57. Gespräche

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Narie hatte die Knie an sich gezogen und die Arme um sie gelegt. So zusammengekauert hockte sie auf dem Bett und starrte aus dem Fenster. Sie konnte einfach keine Ruhe finden.
Kira, ihre Drachendame, war nicht von ihrer Seite gewichen und hatte sich auf der freien Fläche neben dem Bett ihrer Reiterin zusammengerollt.
"Versuch doch wenigstens etwas zu schlafen Silberschopf."
Früher hatte es Narie immer zum Lachen gebracht, das Kira den Spitznamen, den Arya ihr gegeben hatte übernahm. Heute fühlte sie nur ein Echo dieser Freude.
"Ich kann einfach nicht. Meine Gedanken rasen, ich komme einfach nicht zur Ruhe."
"Vielleicht hilft ja, was Marek holen wollte. Er konnte übrigens gerade wieder."
Tatsächlich betrat der junge Bergnomade wieder das Quartier der Drachenreiter. Er hatte sich kurz verabschiedet um etwas zu organisieren, was seiner Meinung nach Narie dabei helfen würde sich etwas zu entspannen. Ihm folgte seine Drachendame Laorie. Diese begrüßte Kira indem sie sie kurz mit der Schnauze anstieß und sich dann neben sie legte.
Marek trug ein Tablett mit sich auf den zwei dampfende Becher standen.
"Warme Milch mit einem großen Löffel Honig." Erklärte er auf Naries fragenden Blick.
"Das ist dein Wundermittel?"
"Es hat noch nie versagt." Erklärte Marek gespielt beleidigt.
Das junge Elfenmädchen schüttelte mit einem schwachen Lächeln den Kopf und nahm einen Schluck von dem warmen Gebräu.
"Da draußen baut ein Vogelpaar sein Nest." Murmelte sie nach einer Weile und deutete auf eines der Fenster. "Im Grunde verschwenden sie doch ihre Zeit."
"Wie meinst du das?" Wollte Marek wissen.
Narie stellte den Becher mit Milch ab und spürte, wie ihre Trauer sich in bitterem Worten einen Weg nach draußen bahnte.
"Es ist völlig egal wie stabil sie ihr Nest bauen, es wird immer einen Wind geben, der stark genug ist es zu zerstören! Oder Eierdiebe werden über das Nest herfallen oder sie finden nicht genug Nahrung für die Jungen! Irgendetwas ist immer. Warum soll man sich eigentlich so viel Mühe geben sein Leben mit Glück zu füllen?! Früher oder später entscheidet das Schicksal sowieso, es einem wieder weg zu nehmen! Warum also die Mühe?"
Marek starrte in seinen Becher, als könnte er die Antwort auf dem Grund finden.
"Ich bin kein kluger Mann und kann nicht so gut reden wie Meister Eragon. Zum ersten Mal bedauere ich das. Wenn ich es könnte, wüsste ich vielleicht was ich sagen müsste damit es dir besser geht."
"Ich bezweifle, dass irgendjemand etwas sagen könnte, damit es mir besser geht." Murmelte Narie. Sie hatte Marek nicht verletzen wollen aber ihr Schmerz war einfach übermächtig. "Es ist meine Schuld. Wenn ich mich bei meiner Mutter gemeldet hätte....."
- "So darfst du nicht denken Silberschopf." - Unterbrach Kira.
"Das denke ich auch." Bestätigte Marek, der die Worte der Drachendame gehört hatte. "Sie hätte sich auch bei dir melden können. Sie hat den Fehler gemacht sich von dir abzuwenden. Ich denke aber, dass du das Wort "wenn" im Moment gar nicht benutzen solltest. Das geht dann nämlich endlos so weiter: wenn ich das und wenn sie das......
Verstehst du? Das bringt nichts."
"Vielleicht hast du ja recht." Lenkte Narie ein.
Eine Weile schwiegen beide und nippten an ihren Bechern. Schließlich war es Narie, die weder das Wort ergriff.
"Es fühlt sich so schrecklich an. Ich verbinde nicht nur schmerzlicher Erinnerung mit meiner Mutter. Auch sehr viele schöne. Sie alle komme jetzt vor als wäre ich von ihnen durch eine unsichtbare Mauer getrennt. Ein Ort, an dem ich nie wieder zurückkehren kann. Es wird keine neuen Erinnerungen mehr geben. Nur die Alten, die immer mehr verblassen. Glaubst du eigentlich an Götter Marek? Glaubst du, dass es nach dem Tod weitergeht?"
"Ja das tue ich."
Narie lächelte traurig und schüttelte den Kopf.
"Wie kannst du noch daran glauben? Du hast doch gelernt, andere Wesen im Geist zu berühren. Wenn man stirbt erlischt das Licht. So einfach ist das."
"Und wenn die Sonne scheint sieht man keine Sterne am Himmel, doch sind sie jeden Abend wieder da." Entgegnete Marek.
"Was willst Du damit sagen?" Wollte die junge Elfe wissen.
"Ich meine, dass nur weil man etwas nicht sehen kann es nicht heißen muss, dass es nicht da ist oder für immer verschwunden ist."
Narie schüttelte wieder den Kopf und schien nicht sonderlich überzeugt.
"Erzähl mir von deinen Göttern Marek. Wie heißen sie? Wie betest du zu ihnen?"
Marek kratzte sich am Kopf.
"Ich glaube eigentlich an keinen bestimmten Gott. Auch gehörig keiner bestimmten Religion an. Wir Bergnomade haben diesem Teil unserer Kultur verloren als wir zu Flüchtlingen wurden. Ich kann dir nur erklären was mein Vater mir erzählt hat, denn das ist es woran ich glaube."
