26. Aufbruchstimmung

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Angelas warnende Worte hatten Arya und Eragon zu denken gegeben. Die beiden Reiter hatten gemeinsam mit ihren Drachen die Situation besprochen, und entschieden zwar größere Vorsicht walten zu lassen, ansonsten aber nicht von ihrem festgesetzten Lehrplan abzuweichen. Die Ausbildung zu einem Drachenreiter war nicht nur magischer und körperlicher Natur, es war ebenso wichtig ihre jungen Schüler auf den Ernst der Aufgabe vorzubereiten, welche vor ihnen lag.
Angela hatte sich entschlossen eine Weile bei den Drachenreiter zu bleiben. Eragon sah darin ein stillschweigendes Versprechen der Kräuterhexe sie zu warnen, falls sie zu neuen Erkenntnissen gelangte.
Gemeinsam mit ihrem Begleiter Solenbum hatte Angela eines der Quartiere bezogen, die für Schüler des Ordens vorgesehen waren. Sie hatte eine Behausung gewählt, die in ihrer Größe eigentlich für einen Kull ausgelegt war. Zunächst hatte das seltsam gewirkt, aber bereits nach wenigen Tagen war die kleine Hütte so voll gestopft mit Kräutern und Pilzen aller Art, dass man Angela wirklich nicht vorwerfen konnte zu viel Wohnraum für sich zu beanspruchen.
Schnell hatte Eragon festgestellt, dass die Anwesenheit seiner alten Bekannten aus Alagaesia dem Unterricht durchaus zugute kam. Bereitwillig unterwies die Kräuterhexe die jungen Reiter in der Kunde über verschiedene Pflanzenarten und ihre Wirkung. Auch konnte niemand es mit ihrem Wissen aufnehmen, wenn es um Gifte oder Zaubertränke jedweder Art ging.
Einen Monat nach Ankunft von Angela und Solenbum stand für Eragon und Arya eine wichtige Entscheidung an. Die beiden Reiter hatten es sich in der Höhe bequem gemacht, die Saphira gemeinsam mit Fírnen bewohnte. Ihre Drachen wollten bei der Unterhaltung auch anwesend sein. Auch Vervarda und Hidalgo ließen es sich nicht nehmen dabei zu sein. Die beiden Jungdrachen hatten sich prächtig entwickelt und hätten sie Reiter, wären sie inzwischen mehr als in der Lage selbige durch die Lüfte zu tragen. Im Grunde brauchten beide nur noch ihr Feuer zu entdecken um unter ihrem Volk als erwachsen zu gelten.
Saphiras Nachwuchs hatte viel von der kindlichen Unbeschwertheit, die Geschwister einst ausgezeichnet hatte, abgelegt. Vervarda war mehr und mehr bemüht ihrer Mutter an Eleganz nachzueifern. Besonders wenn Aroc, Tars brauner Drache, in der Nähe war, legte die junge Drachendame großen Wert darauf würdevoll zu wirken.
Hidalgo war ein ungestümer Geselle geblieben und verbrachte seine Zeit gern damit, mit seinen Altersgenossen zu raufen. Er wiederum, schien eine Schwäche für Kira entwickelt zu haben, und war stets bemüht, der roten Drachendame seine Stärke und Wildheit zu demonstrieren.
Saphira stand diesem Treiben ihrer Kinder mit gemischten Gefühlen gegenüber. Oft musste Fírnen Partei für den gemeinsamen Nachwuchs ergreifen damit die besorgte Mutter nicht zu beschützend wurde.
- "Worum geht es denn hier nun eigentlich?" - Wollte Vervarda wissen. Die junge Drachendame betrieb gerade ausgiebige Körperpflege. Zunächst hatte sie sich ausgiebig an einem der Bäume die am Höhleneingang standen gerieben, bis ihr türkiesfabenes Schuppenkleid aufs herrlichste strahlte. Nun war sie damit beschäftigt ihre Krallen zu säubern und an der Höhlenwand zu schärfen.
Ihr Bruder hielt weniger auf Sauberkeit und verspeiste gerade genüsslich die Reste seiner letzten Beute.
"Um die Zukunft der wilden Drachen." Erklärte Eragon ernst. "Ich habe es mit Umaroth und Glaedr besprochen, sie sind wie ich der Meinung, dass es Zeit wird, dass eine gewisse Anzahl von ihnen uns verlässt um eine eigene Brutgruppe zu bilden."
