Ich blieb still. Er wollte mich verunsichern — und ich würde ihm diesen Luxus nicht geben.
„Beschwerden? Von wem?"
„Das spielt keine Rolle", antwortete er sofort. Also... hatte er sich das ausgedacht. Oder hoffte, ich würde es nicht hinterfragen. Ich verschränkte meine Hände auf dem Tisch. „Es spielt eine große Rolle, wenn es meine Arbeit betrifft." Er ignorierte den Satz. „Ich möchte, dass Sie sich an das Memo halten," sagte er scharf. „Keine weiteren Schritte. Keine neuen Verantwortungen. Keine Anpassungen. Bis ich persönlich zustimme."

„Sie haben gestern eine Zustimmung erhalten," erinnerte ich ihn ruhig. „Von der Geschäftsführung. Vom CEO. Von HR." Sein Lächeln verschwand vollständig. „Sie spielen mit Feuer, Frau Ruiz Ballesteros." Ich hob leicht den Kopf. „Ich setze um, was vereinbart wurde."

Er beugte sich vor. Zu nah. Zu bewusst. „Ich gebe Ihnen einen Rat", sagte er leise. „Ein gut gemeinter Rat. Halten Sie sich zurück. Sie sind neu. Sie sind unerfahren. Und wenn Sie versuchen, schneller zu laufen, als Sie sollten..." Eine Pause. Eine drohende Stille. „...werden Sie fallen."

Ich schluckte — aber nicht aus Angst. Aus Wut. „Und wenn ich mich zurückhalte", antwortete ich genauso leise, „fallen drei Mitarbeiter, die es nicht verdienen." Seine Augen wurden schmal. „Sie nehmen das zu persönlich."
„Sie nehmen es gar nicht persönlich," sagte ich. „Und genau da liegt das Problem."

Er richtete sich auf. Sein Kiefer mahlte. „Ich warne Sie ein letztes Mal."
Ich stand auf. Langsam. Bewusst. Wir waren fast gleich groß — aber in diesem Moment fühlte ich mich größer.
„Ich brauche Ihre Warnungen nicht," sagte ich ruhig. „Ich brauche Ihre Kooperation."

Er lachte — kalt, spöttisch, abwertend. „Ich werde sicher nicht zulassen, dass eine Managerin, die seit fünf Monaten im Unternehmen ist, meine Entscheidungen infrage stellt."
Ich hob das Kinn. „Dann müssen Sie wohl lernen, damit zu leben."

Er machte einen Schritt zurück, überrascht von meiner Härte. Einen Moment lang wusste er nicht, was er sagen sollte. Dann fasste er sich und fauchte: „Sie übertreiben Ihre Rolle, Frau Ruiz Ballesteros."

„Nein," sagte ich leise, „ich erfülle sie." Er stand noch einen Moment da. Wütend. Machtloser als er aussehen wollte. Dann öffnete er die Tür. „Wir sprechen später weiter," presste er hervor. „Und dann... sehen wir, ob Sie immer noch so überzeugt sind."

Ich lächelte. Ein trockenes, scharfes, gefährlich ruhiges Lächeln. „Ich bin überzeugt. Jetzt und später." Er schloss die Tür hinter sich. Hart. Nicht laut — aber hart. Ich atmete lange aus. Mein Herz schlug wie ein kleiner Trommelwirbel. Meine Hände zitterten ein wenig.

Ich stand noch immer an meinem Schreibtisch, meine Finger leicht zitternd über der Tastatur, als würde mein Körper erst jetzt begreifen, was gerade passiert war. Der CFO hatte versucht, mich kleinzureden. Mich zu verunsichern. Mich einzuschüchtern. Und obwohl ich meine Haltung gehalten hatte, fühlte ich unter der Oberfläche ein Echo von Wut und Herzrasen.

Da öffnete sich die Tür erneut — diesmal mit einem eindeutigen, selbstbewussten KLACK. Héctor.

Und allein sein Gesichtsausdruck ließ mich ahnen, dass Clara schneller war als ich. Seine Augen suchten meine — blitzscharf, dunkel, fassungslos. „Nira," sagte er, „ist es wahr?" Ich war überrascht, wie ruhig seine Stimme klang. Dieses „Ruhe vor dem Sturm"-ruhig. „Was genau meinst du?", fragte ich vorsichtig. Er trat näher, schloss die Tür hinter sich und verschränkte die Arme, wobei seine Kiefermuskeln arbeiteten wie ein aufziehender Motor. „Der CFO war hier," fauchte er. „Alleine. Ohne Termin. Und hat versucht, dich einzuschüchtern." Ich öffnete den Mund — aber er hob die Hand. „Sag's nicht. Ich weiß, dass es wahr ist. Man hat seinen peinlichen Abgang im halben Flur gehört."

