122. Kapitel

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Das lässt sich Jo nicht zweimal sagen und beginnt uns die Geschichte von vorne bis hinten zu erzählen. Er erzählt uns von den Nachrichten, dem Streit und wie er weggelaufen ist, wie er schließlich hier gelandet ist.

Als er geendet hat reiben sich Paul und Stephan ungläubig durchs Gesicht und mustern ihn dann.

,,Hast du Hunger? Willst du was trinken?", frage ich ihn, um auch ein Stück weit vom Thema abzulenken. Jonathans Hände zittern inzwischen stark und auch seine Tränendrüse macht keinen so stabilen Eindruck mehr. Er schüttelt den Kopf.

Jonathans Sicht:

Ich bin so froh ihnen endlich gesagt zu haben was passiert ist und ich hoffe wirklich das sie mir helfen werden.

Sophia sitzt immer noch neben mir und drückt unterstützend meine Hand. Sie muss inzwischen bemerkt haben, dass ich zittere wie Espenlaub und den Tränen nahe bin.

Plötzlich sind auf dem Flur laute Stimmen zu hören, als ich sie erkenne kann ich nicht länger an mich halten und die Tränen fließen in Sturzbächen über meine Wangen.

Sophia nimmt mich in den Arm und drückt mich fest an ihre Brust. Natürlich hat sie die Stimmen ebenfalls identifiziert. Bevor irgendjemand etwas sagen oder machen kann stürmen meine Eltern schon das Büro und wettern sofort los.

,,Jonathan, du kannst doch nicht einfach abhauen und dich von der Polizei aufgabeln lassen. Du machst wirklich nur Probleme du nutzloses Kind. Wir müssen arbeiten, aber stattdessen wurden wir hier herbestellt. Wir haben keine Zeit, also los, steh auf und komm endlich."

Ich schluchze noch heftiger an Sophias Brust und versuche einfach mich bei ihr vor den Worten meiner sogenannten Eltern zu schützen. Zum Glück sind Paul und Stephan auch sofort zur Stelle.

,,So, sie beruhigen sich jetzt erstmal etwas und dann können wir in Ruhe reden. So geht das nicht, sie sehen doch wie es ihrem Sohn gerade geht", verteidigt mich jetzt sogar Tom, der hinter meinen Eltern den Raum betreten hat.

Sofort überkommt mich wieder ein Gefühl der Geborgenheit und des akzeptiert werdens. Tom kennt mich nicht und trotzdem verteidigt er mich.

Vielleicht bin ich ja doch liebenswert?

,,Wir beruhigen uns hier ganz sicher nicht. Wir müssen wirklich dringend weiter, wir haben in einer halben Stunde ein wichtiges Treffen. Dem Jungen geht's doch gut. Der soll mal nicht so eine memme sein und seinen Mann stehen. Jonathan los jetzt!" Mein Vater klingt wirklich sauer und ich will die anderen da nicht mit reinziehen, also möchte ich mich dem Willen meiner Eltern beugen und aufstehen, doch eine Hand legt sich auf meine Schulter und drückt mich zurück.

,,Nein, so nicht. Wenn sie wollen können sie gehen. Ihr Sohn bleibt erstmal bei uns, er braucht gerade einiges an Zuwendung und Unterstützung, das können sie ihm scheinbar nicht bieten", bei diesen Worten von Stephan wird mir ganz warm ums Herz.

So muss sich Familie anfühlen...

,,Pff, machen Sie doch was Sie wollen. Jonathan, bei uns brauchst du nicht mehr aufzutauchen, hast ja Leute die sich um dich kümmern. Die wissen doch gar nichts über Erziehung, schaut euch doch mal dieses Häufchen Elend an, dass sich die Freundin von unserem Sohn nennt", setzt meine Mutter einen Schlussstrich, aber der letzte Satz war definitiv zu viel.

Ich will aufspringen und sie für das büßen lassen, aber Stephan ist schneller und hält mich fest.

,,So das reicht. Ich begleite sie gerne hinaus", mischt sich Tom wieder ein und führt die beiden weg. Erleichtert lasse ich mich in meinen Stuhl zurück sinken und atme tief durch.

,,Es tut mir leid. Jetzt habt ihr mich auch noch an der Backe", murmel ich.

,,Hey, schau mich mal an", Paul kniet sich vor mich und ich schaue ihn an.

,,Wenn wir das nicht gewollt hätten, dann hätten wir es auch nicht gesagt. Okay? Wir haben dich die letzten Jahre wirklich lieb gewonnen und freuen uns dir ein liebevolleres Zuhause als das spenden zu können. Du gehörst dazu wie Sophia zu uns gehört, okay? Und wir lassen niemand zurück."

Pauls Worte berühren mich tief und mir Rollen erneut Tränen übers Gesicht.

,,So etwas hat glaube ich noch nie jemand zu mir gesagt..", flüstere ich und lasse mich in Pauls Arme gleiten.

Toms Sicht:

Zusammen mit Marc bringe ich die beiden Unruhe Stifter vor die Wache. Ich weiß zwar nicht was Jonathan Paul und Stephan noch erzählt hat, aber wenn ich mir seine Eltern so anschaue, weiß ich nicht ob ich das überhaupt wissen will.

Wir kehren gerade ins Büro zurück, um noch die letzten Worte von Pauls Rede mitzubekommen.

Als ich sehe wie tief sie Sophias Freund zu berühren scheinen muss auch ich an mich halten. Nach einigen Minuten trennen sich die beiden wieder von einander und Paul lässt sich auf seinem Platz nieder.

Jonathan scheint uns jetzt auch bemerkt zu haben.

,,Danke. Euch allen."

,,Kein Problem, dafür ist Familie da", antworte ich.

,,Wir haben in einer halben Stunde Feierabend, ihr könnt gerne warten und dann können wir zusammen nach Hause fahren.", wirft Stephan ein. Sophia und Jo stimmen ihm zu.

,,Wenn ihr wollt könnt ihr auch gerne vorbei kommen. Dann kann Jo euch ein bisschen besser kennenlernen", schlägt Paul vor.

,,Von mir aus gerne, ich hab nichts vor", entgegnet Marc.

,,Ich bin auch dabei, wir müssen wieder auf Streife, wir treffen uns dann bei euch", verabschieden wir uns und verlassen die Wache wieder.

Wir sind keine fünf Minuten gefahren als und ein Funkspruch erreicht.

VUP an der Kreuzung zum "Reichenviertel" wie wir es gerne nennen. Zum Glück ist das nicht weit und wir treffen zeitgleich mit dem RTW und dem NEF am Unfallort ein. Ein BMW ist gegen einen Laternenmast gefahren.

Die Insassen sind beide bewusstlos. Marc und ich machen uns dran die Unfallstelle abzusichern und den Verkehr umzuleiten, während das Medizinische Fachpersonal die Verletzten behandelt.

Ich habe Flo, Dustin, Alex und Franco erkannt. Plötzlich ruft mich Alex zu sich.

,,Schau mal was ich gefunden habe." Er drückt mir die Ausweise in die Hand und ich erstarre.

Das kann doch nicht sein.
Bitte nicht.

Ich schaue Alex vielsagend an und er nickt.

Scheiße.

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Wer ist noch dabei?

Hab euch alle lieb ;-)

(Asds) Von der Glücklichen Familie zum WaisenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt