113. Kapitel

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Nachdem Jo mich leider erfolgreich abgewimmelt hat, widme ich mich doch widerwillig meinem Buch. Da ich schon ziemlich müde bin, bekomme ich allerdings nicht mehr viel mit und schlafe kurz darauf ein.

Als ich am morgen aufwache liegt Jo noch schlafend neben mir.

Erschrocken stelle ich fest, dass wir ja erst Donnerstag haben und in die Schule müssen. Mit einem Blick auf den Wecker versichere ich mich, dass wir nicht verschlafen haben. Es ist erst viertel vor sechs, glück gehabt.

Sonst hätten uns die anderen doch schon geweckt, geht es mir durch den Kopf und ich schüttle ihn über mich selbst.

Ich beobachte Jo einige Zeit nachdenklich, als ein Handy auf dem Nachttisch aufleuchtet. Es ist sein und er hat eine Nachricht bekommen.

Wer würde ihm denn um diese Uhrzeit schreiben? Und vorallem was? Einige Minuten liege ich einfach nur da und denke nach. Sollte ich nachschauen?

Er hat mir gestern ausdrücklich gezeigt, dass er nicht möchte, dass ich sein Handy sehe. Aber anderseits hatte er nie ein Problem damit.

Ich entscheide mich schließlich dagegen und versuche leise das Bett zu verlassen, schließlich müssen wir ja eigentlich erst in einer halben Stunde aufstehen.

Nachdem ich mich im Bad fertig gemacht habe, begebe ich mich in die Küche und bekomme einige schräge Blicke zugeworfen.

Ja, eigentlich stehe ich erst kurz bevor wir gehen müssen auf, aber ich konnte es heute einfach nicht ertragen, länger neben meinem Freund zu liegen.

Ich setze mich mit einer Schale Müsli und der Milchpackung, die ich mir aus dem Kühlschrank geangelt habe an den Tisch.

Kurz bevor ich die Milch in die Schale gießen kann, wird sie mir aus der Hand gerissen.

,,Hey, was soll das?", schnauze ich die Person an. Ich drehe meinen Kopf in die Richtung und erkenne Phil.

,,Ich kann darauf verzichten dich ein zweites mal wegen deiner Laktoseintoleranz zu sedieren. Du hast die falsche Milch genommen", erklärt er mir etwas verärgert.

Schon in diesem Moment weiß ich, dass ich mich entschuldigen sollte. Immerhin können sie nichts für meine schlechte Laune und ich kann mir nicht vorstellen, wie es für Phil gewesen sein muss. Ich blicke also entschuldigend auf.

,,Sorry, hab gar nicht drauf geachtet. War wohl in Gedanken. Danke für die Rettung." Er streicht mir durch die Haare und lächelt.

,,Schon gut kleine, dafür sind wir ja da." Sein lächeln bekommt einen selbstgefälligen Zug. Ich verdrehe die Augen und beginne, jetzt mit der richtigen Milch, mein Müsli zu essen.

Exakt eine dreiviertel Stunde später kommt Jo bestens gelaunt die Treppe heruntergesprungen.

Ich habe mich für eine kuschel Einheit zwischen Phil und Paula gesetzt. Meinen Kopf auf Phils Schoß und meine Beine auf Paulas Schoß gebettet.

Jo kommt zu uns und möchte mir einen Guten-Morgen-Kuss aufdrücken, aber ich weiche schnell aus. Er versucht es nochmal, aber ich weiche wieder aus.

Nicht bevor ich weiß, warum du so komisch bist, denke ich mir.

Fragend, irritiert und... verletzt? Schaut Jo mich an, bevor er aufsteht und in die Küche geht um zu Frühstücken.

,,Alles okay bei euch beiden?", fragt Paula als er außer Hörweite ist.

,,Ja, alles gut", lüge ich eiskalt.

,,Okay...", Paula und auch Phil wirken nicht überzeugt, lassen es aber so stehen.

Der Schultag vergeht schleppend. Wir bekommen ein paar Tests und Arbeiten zurück, neue werden angekündigt und die Lehrer geben uns eine Menge Hausaufgaben auf.

Vicky ist heute krank und Jo sehe ich in keiner Pause. Als es endlich final klingelt verlasse ich schnell den Klassenraum und gehe durch die Aula auf den Haupteingang zu.

Da stehen sie.

Jo und ein Mädchen, welches ich  noch nie gesehen habe. Sie steht sehr dicht neben ihm und sie sehen so vertraut miteinander aus.

Also doch...

Warum macht er dann nicht mit mir Schluss? Wegen der WG? Weil er nicht zu seinen Eltern möchte, die sich praktisch gar nicht um ihn kümmern? Er kann doch zu seiner neuen gehen!

Schnell wechsel ich die Richtung und verlasse das Gelände durch den Seiteneingang. Während ich meinem Ziel immer näher komme, beschleunige ich mein Tempo immer mehr, sodass ich fast renne, als ich am Grab meiner Eltern und Lucky ankomme.

Vor dem Grab lasse ich mich auf die Knie fallen und beginne hemmungslos zu weinen. Ich weiß einfach nicht wohin mit mir.

Linus Sicht:

Ich betrete den Friedhof nach einem langen Dienst mit Überstunden. In meiner Hand habe ich frische Blumen, welche ich gleich am Grab platziere.

Ich stehe einige Zeit einfach davor und denke nach. Mir gehen die typischen Was wäre wenn Fragen durch den Kopf, wie jedesmal.

Plötzlich nehme ich in meinem Augenwinkel eine schnelle Bewegung war. Eine Person, nicht als zu groß, kniet sich vor ein Grab etwa fünf Meter entfernt und fängt hemmungslos an zu weinen.

Hat sie erst kürzlich jemanden verloren?

Ich mustere die Person genauer und laufe einige Schritte in ihre Richtung, nur um erschrocken festzustellen, dass es Sophia ist.

Mir drei weiteren großen Schritten bin ich bei ihr und hocke mich neben sie.

Ich schließe sie einfach in meine Arme.

Kurz versteift sie, verständlich, du denkst du bis alleine und auf einmal umarmt dich jemand.

Sie scheint mich aber schnell zu erkennen, woran kann ich nicht sagen, und entspannt sich sofort um mindestens das doppelte von zuvor.

Auch wenn es etwas unangebracht ist, durchfährt mich ein Gefühl der Freude, da sie mir scheinbar so vertraut und sich fallen lassen kann.

Wir sitzen einige lange Minuten so da. Sophia lässt einfach alles raus und ich fange sie auf. Ich weiß nur zu gut, dass man in solchen Momenten einfach nicht reden möchte.

Weil ich Angst habe, dass sie sich auf dem kalten Boden ein Blasenentzündung oder ähnliches einfängt, da kommt eben doch der Arzt in mir raus, nehme ich sie kurzerhand hoch und setze mich gemeinsam mit ihr auf die Bank ein paar Schritte weiter.

,,Danke", flüstert sie mit belegter Stimme.

,,Nicht dafür. Wenn du reden willst sag bescheid, sonst können wir auch einfach hier sitzen und schweigen", lasse ich sie wissen.

Sie schafft es, mir ein dankbares Lächeln zuzuwerfen, schweigt aber.

Auch okay für mich.

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Soo, heute sehr spät haha, muss aber sagen, dass ich wirklich zufrieden mit dem Kapitel bin.

Lasst mir gerne eure Meinung zu der Situation da, und eure Vermutungen, was passieren wird.

Hab euch alle lieb ;-)

(Asds) Von der Glücklichen Familie zum WaisenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt