Kapitel 10

3K 137 0
                                    

Jetzt liegen wir alle in unserem Bett. Ich kuschle mich in meiner Decke ein und zieh die Knie dicht an meinen Körper. Außer einen kleinen Lichtstrahl der noch unter der Tür durchdringt ist alles dunkel. Eigentlich habe ich keine Angst im Dunkeln und schon gar nicht wenn ich weiß, dass Justus nur einen Meter entfernt in seinem Bett liegt und ich seinen ruhigen Atem in der stillen Nacht höre, doch heute ist es anders. Ich traue mich nicht meine Augen zu schließen, zu groß ist die Angst vor der Dunkelheit, vor der Hilflosigkeit, wenn man in einem Traum gefangen ist und ich weiß das ich heute sobald ich einschlafe in einem schrecklichen Traum gefangen sein werde. Plötzlich verschwindet auch der letzte Rest des Lichtes und ich liege warm eingekuschelt auf meiner Liege trotzdem fließt mir eiskalter Angstschweiß über die Stirn. Ich will nicht einschlafen! Ich bleibe einfach die ganze Nacht wach und warte bis die schreckliche Dunkelheit vorbei ist. Doch irgendwann besiegt mich die Müdigkeit und ich verliere die Kontrolle über meine Gedanken. Ich finde sie erst wieder als es schon zu spät ist, nun bin ich hier, gefangen im Traum. Ich höre die wütende Stimme meines Vaters es ist als würde ein Stromschlag durch meinen Körper fahren. Er steht nur wenige Meter vor mir. Wütend. In der rechten Hand hält er eins unserer Küchenmesser. Starr vor Schreck schaue ich ihn an. Mitten in seine dunklen leeren Augen. Das ist alles nur ein Traum. Er kann mir nichts tun. Ich höre die leise sanfte Stimme von Lucy immer näher kommen, doch eher ich ihr zuschreien kann das sie verschwinden soll hält sie mein Vater am Handgelenk fest. Ich will ihr helfen ich will ihm das Messer entreißen mit dem er ihr Droht, doch er legt es genau an ihren Hals. Das Kreischen von Lucy wird durch die tiefe dunkle Stimme meines Vaters unterbrochen. Erschrocken springe ich einen Schritt auf die Beiden zu. Ich kann nicht zusehen wie er Lucy weh tut. Ich würde mir das nie verzeihen. Immer wieder hätte ich diese schrecklichen Bilder vor Augen, wie er mit dem Messer in seiner großen zitternden Hand an ihrem Hals entlangfährt und das Blut immer schneller ihrem Hals herunter fliest. Wie sich ihr weises T-Shirt mit der roten Farbe vollsaugt und sich eine rote Pfütze unter den nackten Füßen meiner kleinen Schwester bildet, bis sie schließlich zusammensackt und in ihrem eigenen Blut stirbt.

„Tess…. Hey Tess…. Shhht….“  Justus Stimme, seine wunderschöne Stimme vertreibt die abscheulichen Gedanken und Bilder aus meinem Kopf, erschrocken sitze ich aufrecht auf meiner Liege, die Arme fest um mich geklammert. Sofort drückt mich Justus an seine Brust, streichelt mir über den Rücken und schlingt seine Arme um mich, als würde ich ohne sie in tausend Stücke zerfallen. Ich spüre wie mir kalte Tränen über die glühend heiße Wangen fließen.

„Es ist alles in Ordnung Tess. Du bist hier in Sicherheit, dir passiert nichts.“ Er versucht mich zu trösten und flüstert mir diese Worte ins Ohr als würden sie bedeuten, dass alles auf der Welt bestens ist. Als gäbe es keinen Krieg, als gäbe es keinen Schmerz, als gäbe es meinen Vater nicht der zu Hause wütend auf mich wartet, auf mich und Lucy.

„Lucy, er wollte Lucy töten!“ Ich starr in seine besorgten Augen. „Er hat sie mit einem Messer getötet! Vor meinen Augen!“

„Hey… sht… es ist nichts passiert, er hat ihr nichts getan sie liegt nebenan bei Nico und schläft“ Er nimmt mich noch fester in seine starken Arme und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Immer noch fließen einzelne Tränen über meine glühend heiße Wange. Justus nimmt meinen Kopf in seine warmen Hände, die sich aber im Gegensatz zu meinen Wangen wie Eiswürfel anfühlen, und streicht mit dem Daumen die Tränen aus meinem Gesicht.

„Es ist alles gut Süße, keine Angst.“ Ich bringe keine Antwort hervor und nicke nur leicht. Was würde ich nur ohne Justus machen?

„Möchtest du was trinken?“ Wieder nicke ich nur leicht.

„Ich bin gleich wieder da. Ich beeil mich.“ In seinen traurigen besorgten Augen sehe ich, dass er mich nicht gerne allein lässt, vor allem jetzt nicht. Sobald er durch die Tür verschwunden ist merke ich wie erneute Tränen über meine Wange fließen. Das Gefühl allein zu sein breitet sich in mir aus. Allein. Schwach. Hilflos.

Mit zitterndem Körper den Blick immer auf die offene Tür gerichtet warte ich ungeduldig auf seine Rückkehr. Ich fühle mich unwohl in meiner Haut, als würde die Dunkelheit versuchen mich von allen Seiten angreifen zu wollen. Nur die Nachttischlampe und der Lichtstrahl der durch die Tür dringt gibt mir ein wenig Hoffnung der Dunkelheit entkommen zu können. Ich zucke zusammen als ich die schleichenden Schritte auf der Treppe höre. Justus stellt das Glas auf seinen Nachttisch und zieht mich zu sich auf sein Bett. Gierig trinke ich das kühle Wasser und genieße das Gefühl wie die Hitze aus meinem Kopf verschwindet und ich wieder normal atmen kann. Justus hat seine Arme wieder um mich gelegt und wartet geduldig bis mein plötzlicher Durst sich gelegt hat.

„Geht es wieder?“

„Ja. Danke.“ Meine Stimme versagt schon nach diesen zwei kleinen Worten.

„Okay dann versuch nochmal zu schlafen okay?“ Erschrocken schaue ich ihn an. Ich will nicht schlafen, sobald ich meine Gedanken nicht mehr kontrollieren kann werde ich wieder in diesem schrecklichen Traum gefangen sein. Das überlebe ich kein zweites Mal ich kann nicht nochmal zusehen wie meine kleine Schwester vor meinen Augen von meinem eigenen Vater getötet wird.

„Du kannst natürlich bei mir schlafen Süße okay?“ Ich nicke und leg mich unter seine Decke. Justus legt sich neben mich einen Arm um meinen immer noch zitternden Körper gelegt. Ich dreh mich mit dem Gesicht zu ihm kuschle mich an ihm und vergrab es in sein T-Shirt. Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und flüstert mir ein leises „Gute Nacht“ ins Ohr. Ich merke noch wie seine Hand über meinen Rücken streichelt bis meine Augen erschöpft zufallen.

My world, your worldWhere stories live. Discover now