Narie nickte. Es war ihr anzumerken, dass sie nicht viel erwartete.
"Es war so: Als ich noch sehr jung war, ging ich zusammen mit meinem Vater und einigen Leuten aus unserem Clan in eine Stadt der Zwerge um Vorräte zu kaufen und einige unserer Waren zu verkaufen. Nach einer Weile wurde mir langweilig und ich bin durch die Stadt gestreift. Dabei bin ich in einem Tempel der Zwerge gekommen. Genauer gesagt in die Bibliothek eines ihrer Tempel. Auf dem Boden war ein riesiges Mosaik, welches ihre Göttin der Seen und Meere zeigte. Die Göttin Kilf, wenn ich nicht irre. Ich fand das Bild sehr schön und blieb um es zu betrachten. Schließlich hat mich mein Vater gefunden und sagte, wir müssten gehen. Ich hab ihn damals gefragt, ob das wirklich eine Göttin sei der auf dem Boden. Er nur die Schultern gezuckt und gesagt vielleicht. Ich wollte das aber genau wissen. Ich habe gefragt, ob wir all die Schriften und Bücher in der Bibliothek lesen müssen, damit wir es genau wissen. Mein Vater hat gelacht und gesagt, dass wir es dann auch nicht genau wissen würden. Er hat sich mit mir auf den Boden gesetzt und mir gezeigt, wie winzig klein die einzelnen Edelsteine sind die das Mosaik bilden. Sie waren wirklich winzig! Vielleicht grade so dick wie ein Strohhalm was den Durchmesser betrifft. Mein Vater hat gesagt: Marek, alles was ist unsere ganze Welt, mit allen Tieren, allen Menschen, Zwergen und den andern Völkern ist dieser eine kleine Stein. Diesen Stein können wir vielleicht vollständig erkunden aber glaubst du, dass wir je in der Lage sein werden das ganze Mosaik zu betrachten, winzig wie wir sind? Oder glaubst du, dass die Worte der verschiedenen Sprachen, die von Wesen geschaffen wurden die so winzig sind jemals reichen könnte um einen Gott oder nur sein Abbild zu beschreiben? Ich habe einfach nur den Kopf geschüttelt und bin mir furchtbar klein vorgekommen. Mein Vater hat genickt und gesagt: Versuch nicht einen Teil zum Ganzen zu machen mein Sohn. Sei dir einfach bewusst, dass es mehr gibt. Das ist Glaube genug."
"Das es mehr gibt." Murmelte Narie. Das Interesse der junge Elfe war während Mareks Erzählungen gewachsen.
Marek rückte etwas näher zu ihr, und legte ihr beide Hände auf die Schultern.
"Narie, ich kann nicht beweisen, dass es mehr gibt. Vielleicht ist das Leben das wir führen nur ein Weg den wir einschlagen und wenn du dem treu bleibst, was deine Mutter an dir geschätzt hat begegnet ihr euch eines Tages wieder weil sie durch ihren Tod nur ein Stück vorausgegangen ist. Vielleicht hast auch Du recht und alles endet mit dem Tod aber um auf das Vogelnest da draußen zurückzukommen: Wenn diese beiden Vögel da draußen nicht, wie du sagst, ihre Zeit verschwenden würden, dann würde es bald keine Vögel mehr geben. Ich finde die Welt wäre dann um einiges ärmer."
Narie überlegte einen Moment, dann rückte auch sie näher und schmiegte sich am Mareks Brust. Dieser war zunächst etwas überrascht, begann dann aber vorsichtig ihr über den Rücken zu streicheln.
"Du hast Gefühle für mich, nicht wahr, Marek?" Fragte sie nach einiger Zeit.
Etwas verlegen bestätigte Marek ihre Vermutung.
"Gib mir Zeit." Bat Narie schließlich. "Mein Herz ist im Moment eine offene Wunde. Ich bin nicht bereit."
"Alle Zeit die du brauchst." Antwortete Marek.
- "Geht es dir ein bisschen besser Silberschopf?" - Fragt Kira hoffnungsvoll.
Ein Augenblick musste ihre Reiterin nachdenken.
- "Ein wenig. Ich weiß nicht, ob es das war was Marek gesagt hat aber ich fühle mich nicht mehr so allein. Es ist nicht alles gut aber....." -
- "Ich bin kein Küken Narie." - Unterbrach Kira. - "Natürlich kann nicht alles gut sein. Dafür hast Du einen zu schweren Verlust erlitten aber ich spüre jetzt wieder etwas Kraft in dir. Den willen nicht wieder dem Morgen zuzuwenden. Das stimmt doch oder?" -
- "Du sagst du spürst es, dann wird es wohl auch so sein." -
- "Manchmal ist es aber schön solche Dinge zu hören." - summte Kira zufrieden. - "Du weißt, dass Meisterin Arya der angeboten hat, in Du Weldenvarden zu bleiben während die anderen gegen Shruikans ziehen." -
- "Wir werden nicht zurückbleiben Kira." - Gab Narie entschlossen zurück. - "Wir werden mit unseren Freunden kämpfen. Nicht um uns zu rächen. Meine Mutter hat immer gesagt, Rache ist Zeitverschwendung. Es ist der Versuch etwas zu ändern was nicht mehr zu ändern ist. Aber wir werden auf unsere Freunde aufpassen. Ich will mich nicht wieder allein fühlen." -
Kira schnaubte zustimmend.

Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang (wird überarbeitet)On viuen les histories. Descobreix ara