19. Kapitel

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Laute Streichermusik dröhnt in meinen Ohren. Sie soll den Abend aufmuntern, wobei es an einem Todesmahl nichts fröhliches gibt. Ich sitze am Ende der langen Tafel, neben Peeta und uns gegenüber werden gleich die Tribute platziert werden. Weiter vorne sehe ich Annie, Johanna und Beetee, die sich angeregt unterhalten. Links neben Peeta sitzt Haymitch, der wie üblich schon vor Beginn des Essens an einem Glas Wein nippt. Als ich ansetzte, Haymitch zu fragen, ob er nicht vielleicht auf Wasser umsteigen sollte, öffnet sich die große Tür und die Tribute werden in der gleichen Reihenfolge wie bei der Ernte hereingerufen, ihre Namen beim Eintreten genannt.
Glück für Haymitch.

Alle Tribute sind festlich gekleidet, doch manche ragen heraus: Eine kichernde Blondine mit einem knallpinken Kleid. Wieder der rothaarige Riese, in einen weißen Anzug mit blutroter Krawatte gekleidet. Und dann meine Tributin: Sie trägt ein mittelblaues Kleid, es wallt an ihr herunter wie Wellen im Ozean. Ich bin mir unsicher, ob es eine Anspielung auf meine Feuerkleider sein soll, aber es wirkt auf jeden Fall. Sie scheint sich für ihre Schwester freiwillig gemeldet zu haben, denn ihr Name ist Jade Hawkins.
Der pummelige Junge nach ihr wird kaum beachtet, alle Blicke bleiben an ihr kleben. Zuletzt tritt Snows Enkelin ein, und auch sie zieht Aufmerksamkeit auf sich: Mit ihrem rosafarbenen Kleid und mit babyblauen Bändern im Haar sieht sie wie eine Puppe aus, elfengleich beschreibt ihre Erscheinung  auch ziemlich gut.

Sie setzen sich nach und nach an die Tafel, und wenige Sekunden später sitzt mir schon meine Tributin gegenüber. Sie sucht vorsichtig Blickkontakt, und ich lächele ihr aufmunternd zu. Dann räuspere ich mich und sage: "Hallo, Jade. Ich bin deine Mentorin Katniss. Ich meine, vermutlich weißt du wer ich bin, aber du sollst mich nicht so distanziert wie die Fernsehzuschauer betrachten. Ich möchte dir beim Siegen helfen. Aber dafür musst du mir etwas über dich erzählen."
Ihre Augen suchen die Wand hinter mir ab, trauen sich nicht mich anzuschauen. Langsam beginnt Jade zu reden: "Meine Schwester ist... leicht behindert. Sie versteht das System der Spiele nicht, würde direkt aussortiert werden. Dabei ist sie der fröhlichste und ehrlichste Mensch, den ich kenne. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass ihr etwas zustößt. Deswegen habe ich mich freiwillig gemeldet."
Ich spüre, wie mein Magen sich verkrampft. Ich hätte Prim beschützen müssen. Sie war, genau wie Jades Schwester, immer das einzige Positive im grauen Saum. Und ich habe versagt, während andere ihre Aufgabe erfüllen können. Mein Atem geht immer schneller, und ich bemerke, wie ich anfange zu hyperventillieren, als sich eine Hand auf meinen Arm legt. Peeta. Er fragt, ob wir tanzen gehen sollen. Ich antworte nicht, aber mit einem fragenden Seitenblick auf unsere Tribute, die uns zunicken, zieht er mich hinter sich her.
Kraftlos lehne ich mich gegen ihn, aber seine Arme geben mir Halt. Zwar kann man das Hin-und-Hergestolpere nicht tanzen nennen, jedoch fühle ich mich halbwegs wohl. Peeta flüstert mir ins Ohr: "Was ist passiert, Katniss?"
"Sie...sie hat mich einfach zu sehr an mich und Prim erinnert, und wie ich darin gescheitert bin, sie zu beschützen."
"Aber du hast das ganze Land befreit, und jedem hier bessere Zukunftsperspektiven gegeben! Ich verstehe, wie du dich fühlst. Auch ich habe meiner Familie nicht helfen können. Wenn ich mal keinen Alptraum über dich habe, handelt er von meinen Brüdern. Und meinen Eltern, wie sich mich anschreien, sie zu retten, mich beschuldigen..."
Das wusste ich nicht. Mal wieder habe ich, egoistisch wie ich bin, nur an mein Versagen gedacht. An die Probleme anderer zu denken, kommt mir nicht in den Sinn.
Beschämt wispere ich: "Es tut mir leid, dass... Du immer mich retten musst, und nicht umgekehrt."
Peeta will etwas erwidern, doch ich fahre fort: "Natürlich habe ich dich bei Anfällen zum Arzt begleitet. Aber dass mehr dahinter stecken könnte... Immer drehe ich mich nur um mich. Genau wie jetzt. Statt Jade Beistand zu leisten, haue ich ab und lasse sie im Stich. Bitte entschuldige mich." Nachdem ich ihm einen traurigen Blick zugeworfen habe, befreie ich mich aus Peetas Griff und gehe zurück zur Tafel.
Dort unterhalten sich Jade und Atropos, Snows Enkelin, aber als ich näher trete, verstummt ihr Gespräch.
"Es tut mir leid, dass ich weg war und auch noch Peeta entführt habe.", sage ich, in diesem Moment setzt sich auch Peeta wieder neben mich.
Snows Enkelin ruft aus: "Das war doch kein Problem! Wir haben uns hier ja bestens unterhalten." Irgendetwas gefällt mir an ihrem Tonfall nicht, ich kann aber nicht genau bestimmen, was. Sie fährt fort: "Vielleicht ist es unpassend, aber wollen wir jetzt meine Kampfstrategie besprechen?"
Oh. Als meine Mentorin müsste ich auch mit Jade Techniken besprechen. Mal wieder habe ich versagt. Ich glaube zwar nicht, dass Snows Enkelin, Atropos, etwas gegen uns verwenden würde, aber trotzdem fordere ich Jade auf, sich mit mir in die Sofaecke zurückzuziehen.

