daven - behandelte, aber die meiste Zeit galt ihre Konzentration ganz ihrem Traum.

Inzwischen hatte sie sogar Angst davor ins Bett zu gehen. Panik überkam sie jedesmal, wenn sie ein Bett ansah, welches früher ihr absolutes Lieblingsmöbelstück gewesen war.

Es kam ihr außerdem alles so surreal vor. War es üblich so viele Male hintereinander den selben Traum zu haben? Wahrscheinlich eher nicht.

Mit einem Stirnrunzeln, welches nun oft ihr Gesicht verunstaltete, betrat sie gedankenverloren den Kursraum und setzte sich neben Daven auf ihren Platz.

Aylin bemerkte, wie er sie von der Seite verunsichert musterte und konnte sich nicht dazu bringen ihn anzusehen.
Sie wusste, dass sie furchtbar aussah und bald würde man ihr Fragen stellen und nicht nur komische Blicke zuwerfen.

Daven sah gekränkt wieder weg, als sie ihm auch diesen Morgen nichts zu sagen hatte.

Er tat ihr langsam echt Leid, da er sich so bemühte, aber sie wollte einfach mit niemandem reden. Sie war so müde.

Sie bekam es kaum mit, als ihre Lehrerin den Klassenraum betrat und mit dem Unterricht begann. Aylin seufzte leise in sich hinein.

So konnte das doch nicht weitergehen.

Einen kleinen Blick in Davens Richtung wagend und sich einen Ruck gebend, zog sie ihren Collegeblock näher zu sich heran und riss ein Stück von einem unbeschriebenen Blatt ab.

Heimlich und immer ein müdes Auge auf ihrer Lehrerin habend, begann sie schnell ein paar Worte darauf zu kritzeln. Daven beäugte sie neugierig, aber sie schrieb einfach weiter.

Als sie fertig war, schob sie den kleinen Zettel zu ihm rüber.

Er nahm ihn und las ihn so unauffällig wie möglich unter seinem Tisch.

Als er sie wieder ansah, schickte Aylin ihm einen fragenden Blick.

Daven nickte. Aylin war erleichtert, denn er schien doch nicht allzu sauer zu sein. Wahrscheinlich war er einfach froh wieder ein Lebenszeichen von ihr zu erhalten.

Er würde mit ihr reden.

Die ganze restliche Stunde ließ er sie zwar in Ruhe, dafür war er aber der Erste, welcher von seinem Stuhl aufsprang, als der Gong ertönte.

Aylin seufzte und packte ebenfalls ihre Sachen, um ihm nach draußen zu folgen. Dort wartete er bereits und führte sie daraufhin in eine etwas abgelegenere Ecke. Sie hatte keine Ahnung wie sie nun anfangen sollte.

"So. Was. Ist. Los.", fragte er sofort ungeduldig und Aylin fühlte sich noch schlechter als ohnehin schon, als sie den besorgten Blick in seinen Augen sah.

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