Total verschlossen

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POV Timi

Ich dachte noch mehrere Tage später über den Telefonsex mit Lukas nach und die Idee, zusammen zu ziehen. Irgendwie wäre es ja schon...cool. Wir waren mittlerweile seit Längerem zusammen und ich war bereit, meiner Familie von meiner Beziehung zu berichten. Lukas war wieder in Berlin und ich fühlte mich etwas alleine in meinem Haus in Bielefeld. Natürlich gab es schon mehrere Fotos von uns als Pärchen, jedoch hatte ich die noch nicht öffentlich gemacht. Wenn Basti schon so gechillt reagiert hatte, wieso sollte dann meine Familie ein Problem damit haben? Ich rief meine Mutter an, um mich selber zum Mittagessen einzuladen. Auf dem Weg dorthin wurde ich immer nervöser – das war doch meine Familie, die mich immer unterstützt hat! Jedoch hatte ich weder mit meinen Brüdern, noch mit meiner Mutter und meinem Stiefvater über sexuelle Orientierung geredet – ich dachte ja nie, dass sich diese bei mir ändern könnte. Ich parkte vor dem Haus meiner Eltern und schaltete den Motor aus. Jetzt komm, mach schon! Forderte ich mich selber auf. Ich stieg mit einem Seufzen aus und ging durch die angelehnte Tür ins Haus, wo mich sofort der Duft von Mamas Essen empfing.

„Hallo, mein Schatz! Das ist ja eine schöne Überraschung! Wie geht's dir?", fragte mich meine Mutter und umarmte mich.

„Sehr gut, um ehrlich zu sein."

„Komm, setz dich. Deine Brüder sollten auch bald da sein." Ich tat, wie mir gesagt wurde und spielte mit einer Gabel rum, bis meine Brüder sich auch mal blicken ließen. Ich umarmte die beiden und wir setzten uns. Es war erstmal kurz Stille – wahrscheinlich war das meine Schuld, da ich immernoch versuchte, die nächsten Sätze, die ich sagen würde, zusammen zu bauen. Hardy spielte mit seinem Handy und ich wartete darauf, dass jemand die Stille unterbrach. Ich zündete mir eine Zigarette an, was nicht annähernd so beruhigend wirkte, wie ich erhofft hatte.

„Und? Was gibt's neues bei dir, Tim?", fragte mich endlich Luis. Ich schluckte, schaute auf meine Beine und rieb meine nassen Hände an der Jeans ab. Ich nahm meine Brille ab und putzte sie so gut es ging an meinem Hemd. Als ich sie wieder aufsetzte und hochschaute, merkte ich, dass alle mich erwartungsvoll anschauten.

„Ich....hab schon Neuigkeiten. Also, ich...bin in einer neuen Beziehung." So, der erste Teil war raus. Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht meiner Mutter aus und sie legte ihre Hand auf meine.

„Das ist doch toll, Tim. Wie heißt sie denn?" Scheisse. Sollte ich meine Familie anlügen? Nein, das war es nicht wert. Ich biss mir auf die Lippe. Während ich mir den Kopf zerbrach, ergriff Luis das Wort.

„Mann, Tim, jetzt sagt schon! Wir sind deine verdammte Familie – uns kannst du noch am ehesten vertrauen." Ich knackte meine Finger und hob den Kopf. Luis trommelte mit der Gabel an sein Glas.

„Es ist kein Mädchen, sondern ein Mann. Genauer gesagt, es ist Lukas. Wir haben uns vor einer Weile ineinander verliebt und sind seit vier Monaten zusammen. Also, ich bin...schwul?" Endlich. Stille. Wieso kam letzteres eigentlich als Frage raus?

„Ähhh...Seit wann bist du...wie..?", fragte Hardy nach einer Weile.

„Mir ist es erst mit ihm bewusst geworden, vor ein paar Jahren sogar, wo ich noch mit Frauen zusammen war, aber ich glaube...also ich weiß, dass ich auf Männer stehe." Nun ergriff meine Mutter das Wort und legte ihre Hand auf meine.

„Das ist doch gar kein Problem, Tim. Ich bin froh, dass du uns das gesagt hast. Lukas ist ein netter Junge. Aber warum erst jetzt?" Ich zuckte die Schultern.

„Ich hätte echt nie gedacht, dass Lukas auf Männer steht", meinte Hardy beiläufig.

„Ich weiß auch nicht, das Ganze hat sich irgendwie ergeben und wir sind sehr glücklich", war meine nun etwas selbstbewusstere Antwort.

„Das freut mich! Und ich will, dass du weißt, dass wir dich immer lieben werden, egal was ist", meine Mutter kam zu mir her und umarmte mich. Endlich war es raus! Und es wurde auch noch positiv aufgenommen – auf eine bessere Reaktion hätte ich gar nicht hoffen können.

POV Lukas

Ich war mittlerweile wieder in Berlin und wartete ungeduldig auf eine Nachricht von Tim, um zu sehen, wie das Ganze mit der Familie lief. Es war schon seltsam, dass man in unserem Alter so ein coming out hat. Irgendwie kam ich mir – und Timi vor allem – zu alt dafür vor. Sowas passierte doch eigentlich nur während der Pubertät. Ich wurde immer ungeduldiger, sodass ich mir meine Gitarre schnappte und etwas rumklimperte. Eine halbe Stunde später hatte ich Gute Bekannte fertig geschrieben. Ich wurde etwas zappelig – Tim schaffte es immer, mich zu beruhigen, dehalb fiel es mir schwer, ohne ihn still zu sitzen. Wir hatten vor kurzem Telefonsex. Die Gedanken daran halfen mir, mich auf etwas anderes als Timi's nicht-schreiben zu fokussieren. Es war schon krass, wie wir das angestellt hatten. Auch wenn es anfangs ziemlich improvisiert und ja, fast unschuldig war, fand ich, dass wir das Ganze relativ gut in Angriff genommen hatten und es ziemlich schnell ziemlich heiß wurde. Es war schon erstaunlich, wie gut das alles zwischen uns lief. Ich wartete eigentlich fast auf schlechte Nachrichten, irgendetwas Negatives, das die Stimmung kaputt machen würde. Normale Beziehungen verlaufen doch auch nicht ohne Probleme. Dass wir uns nur einmal in der Woche oder nur alle zwei Wochen sahen,schien uns ganz gut zu tun. Auch wenn wir in einer Band zusammen waren, gingen wir uns dann nicht auf die Nerven, weil wir eben diese Distanz hatten. Ich entschied mich, Tim zu schreiben – er war eh schlecht in solchen Sachen, als Erster zu schreiben, anzurufen, oder überhaupt was zu machen.

L: und? Wie lief's?

Als ich eine halbe Stunde später immernoch keine Antwort bekam, entschloss ich mich, was zu Essen zu machen.

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Titel: Total Verschlossen - SDP

Wie gefällt es euch denn? Gibt es irgendwelche Wünsche? Ich hab noch vier oder so Kapitel auf Lager, dann gehen mir langsam die Ideen aus.


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