Nachdem wir uns gesetzt haben, fange ich direkt mit der Planung an. Je früher, desto besser.
"Also, hast du schon jegliche Kampferfahrung?"
Jade räuspert sich: "Eigentlich... Nein. Mir wäre es nie eingefallen, selbst mal in den Hungerspielen mitmachen zu müssen. Ich kann gut Klavier spielen, aber ich glaube, dass ist nicht als Waffe einzusetzen."
Das stimmt wohl. Und bei ihrer Größe würden auch Speere, Beile oder Ähnliches nichts bringen.
" Du musst das, was dir in der Arena gegeben ist, kreativ nutzen. Zum Beispiel Kraftfelder, oder vergiftetes Essen eignen sich gut als indirekte Waffen." Mich schaudert es, als ich an Fuchsgesicht zurückdenke.
"Die richtigen Waffen wirst du morgen beim Training ausprobieren. Für dich eher Messer, Blasrohr oder vielleicht auch Bögen und Pfeile."
Jade schaut erstaunt, als ich meine Waffe nenne. Noch erstaunter guckt sie, als sie hinter der Ecke plötzlich Atropos hervorschauen sieht. Ob sie uns belauscht hat? Ich komme nicht dazu, zu fragen, denn Paylors durchdringende Stimme beendet das Bankett. Ich verabschiede mich bei Jade, und verspreche ihr, sie morgen zum Training zu begleiten. Dann gehe ich auf mein Zimmer.
Peeta ist noch nicht da. Also ziehe ich mich schon um und kämme mir die Haare. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll und setzte mich hin den großen Ohrensessel.
Warte und warte, bis endlich die Tür aufgeht und Peeta eintritt. Er sieht angestrengt aus, aber als er mich erblickt, weicht jegliche Spannung aus seinem Gesicht. Peeta setzt sich in den Sessel neben mir, und meint: "Atropos ist ziemlich anstrengend. Wollte alle Details aus unseren Spielen kennen. Aber sie kommt mir viel freundlicher vor als ihr Großvater."
Ich nicke, aber stelle fest: "Mir gefällt irgendetwas an ihr nicht. Sie hat mich und Jade belauscht, glaube ich. Und letztendlich müssen wir uns für einen Tribut entscheiden, der gewinnt. Es bringt nichts, zweien Mentorengeschenke zu schicken. Nicht beide können siegen, so etwas wie unseren Sieg wird Paylor nicht zulassen. Vor allem nicht, wenn sie so rachsüchtig ist.
Jade ist ein so nettes Mädchen, die hat viel durchgemacht. Ihre Schwester ist behindert. Also..."
"Fragst du mich, meine Tributin im Stich zu lassen? Sie mag zwar ihre dunklen Seiten haben, aber hat die nicht jeder? Das kannst du nicht von mir erwarten!", dröhnt Peeta. Er steht auf, sagt, sich ein anderes Zimmer zu suchen.
"Nein, Peeta, warte! So habe ich das nicht gemeint! Ich wollte nicht...", rufe ich ihm hinterher. Aber Peeta hat bereits das Zimmer verlassen. Und ich bin wieder alleine. Wie schaffe ich es nur, alle meine Freunde sich von mir abkehren zu lassen? Ich muss mit Peeta reden, sofort. Denn sonst schaffe ich es nicht, diese verdammten Spiele durchzustehen. Ich stehe auf und renne zum nächsten Wachen, um zu fragen, in welches Zimmer er gegangen ist. Er antwortet Zimmer 124, welches nur zwei Gänge entfernt ist. Also renne ich, bis ich atemlos vor der Tür stehe. Ohne zu klopfen trete ich ein, aber das, was mich erwartet, verschlägt mir den Atem.

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Hallöle mal wieder!
Endlich ist das neue Kapitel da, und auch wenn es lang und etwas langweilig ist, hoffe ich, es gefällt euch.
Allen, die noch Ferien haben, noch schöne restlichen freien Tage und nochmal vielen Dank für eure Unterstützung.
Annika:)

Tribute von Panem 4Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang