Kapitel 2

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Als ich nach zehn Minuten vor der Haustür des alten grauen renovier bedürftigen Häuserblock stand atme ich noch einmal tief ein. Ich öffne schnell die Tür und laufe zielstrebig zu der knarrenden Holztreppe, vorbei an dem alten Heini wie wir in immer nannten, ich würdige ihm keinen Blick und hoffe er würde dasselbe tun.

„Na mein süßes Löckchen? Lust auf ´ne schnelle Nummer?“, fragt er mich amüsiert und voller Begierde.

„Nein!“, antworte ich kurz und stieg auf die erste Stufe.

„Ach komm schon. Ich bezahl dich auch dafür.“, schwer stöhnend hebt er sich von seiner löchrigen Decke, läuft mir nach, hält mich am Arm fest und umfasst mit der anderen Hand mein Kinn und zieht es zu sich, sodass ich in seine kleinen faltigen Augen schauen muss. Ich reise mich von ihm los.

„Nein habe ich gesagt!“, ein wenig schneller laufe ich die Stufen hoch, wobei ich stur geradeaus gucke um nicht nochmal in seine gruseliges altes Gesicht sehen zu müssen. Es ist schrecklich zu sehen was Alkohol und Drogen aus einem Menschen machen.

„Jetzt sei doch nicht so zickig. Deine Mutter hat sich auch noch nicht beschwert, wenn ich gut zahle, du verstehst?“

Natürlich weiß ich was er damit meint und ich wusste auch ohne hinzusehen, dass er gerade wieder dieses fiese Grinsen aufgesetzt hat. Schnell springe ich die Treppen hoch und wäre fast gefallen, doch ich konnte mich noch im letzten Moment halten. Oben angekommen lehne ich mich an die kalte graue Wand und schnappe nach Luft. Ich sollte echt mehr Sport treiben dachte ich, bevor ich in unsere Wohnung eintrete, doch wahrscheinlich liegt es an der stickigen Luft. Es riecht nach Zigarettenqualm und Alkohol, wie immer eigentlich. Ich stehe in unserem Wohnzimmer und sehe meinen Vater mit einer Zigarette in der einen und ´ne Flasche Bier in der anderen Hand ausgebreitet auf dem Sofa liegen. Überall stehen leere Flaschen rum. Bier, Schnaps, Wodka und was weiß ich noch alles. Ich fange an all die Flaschen einzusammeln. Zum Glück ist mein Vater schon so dicht das er mich gar nicht bemerkt. Nachdem ich ungefähr 15 Flaschen vom Couchtisch geräumt habe, gehe ich in die Küche, wo ich auch nochmal einige Flaschen wegräumen darf. Die randvolle Tüte stelle ich in eine Ecke im Flur und beschließe sie morgen wegzubringen. Zurück im Wohnzimmer wollte ich grade die zwei randvollen Aschenbecher wegräumen, als mich eine eiskalte Hand unsanft am Handgelenk packt und mich zurückzog. Ich schaute direkt in die leeren Augen meines Vaters. Plötzlich spüre ich nur noch einen schrecklichen Schmerz im Gesicht. Ich taumle ein wenig bis meine Beine komplett unter mir zusammenbrachen und ich unsanft zu Boden geh. Ich weiß nicht genau was passiert ist. Nachdem ich mein Bewusstsein wieder bekommen habe geh ich in unser kleines Badezimmer. Ich betrachte mich in dem zerkratzten Spiegel und streich mir meine Locken aus der blutigen Wunde. Mein Vater hatte mich mal wieder geschlagen. Ich reinige die Wunde kurz schaute noch einmal in das kleine Kinderzimmer meiner Schwester, als ich erleichternd feststelle, dass sie ruhig schläft und zieh mich dann in mein Zimmer zurück. Ich zieh mich schnell aus und häng alles über den alten Stuhl in der Ecke, dann betrachte ich meinen Körper. Er ist übersäht mit blauen und grünen Flecken. Mein Vater hatte ganze Arbeit getan. Ich versuche darüber zu lachen, doch mir war grade gar nicht zum Lachen zumute. Irgendwann fängt er an auch Lucy zu verprügeln. Bei dem Gedanken läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Lucy ist das fröhlichste Kind der Welt, obwohl der Vater ein riesen Arschloch ist und von morgens bis abends trinkt und die Mutter, ja unsere Mutter ist auch kein Vorbild, sie ist den ganzen Tag nicht da und wenn dann liegt sie im Bett und schläft ihren Rausch aus und nachts geht sie „arbeiten“ das heißt konkret: sie stellt ich in Minirock high heels und weiten Ausschnitt an die Straße und wartet bis irgendein Notgeiler Kerl vorbeikommt und sie mitnimmt.

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