8. Kapitel

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Zweige brechen unter dem Gewicht meines Körpers. Knick, knack, knick. Bestimmt verjage ich alle Tiere im Umkreis von 100 Metern, aber es ist mir egal. Einfach nur weg hier, immer weiter.
Etwas Nasses rinnt an meiner Wange herunter. Erst jetzt merke ich, dass ich weine. Die Tränen laufen weiter und weiter, wollen gar nicht mehr aufhören, so stark, dass ich fast nichts mehr erkenne außer Umrissen.
Trotzdem renne ich weiter. Ich habe meinen besten Freund verloren. Ist es meine Schuld? Nein! Er ist es, der arrogant und beleidigend wurde. Ich bin nur die, die gegangen ist. Ob ich ihm jemals seine Worte und Taten verzeihen werde? Ich glaube nicht.
Weiter Rennen. Nicht Nachdenken. Das Adrenalin spüren, das durch meinen Körper rast. Bis ich nicht mehr kann, oder bis ich das Ende der Welt erreicht habe.

Doch soweit komme ich nicht, denn nach wenigen Minuten knalle ich mit etwas Größerem zusammen. Schmerz pulsiert durch meine Adern, als ich mich dem Hindernis zuwende. Peeta.
"Katniss, ich...Was ist los?", fragt er mich, vermutlich, weil mein Gesicht aufgequollen und rot aussieht.
Ich kann ihm nicht in die Augen sehen. Nicht, nachdem ich ihn verlassen habe, um mit Gale zu reden, der Peeta dann beleidigt hat. Auch, weil ich immer noch Gales aufdringlichen, ungewollten Kuss auf meinen krustigen Lippen spüre. Es ist nicht so, dass er mir gefallen hätte, ich fühle mich nur so...beschmutzt und habe das Gefühl, Peeta betrogen zu haben. Obwohl nicht ich es war, die jemanden fast zwingend geküsst hat.
"Ich habe mit Gale geredet, aber er... er hat dich beleidigt... und mich...gegen meinen Willen ge-geküsst.", stoße ich zwischen mehreren Schluchzern hervor.
Ich merke, wie Peeta zusammenzuckt, er war auf meine Worte nicht vorbereitet. Doch nach wenigen Sekunden der Stille fasst er mich an meine Oberarme und drückt mit seiner rechten Hand mein Kinn hoch. Jetzt habe ich keine andere Wahl mehr als ihm in die Augen zu schauen.
"Katniss, du weißt, dass ich immer dein Freund bleiben werde. Du bist die großartigste, umwerfendste Person, auf die ich je gestoßen bin, und niemand, wirklich niemand hat das Recht etwas mit dir gegen deinen Willen zu tun. Und sollte so etwas noch einmal passieren, werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um dir zu helfen. Darauf kannst du dich verlassen. Du bist nicht allein."
Er schaut mich mit seinen blauen Augen, die so weit und schön wie das Meer sind, verständnisvoll und doch sehr bestimmt, an. In diesem Moment kann ich einfach nicht anders, als ihm zu glauben. Alles wird gut werden.
Gleichzeitig bin ich von seinen Worten, wie umwerfend ich sei, mal wieder aus der Bahn geworfen.
Deshalb möchte einfach kein Wort aus meinem Mund kommen, und statt etwas zu erwidern, entschließe ich mich, ihn zu umarmen.
Nachdem ich für wenige Momente seine warmen Arme an meiner Schulter gespürt habe, werde ich abrupt aus diesem Ort der Zuversicht gerissen. Peeta hat sich mit geweiteten Augen von mir gelöst und steht zitternd mit einem unkontrollierten Blick vor mir.
"Peeta, was ist los?", frage ich ihn. Ich strecke meine Hand nach seinem Ellbogen aus um ihn zu beruhigen, doch statt wie erwartet den Grund für seine Panik erklärt zu bekommen, knurrt er: "Katniss, geh weg! Bring dich in Sicherheit!"
Zuerst bin ich verwundert, weshalb, doch dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Er hat einen Anfall! Wie konnte mir das nur nicht einfallen? Peeta erkennt immer, was los ist, und versucht mich zu beruhigen, und ich? Ich sehe es nicht mal, wenn er einen Anfall kriegt.
Ich denke gar nicht daran, Peetas Worten zu gehorchen. Ich muss ihm helfen, irgendwie. Wie oft hat er mich schon beruhigt. Peetas Körper zuckt wie eine Marionette, und ich weiß nicht, wie ich ihm helfen kann. Da entschließe ich mich dazu, das Einzige zu tun, was ich außer Bogenschießen noch halbwegs beherrsche. Singen.
"Auf dieser Wiese, unter der Weide, ein Bett aus Gras, ein Kissen wie Seide..." Nachdem die ersten Töne aus meinem rauen Rachen hervorgebrochen sind, klappt es immer flüssiger. Peeta scheint sich langsam zu beruhigen, und nach einer Weile zucken seine Arme und Beine fast nicht mehr. Erschöpft fällt er neben mir auf den Boden, und ich setzte mich, immer noch leise summend, neben ihn.
"Aber Katniss, warum bist du denn nicht...", stößt Peeta hervor, doch ich unterbreche ihn mit einem "Schhh".
Nichts darf die entstandene Harmonie stören. Ich lege seinen Kopf in meine Knie und fange an, seine blonden Strähnen aus seinem Gesicht zu streichen.
Die Sonne bricht durch die Baumkronen, und die Blumen um mich herum blühen in allen erdenklichen Farbtönen.
Es ist so ruhig und friedvoll, dass ich fast vergesse, weshalb Peeta und ich hier sitzen. Nie hätte ich gedacht, dass ich ihn und nicht er mich hätte beruhigen müssen. Am liebsten möchte ich diesen Moment nie vergessen und immer in ihm leben können.
Doch das ist natürlich unmöglich, und nachdem Peeta und ich mehrere Stunden dort gelegen haben, gehen wir schweigend nach Hause.
Nachdem wir das Dorf der Sieger betreten haben, werden wir plötzlich aus unseren Träumen und Wünschen gerissen.
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Warum wohl?
Leider hat das Kapitel etwas länger als erwartet gebraucht, aber dafür ist es auch länger geworden. Nächste Woche werde ich wieder Zeit für meine FF haben und das nächste Kapitel hochladen.
Eure Annika:)

Tribute von Panem 4Where stories live. Discover now