Kapitel 32

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Es ist noch dunkel draußen, doch ich kann einfach nicht mehr schlafen. Ich stehe leise auf und schleiche zur Tür um Liam nicht zu wecken. Nun stehe ich in einem komplett fremden Haus. Vorsichtig taste ich mich an dem Geländer die Treppe hinunter, es ist alles dunkel und nur durch die große Terrassentür im Wohnzimmer und durch die großen Fenster dringt das erste Licht in die stillen Räume. Langsam öffne ich die Tür einen Spalt und gehe in den Garten, kalter Wind streift um meine Haut und ich bekomme eine Gänsehaut. Mit verschränkten Armen laufe ich durch den großen Garten. Das feuchte Gras unter meinen Füßen kitzelt und ich rieche einen süßen Duft von den Blumen, die hier überall wachsen. Über mir leuchtet noch ein schöner Halbmond, der jedoch bald von der Sonne ersetzt wird. Ich beobachte den Mond und die lila Wolken, die schwerelos über mich hinwegziehen. Die ersten Vögel fliegen über mich hinweg und zwitschern fröhlich ihr Lied. So stehe ich eine ganze Zeit in dem Garten und beobachte die Natur, die Vögel, die Wolken und die Blumen, bis ich mich irgendwann auf das nasse Gras setze und anfange zu weinen. Ich vergrabe mein Gesicht in meine Hände und wünsche, dass Jake jetzt da wäre. Mein Körper bebt unter den vielen Tränen und meinem Schluchzen, aber das ist egal.

„Hey.“ Ruckartig fahre ich um und sehe einen Mann freundlich lächelnd hinter mir stehen. „Du bist wahrscheinlich Tess oder?“ Weiterhin starre ich den fremden Mann an und nicke. Er kommt ein paar Schritte auf mich zu und hockt sich vor mich. „Ich bin Christian, Liams Vater. Willst du mit rein kommen, nachher wirst du krank.“ Christian steht auf und hält mir seine Hand hin, die ich zögernd annehme und mir von ihm hoch helfen lasse. Zusammen setzen wir uns in die Küche. Ich zittere immer noch, vor Kälte und vor Angst Jake zu verlieren. Liams Vater bringt mir eine Decke und legt sie vorsichtig um mich, er lächelt mich traurig an und auch ich versuche mir ein Lächeln zu zwingen. „Möchtest du einen Kakao?“ Schwach nicke ich. Christian steht auf, holt die Milch aus den silbernen Kühlschrank und eine Tasse aus einen der Schränke. Er lehnt sich gegen die Küchentheke und wartet bis die Mikrowelle die Milch erwärmt hat. Nachdem er das Kakaopulver untergerührt hat stellt er die Tasse vor mich auf dem Tisch und setzt sich mit einem Kaffee zu mir. Ich nehme den Kakao und nippe an der heißen Tasse.

„Danke.“ Flüstere ich leise.

„Gerne, du arme hast bestimmt eine schwere Zeit hinter dir. Liam hat mir von dir erzählt als du noch im Heim warst.“ Dieses Mal ist mein Lächeln ernst gemeint. „Er hat dich echt in sein Herz geschlossen und er war fix und fertig als er hörte, dass du wieder nach Hause solltest.“

„Ja? Warum?“ Christian überlegt kurz und sucht anscheinend nach den richtigen Worten.

„Liam hat gesagt das es falsch ist dich wieder zu deinen Eltern zu bringen und damit hatte er ja auch leider Recht.“ Meine Augen füllen sich wieder mit Tränen.

„Ich weiß.“ Weiter komme ich nicht, da mir wieder ein Kloß im Hals steckt. Er legt einen Arm um mich und drückt mich leicht. Tränen fließen mir über meine Wangen.

„Es tut mir alles so leid. Kann ich irgendetwas für dich tun?“ Nein kann er nicht! Er kann meine Eltern nicht nett machen und er kann Jake auch nicht helfen. Wir sitzen eine ganze Weile so bis Liam in die Küche kommt und mich traurig ansieht. Liam setzt sich zu uns an den Tisch, keiner sagt etwas, wir sitzen einfach da und machen nichts. Mittlerweile ist es neun Uhr und ich überlege ab wann das Krankenhaus wohl auf hat, ich will so schnell es geht zu Jake. Eine weitere halbe Stunde vergeht ohne, dass etwas passiert.

„Soll ich im Krankenhaus anrufen ob wir zu Jake können?“ Ich gucke zu Liam und nicke. Er steht auf und geht in den Flur. Nur wenige Augenblicke später kommt er, dieses Mal eindeutig fröhlicher, zurück. „Zieh dich um, sein Zustand ist stabil, er ist zwar noch nicht wach aber wir können zu ihm.“ Überglücklich springe ich auf und renne nach oben in Liams Zimmer, wo ich in meiner Tasche ein paar Klamotten raussuche und mich blitzschnell fertig mache. Liam wartet schon im Flur und hält mir die Tür auf. Warme Sonnenstrahlen blenden mich als ich zu seinem Auto laufe und einsteige. Mir kommt es so vor als dauert die Autofahrt stunden, und mit jedem Meter werde ich nervöser. Endlich fahren wir auf den unübersichtlichen Parkplatz und hetzten zu dem Eingang des weisen Hauses. Eine Frau, beschreibt uns den Weg zu Jakes Zimmer, dass wir dann auch schnell finden. Mein Herz schlägt wie wild gegen meinen Brustkorb. Langsam öffne ich die helle Tür, da liegt er. Es ist als schläft er ganz friedlich. Bis zum Hals ist er zugedeckt und mehrere Kabel hängen an seiner Hand. Ich renne zu dem Bett hin, setze mich auf dem Stuhl neben ihn und fange wieder an zu weinen. Warum muss es ausgerechnet ihm passieren? Warum kann ich nicht hier liegen? Vorsichtig nehme ich seine bewegungslose Hand, nur seine Brust hebt und senkt sich langsam und gleichmäßig. Liam legt seine Hand auf meine Schulter sagt jedoch nichts, keiner von uns sagt etwas. Kann er jetzt nicht einfach seine Augen öffnen und wieder lachen? Plötzlich wird die Tür geöffnet und Jasmin und Laurence kommen aufgebracht in das Zimmer gestürmt.

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