- ◦ ● ◦ - Chapter 35 - ◦ ● ◦ -

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Das Auto kommt rollt die letzten Meter, bevor es zum Stand kommt. Wir öffnen die Tür und treten auf den Asphalt. 

Gemeinsam beobachten wir Alexander, wie er zögernd an der Tür klopfte, und als er das Zeichen bekam, eintrat. Die neutrale Stimme der Gräfin erklingt um den Ecken. 

Als sie ihren Bruder erkannte, weiteten ihre Augen sich sofort. Sie stand auf und schloss ihn in ihre Arme. 

Leise treten wir wieder aus dem Zimmer, und geben den Geschwistern einen Moment. 

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Die Reise zurück ist schneller gekommen als gedacht. Nun stehe ich vor meinem Spiegel und halte das Kleid, welches ich am Sommerball trug, in meinen Händen. Liana und Mailin schminken sich noch, ich fing zum Glück etwas früher an, damit ich nicht in den Stress gerate.

"Das Kleid ist echt hübsch. Das muss man dir lassen." Sagt Mailin zu mir, während sie mit der Wimpernzange ihre Wimpern nach oben biegt. 

Ich grinse leicht und ziehe mich um. Der Dunkelblaue Stoff fällt zu Boden und ich zupfe die letzten Falten weg. 

"Was ist jetzt eigentlich bei dir und Peter?" Fragt Mailin plötzlich und legt den Lockenstab ab. 

"Ich weiss es nicht genau." Gebe ich zu und Liana steht auf.

"Also zwische euch ist definitiv nicht nichts." Sagt sie bestimmt und drückt ein paar Haarnadeln in meinen Dutt, um die losen Haare hochzustecken. 

"Ihr habt euch ja schon geküsst." Fügt Mailin hinzu, und ich muss grinsen.

"Ehrlich gesagt, habe ich ihn schon vor dem Kuss im See mal geküsst." 

Die beiden schauen mich mit einem entsetzten Grinsen an - wenn das überhaupt möglich ist.

"Wann??" Stürmt Liana und ich erzähle die kurze Geschichte in der Höhle. 

"Aber immer wieder seit ihr und die anderen Jungs dazwischen gekommen. Darum weiss ich irgendwie immer noch nicht was läuft." 

Die beiden schauen sich nachdenklich an, dann greift Liana nach ihrem Handy. Mailin steht auf und legt ihre Hände auf meine Schultern. 

"Dann musst du es heute Abend heraus finden." 

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Die Reifen quietschen in der Einfahrt von unserem Haus und wir stehen auf. Schnell greife ich nach meinem Handy und packe es in die Tasche von Mailin.  

Gemeinsam laufen wir die Treppe hinunter und ich öffne die Haustür. Vor uns stehen die drei Jungs - Justus, Peter und Bob - gekleidet in Anzügen. Justus streckt seine Hand Liana entgegen, welche sie mit einem Lächelnentgegen nimmt. Das Gleiche bei Bob und Mailin. Nur ich und Peter folgen den Vier hinterher.

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Die Begrüssung und das Apero haben wir hinter uns. Nun sind alle Leute ein bisschen Verteilt. Ein paar Leute - wie Tante Mathilda - sprechen mit Steven Yates. Ich, Liana und Mailin stehe etwas abseits mit einem Drink in der Hand.

Ein lautes Lachen reisst mich aus meinen Gedanken. Mailin winkt jemandem quer durch den Saal zu, und Liana zieht sie kurz darauf Richtung Buffet.
"Kommst du?" fragt Mailin über die Schulter.
Ich nicke, doch irgendetwas hält mich zurück. Vielleicht die stickige Luft, das Summen der Gespräche, das zu laute Klirren der Gläser.

"Ich komm gleich nach" sage ich leise.
Die beiden nicken, schon halb abgelenkt von der Musik und dem Stimmengewirr, und verschwinden in der Menge.

Ich atme einmal tief durch. Der Raum scheint sich zu drehen, alles wirkt zu nah, zu warm. Ohne gross nachzudenken, öffne ich eine der Seitentüren, die auf den Balkon führt.

Draussen empfängt mich kühle Nachtluft. Der Himmel ist ein samtiges Dunkelblau, durchzogen von feinen Schleiern aus Wolken. Die Lichter der Stadt flimmern in der Ferne. Ich lege meine Hände auf das Geländer, schliesse kurz die Augen und lasse die Stille auf mich wirken.