Ich wollte lächeln, aber noch ehe ich etwas sagen konnte, brach der Sturm los. „Dieser Typ... dieser arrogante, zahlenbesessene, empathielose..." Er rang nach Worten — selten bei Héctor — und schnaubte dann gefährlich. „...hat ERNSTHAFT geglaubt, er könnte dich einschüchtern? Dich?!" Ich hob die Hände leicht. „Héctor—"

„NEIN," sagte er scharf. „Ich werde kurz laut. Lass mich kurz laut sein." Ich lehnte mich zurück. Er war nicht wirklich wütend auf mich — er war wütend für mich. Wie ein Beschützer, der merkt, dass jemand seinen Welpen schubsen will. „Der CFO ist genau das, was passiert, wenn sich Zahlen ohne Menschlichkeit vermehren," fuhr er fort. „Ein wandelnder Taschenrechner mit Ego." Ich musste lachen. Leise, aber echt. „Héctor, beruhig dich—"

„Nein! Ich beruhige mich später!" Er stützte sich auf meinen Tisch, beugte sich zu mir herunter. „Er hat keine Ahnung, mit wem er sich anlegt. Du bist der Grund, warum dieses Unternehmen seit Wochen nicht implodiert ist. Du. Nicht er. Und ganz sicher nicht seine verdammten Memos, die er morgens um acht rumschickt wie ein gelangweilter General." Ich hob eine Augenbraue. „Wie hast du das Memo gefunden?"

„Es lag im Druckerraum," sagte er. „Ich hab's gesehen, es laut vorgelesen und dann laut gelacht." Ich gluckste. „Natürlich hast du das." Er richtete sich auf, fuhr sich durchs Haar und sagte dann mit dieser tiefen, gefährlich ruhigen Stimme: „Hör mir jetzt gut zu, Nira Ruiz Ballesteros."

Ich blickte zu ihm auf. Er sah mich an, als wäre ich ein Soldat vor einer Schlacht. „Wenn der CFO noch EINMAL versucht, dich zu übergehen, zu manipulieren oder zu demütigen — gehe ich persönlich zum CEO. Und dann fliegt dieser Mann schneller aus seinem Stuhl, als er ‚Restrukturierung' sagen kann." Meine Augen weiteten sich.
„Héctor—"
„Nein. Hör zu." Er beugte sich wieder vor, diesmal langsamer, gewichtiger. „Du hast für dein Team gekämpft. Du hast mutig gehandelt. Du hast Respekt verdient. Und du bekommst ihn — ob der CFO will oder nicht." Ich schluckte. Wieder dieses kleine, gefährliche Brennen in den Augen. „Ich weiß, dass du stark bist," sagte Héctor, etwas leiser. „Aber stark bedeutet nicht, dass du alleine kämpfen musst." Ich sah ihn an. Wirklich sah ihn an.

„Der CFO hat dich offen bedroht. Leise, aber klar. Er hat versucht, dich einzuschüchtern, er hat gegen die Abmachungen verstoßen, er hat versucht, eine Führungskraft zu sabotieren, die gerade ein hochsensibles Projekt leitet. Und damit," er machte eine kleine Pause, die schwerer war als ein grollender Donner, „hat er seinen größten Fehler gemacht." Héctor trat näher, stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch, damit unser Blick sich auf Augenhöhe traf.

„Er hat es PERSÖNLICH gemacht. Und persönliche Angriffe... lassen sich am besten beruflich kontern."

Ich schnaubte ein leises Lachen.„Héctor, das klingt wie ein Mafia-Spruch."
„Ich weiß," sagte er stolz. „Aber ein guter."

Und erkannte in seinem Blick etwas, das ich am Anfang nie vermutet hätte: Vertrauen. Respekt. Verbundenheit.
„Danke," sagte ich leise. „Danke, dass du auf meiner Seite bist."
„Ich bin nicht auf deiner Seite," sagte Héctor.
Ich blinzelte. „Nicht?"
Er lächelte schmal, hart, aber warm. „Ich bin auf der richtigen Seite. Und es ist Zufall — oder Schicksal — dass du dort stehst."

Ich musste leise lachen. Er schnaubte. „Und noch was."
„Ja?"
Er zeigte mit dem Finger auf meinen Schreibtisch. „Wenn der CFO nochmal unangekündigt reinkommt — schick mir eine Nachricht."
„Warum?", fragte ich.
„Damit ich reinkommen kann," sagte er grimmig, „und dir dabei helfen, ihn verbal in den Boden zu rammen."

Ich brach in Lachen aus. Ehrliches, befreites Lachen. Er nickte zufrieden. „Gut. Das wollte ich hören." Dann ging er zur Tür, öffnete sie — drehte sich aber noch einmal um. „Nira?"
„Hm?"
„Er unterschätzt dich," sagte er ruhig.
„Und das macht ihn gefährlich.
Aber es macht dich stärker.
Mach weiter."

Ich nickte. „Ich mach weiter."
„Gut," sagte er. „Dann können wir nächste Woche zusammen sehen, wie wir ihn endgültig ausmanövrieren."

Und dann ging er. Die Tür fiel ins Schloss. Ich atmete aus — und fühlte mich plötzlich nicht mehr wie eine Frau gegen einen CFO. Sondern wie eine Frau, die nicht allein im Kampf stand.

Es war später am Nachmittag, die Büroluft langsam schwer von zu vielen G Meetings und zu wenig Sauerstoff, als ich endlich meinen Stuhl zurückschob und für einen Moment nur aus dem Fenster starrte. Mein Kopf war voll — zu voll — und die Szene mit dem CFO spielte immer wieder in Schleife: sein abwertendes Lächeln, die unterschwellige Drohung, dieses „Fallen Sie nicht", das so viel mehr bedeutete als jedes offene Urteil.

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