Kapitel 33

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Es vergehen zwei Tage, in denen ich mich zumindest ein wenig in die Familie von Liam eingelebt habe, ohne, dass etwas Besonderes passiert. Christian und Steffi sind wirklich nett zu mir genauso wie Jasmin, die fast jeden Tag vorbei kommt. Zusammen fahren wir jeden Tag ins Krankenhaus in der Hoffnung, dass es Jake besser geht, doch nichts passiert. Laurence ist schon vorzeitig abgereist, wegen eines wichtigen Termins. Keiner von uns versteht wie er nur so gefühlslos und es ihn so wenig interessieren kann, dass Jake, sein einziger Sohn, im Koma liegt.

Liam kommt mit dem Telefon in der Hand bedrückt ins Wohnzimmer. Wortlos läuft er auf die Telefonstation zu und stellt den Hörer zurück an seinen Platz. Christian, Steffi, Jasmin und ich gucken ihn erwartungsvoll an, bis ich irgendwann die Stille unterbreche, obwohl ich mir schon denken kann was er uns gleich erzählt. Liam ist nie traurig, er ist mit Jake zusammen der bestgelaunteste Junge der Welt.

„Was ist passiert?“ Tränen sammeln sich in meinen Augen. Er setzt sich neben mich und drückt mich feste. Genauso wie mir laufen auch über Jasmins und Steffis Wangen vereinzelte Tränen. Christian nimmt seine Frau, die fast wie eine zweite Mutter für Jake war, traurig in den Arm.

„Jakes Zustand hat sich verschlechtert, er bekommt jetzt noch mehr Medikamente, doch die Ärzte wissen nicht ob sie anschlagen.“ Liam macht eine Pause und eine kleine Träne fließt über seine Wange, doch er versucht sie unbemerkt wegzuwischen und lächelt traurig. „Wenn sie nicht anschlagen…“ Er braucht gar nicht weiter reden. Wir wissen alle was gemeint ist und spätestens jetzt sitzen wir alle geschockt in dem Wohnzimmer. „Ich bin mir sicher, dass Jake das schafft, ich kenn ihn schon mein ganzes Leben lang und er hat noch nie aufgegeben!“ Sagt Liam. Ein wenig trösten mich die Gedanken, dass Liam recht hat, doch ich sollte realistisch bleiben und überlege wie ich ohne meinen Jake weiter leben soll, oder ob ich das überhaupt kann. Gerade jetzt wo ich mir eingestanden habe das ich ihn liebe.

„Können wir zu ihm?“ Die Frage kommt von Jasmin, doch Liam schüttelt nur den Kopf.

„Er brauch jetzt viel Ruhe.“

Auch beim Abendessen herrscht eine eisige traurige Stille.

„Ich sollte Laurence anrufen, schließlich ist Jake sein Sohn.“ Genau weiß ich nicht ob Jasmin das zu sich oder zu uns gesagt hat, doch nachdem wir den Tisch abgeräumt haben, holt sie ihr Handy aus ihrer Tasche und verschwindet im Flur. Ich setze mich zurück an den Tisch und schaue nach draußen. Es ist ein fröhlicher warmer Sommertag, ganz anders als es in mir drin aussieht. Dort ist es ein eiskalter stürmischer Wintertag. Ich höre Jasmin verzweifelt mit ihrem Mann reden und man hört direkt raus, dass sie verzweifelt und den Tränen nahe ist.

„… Aber er ist dein Sohn! ... Es kann dir doch nicht egal sein. … Nein, es ist nicht Tess schuld! Sie kann nichts dafür! … Ganz ehrlich, ich erkenn dich nicht wieder, du bist nicht mehr der Mann, den ich geheiratet habe und wenn das so weiter geht sind wir auch die längste Zeit verheiratet gewesen!“ Wütend kommt Jasmin zurück und lächelt mich traurig an. „Ich fahr nach Hause, wir sehen uns Morgen okay?“ Verabschiedet sie sich von uns und wünscht uns noch eine gute Nacht. Wortlos gehe ich nach oben, wie von selbst putze ich mir die Zähne, ziehe mich um und lege mich auf die Couch, doch schlafen kann ich nicht. Irgendwann schaffe ich es dann doch noch und schlafe mit Tränen in den Augen ein.

Ein neuer Morgen, doch die gleichen unlösbaren Probleme. Ich stehe ziemlich früh auf, doch Christian ist schon wach und trinkt seinen morgendlichen Kaffee.

„Morgen, gut geschlafen?“ Müde schaue ich ihn an.

„Nicht wirklich. Und du?“ Er schüttelt nur mit dem Kopf.

„Möchtest du was essen?“

„Nein danke.“

Der ganze Tag vergeht so, traurig und öde, bis er endlich zu Ende ist. Doch leider vergehen die ganzen nächsten Tage genauso. Ich esse kaum mehr was und leide unter schrecklichen Schlafmangel, da ich keine Nacht mehr in Ruhe durchschlafen kann. Steffi meinte, ich solle unbedingt mehr essen und versucht jetzt immer wieder mehr in mich hinein zu bekommen, aber ich esse von Mal zu Mal weniger. Dunkle Augenringe haben sich gebildet und ich sehe aus wie eine wandelnde Leiche, blass im Gesicht und total abgemagert. Das Schlimmste ist aber das ich nicht zu Jake kann und vor allem das die im Krankenhaus nur schlechte Nachrichten für uns haben und meine Hoffnung eigentlich komplett weg ist. Jake nimmt weder die Medikamente an, noch gibt es irgendein Zeichen, dass sein Zustand wieder stabil wird und wir fürs erste einmal beruhigt sein können, im Gegenteil, er hat rapide abgenommen und ist kurz vorm Verhungern.

My world, your worldOù les histoires vivent. Découvrez maintenant