Eine Bewegung neben mir lässt mich zusammenzucken. Ich drehe mich um – und da steht er.
Peter.

Er sagt nichts. Nur ein kurzer Blick, ein Heben seiner Schultern, als wolle er erklären, dass auch er einfach frische Luft brauchte. Ich nicke kaum merklich und wende mich wieder der Dunkelheit zu.

Für einen Moment stehen wir einfach da. Zwei Atemzüge, drei. Dann gleitet eine leise Brise über uns hinweg, trägt den Duft von Erlebnissen und Sommer mit sich.

Ich spüre seinen Blick, noch bevor ich ihn sehe. Als ich mich zu ihm umdrehe, hat er denselben Ausdruck im Gesicht, den ich wohl auch trage – diese Mischung aus Unsicherheit, Sehnsucht und einem unausgesprochenen "Jetzt oder nie".

Kein Wort fällt.
Nur ein Schritt – seiner, dann meiner.

Unsere Blicke verhaken sich, und im nächsten Augenblick schliesst sich der Abstand zwischen uns.

Der Kuss trifft uns beide unerwartet und doch vollkommen selbstverständlich. Erst zaghaft, als wollten wir prüfen, ob das hier wirklich passiert. Dann drängender, wärmer, eifriger.

Ich spüre seine Hand an meiner Taille, wie sie mich näher zieht, während meine Finger sich in den Stoff seines Jacketts krallen. Für einen Augenblick verschwinden Geräusche, Lichter, Zeit. Es gibt nur noch diesen Atem, diesen Herzschlag, diesen Kuss, der alles sagt, was Worte nie hätten ausdrücken können.

Der Kuss vertieft sich.
Sein Atem vermischt sich mit meinem, seine Hand liegt fest an meiner Hüfte, die andere wandert langsam in meinen Nacken. Ich spüre, wie sich ein Schauer über meine Haut legt, als seine Finger sich dort verhaken, als wolle er mich nie wieder loslassen.

Ich lehne mich gegen ihn, mein Herz hämmert so laut, dass ich sicher bin, er muss es hören. Der Druck seiner Lippen wird fester, entschlossener – und all die unausgesprochenen Worte, all die Blicke, die wir verdrängt haben, entladen sich in diesem einen Moment.

Ich weiss nicht, wie lange wir uns so küssen. Sekunden, Minuten – es fühlt sich an wie ein Atemzug und eine Ewigkeit zugleich.

Als wir uns schliesslich voneinander lösen, bleibt seine Stirn an meiner.
Wir atmen schwer, keuchen fast, und doch will keiner wirklich Abstand. Seine Hand liegt immer noch an meiner Hüfte, warm, sicher. Die andere streicht langsam aus meinem Nacken über meine Wange, als müsse er prüfen, ob ich wirklich hier bin.

"Das..." Seine Stimme klingt rau, etwas tiefer als sonst. "Das war nicht einfach nur..."
Ich lächle schwach, noch immer atemlos. "Nein."

Einen Moment lang herrscht Stille. Dann weichen seine Augen nicht mehr von meinen.
"Ich hab schon so lange darauf gewartet" flüstert er, kaum hörbar.

Etwas in mir zieht sich zusammen, dieses vertraute Stechen, das immer da war, wenn er mich ansah – nur dass es jetzt anders ist. Ruhiger. Richtig.
"Dann lass es diesmal etwas bedeuten" sage ich leise, meine Finger noch immer an seinem Hemdkragen.

Er nickt kaum merklich, dann zieht er mich erneut zu sich.
Der zweite Kuss ist weicher, bewusster. Kein Zögern mehr, keine Unsicherheit. Nur Wärme, Nähe – und das Gefühl, dass all der Streit, all das gegenseitige Wegstossen uns genau hierher geführt hat.

Als wir uns wieder voneinander lösen, bleibt die Welt still.
Nur der Wind streicht über den Balkon, trägt den Duft des Abends und das Echo unseres Kusses davon.

Peter sieht mich an – dieses Mal ohne Schutz, ohne Spott, ohne Distanz.
"Ich glaub, ich war die ganze Zeit zu dumm, um zu verstehen, dass ich jemand wie dich nicht hassen kann" murmelt er und lächelt schief.

Ich lache leise, fast erleichtert. 

"Du warst nicht der Einzige."


- ◦ ● ◦ -Lautlos verliebt - ◦ ● ◦ -Where stories live. Discover now