bitte sag, dass du an mich denkst

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Ich wollte nicht an einen Mann denken, der tausende Kilometer entfernt war. Einen Mann, der so viel Chaos in mir auslöste, dass ich schon wieder nachts wachlag und sein schlafendes Gesicht auf meinem Display betrachtete.

Ich wollte ihn hinter mir lassen. Ich musste ihn hinter mir lassen.

Doch jedes Mal, wenn er sich meldete — jedes leise „Nira?", jedes betrunkene „Ich vermisse dich" — brach etwas in mir ein kleines Stück weiter auf. Weil es nicht fair war. Nicht für ihn, nicht für mich.
Weil ich tief drin wusste, dass es nicht einfach ein „hier"-Ding gewesen war. Nicht für ihn. Und wenn ich ehrlich war... vielleicht irgendwann auch nicht für mich.

Aber ich durfte das nicht zulassen. Nicht, wenn mein Leben hier war. Nicht, wenn seine Welt dort war.
Nicht, wenn die Entfernung Fäden spannte, die irgendwann zu reißen drohten und uns beide zerstören würden.

Ich atmete langsam durch und legte das Handy beiseite, als wäre es eine Granate, die jeden Moment erneut hochgehen könnte. „Du musst ihn loslassen", flüsterte ich zu mir selbst. „Du musst."

Doch in meinem Brustkorb klang es mehr wie eine Bitte als wie eine Entscheidung. „Gott, Jinyoung... warum machst du es mir so schwer?", murmelte ich in die Dunkelheit. Um 5 Uhr morgens gab ich auf. Ich war hellwach, trotz der Müdigkeit, die wie Sand auf meinen Knochen lag. Ich zog eine alte Jogginghose an, band mir die Haare hoch und schlich ins Wohnzimmer des Nebenhauses.

Kaum Möbel, viel leere Fläche, aber Mateo hatte bereits die royalblauen Farbtöpfe gebracht, die ich wollte. Tief, kräftig, beruhigend – fast wie der Nachthimmel an Jinyoungs Lieblingsplatz. Hör auf. Ich schüttelte den Gedanken ab. Ich öffnete den Farbtopf, rührte kräftig durch und begann zu streichen. Der Duft von Farbe erfüllte den Raum, die kalte Wand wurde langsam zu einem satten Blau. Der gleichmäßige Rhythmus des Rollers beruhigte mich. Es war fast meditativ – streichen, atmen, denken, nicht denken.

Ich war gerade bei der zweiten Bahn, als ich Schritte hörte und Elly im Türrahmen erschien, in ihrem Pyjama, die Haare zerzaust. „Nira?" Ihre Stimme war heiser vor Schlaf. „Warum... streichst du bitte um fünf Uhr morgens Wände?"

Ich zuckte zusammen, versuchte, so beiläufig wie möglich zu wirken. „Jetlag. Ich konnte nicht schlafen. Also dachte ich, ich mach was Produktives." Elly verschränkte die Arme und sah mich an wie eine Mutter, die genau wusste, dass ihr Kind lügt. „Aha. Jetlag. Und du streichst royalblau, als wärst du im Heimwerker-Modus einer Midlife-Crisis."

Ich biss mir auf die Lippe. Natürlich ließ sie nicht locker. „Nira." Ein einziger Name, weich und besorgt.

Ich legte die Farbrolle ab, senkte den Blick. „...Jinyoung hat mich angerufen." Elly seufzte leise, trat näher und stützte sich mit der Schulter gegen den Türrahmen. „War's schlimm?"
„Er war betrunken. Er hat gesagt, dass er mich vermisst und alles hasst ohne mich..." Ich rieb mir die Stirn. „Und ich... Ich wollte ihn doch hinter mir lassen, Elly. Es war doch so abgemacht." Meine Stimme brach fast. „Und jetzt stehe ich hier und streiche Wände, weil ich das Gefühl habe, sonst zu... zu zerplatzen."

Elly trat zu mir, nahm mir die Farbrolle aus der Hand und stellte sie zur Seite.
Dann zog sie mich in eine Umarmung.
„Nira... du bist nicht aus Stein. Klar tut es weh. Ihr wart wichtig füreinander." Sie hielt mich noch enger.
„Aber du musst nicht alles heute herausfinden. Und du musst nicht alleine streichen, nur weil ein Mann auf der anderen Seite der Welt betrunken 'ich vermisse dich' sagt."

Ich lachte kurz, erschöpft. „Ich wollte ihn nicht verletzen."
„Ich weiß."
Elly löste sich ein Stück. „Aber du darfst dich selber auch nicht verletzen." Ich atmete tief durch. Die Farbe roch plötzlich intensiver. Oder war das einfach nur die Schwere in meiner Brust? „Komm", sagte Elly sanft. „Wir streichen zusammen weiter. Und danach machen wir Kaffee. Und dann überlegst du in Ruhe, was du willst. Nicht, was du musst."

The way that I'm addicted is specificWhere stories live. Discover now