Dieses Thema schien auch Saphiras Nachwuchs brennend zu interessieren. Vervarda stellte ihre Körperpflege ein und auch Hidalgo widmete Eragon nun seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Der junge Anführer der Reiter fuhr mit seinen Erklärungen fort: "Rahner, der Schwarze, ist der älteste Wilde nach Voratan. Er hat eine Gruppe von etwa 30 seiner Artgenossen um sich versammelt und möchte mit Ihnen einen eigenen Clan aufbauen. Bevor es zwischen ihm und Voratan zu Streitereien kommt sollten wir einen geeigneten Nistplatz für ihn und sein Gefolge finden. Es gibt noch zu wenige Drachen, als dass wir Revierkämpfe riskieren sollten."
Eragon breitete eine Karte auf dem Höhlenboden aus, die in groben Zügen das Land darstellte, welches die neue Heimstatt der Reiter umgab.
"Woher stammt diese Karte?" Wunderte sich Arya. Selbst in der Bibliothek ihres Volkes existierten keine Aufzeichnungen über diesen Teil von Alagaesia.
"Sie ist auf ähnliche Weise entstanden, wie du mich damals gefunden hast als ich auf dem Rückweg vom Helgrind war."
Arya schien zu verstehen, Hidalgo indes schüttelte irritiert den Kopf. Sein spiegelndes Schuppenkleid raschelte leicht.
- "Was soll das bedeuten? Ihr Zweibeiner und eure Worte, die sind so unpräzise!" -
Eragon schmunzelte und erklärte: "Die Elfenmagier haben sie erstellt. Sie haben den Stimmen der Natur gelauscht. Sie haben die Erinnerungen von Vögeln betrachtet oder von Tieren, die in der Herde durchs Land ziehen. Natürlich ist die Karte noch nicht besonders präzise. Eine Antilope definiert Entfernung ganz anders als beispielsweise ein Hase. Auch was die Höhe der Gebirge angeht, haben unterschiedliche Geschöpfe unterschiedliche Vorstellungen. Zumindest aber gibt uns diese Karte eine ungefähre Vorstellung des Umlandes. In dieser Ebene hier, die sich nach Westen ausbreitet brauchen wir erst gar nicht zu suchen. Das Gebiet ist zu offen und ungeschützt. Auch das Nahrungsangebot ist zu spärlich. Alles deutet aber darauf hin, dass sich hier eine Bergkette im Osten an unser Tal anschließt und in einem weiten Bogen nach Norden führt. Ich denke dass wir dort vielleicht einen geeigneten Ort finden werden."
Arya nickt zustimmend und fragte dann: "Wirst du alleine reisen?"
"Ich möchte das Narie und Kira mich begleiten."
Ein Lächeln breitete sich über Aryas Gesicht aus.
"Es ist also an der Zeit?"
Auch Eragon musste nun schmunzeln.
"Ich denke Kira ist alt genug, um ihren Bruder kennen zu lernen und ich habe meinen schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Außerdem will ich mit Murtagh über Angelas Warnung sprechen. Er sollte davon wissen. Da er praktisch allein lebt ist er unter Umständen angreifbar. Er kennt zwar den wahren Namen der alten Sprache aber er hat nicht mehr Eldunari als Unterstützung. Das setzt seinen Möglichkeiten Grenzen das Wort der Wörter zu nutzen. Außerdem hoffe ich, dass er vielleicht inoffiziell den Orden etwas unterstützen wird. Wenn wir in seiner Nähe einen Nistplatz für Rahners neuen Clan finden, hätten diese wilden Drachen einen mächtigen Beschützer in ihrer Nähe. Zwar werden einige Eldunari und zwei der Elfenmagier sie auf ihrer Reise begleiten aber Murtagh werden die Wilden auf eine Weise an sich heranlassen sie keinen der Magier. Murtagh ist ein Drachenreiter, deswegen stehen ihm Wilde offener gegenüber als jedem anderen Geschöpf. Außerdem versteht er viel davon Verletzungen und Krankheiten bei Drachen zu heilen. Seine Unterstützung wäre sehr hilfreich. Außerdem hätte Dorn dann praktisch Artgenossen in der Nachbarschaft. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch für ihn und seine Weiterentwicklung von Vorteil wäre."
- "Wenn das so ist werde ich euch auch begleiten!" - Legte Hidalgo entschlossen fest. - "Ich habe diesen Dorn in deiner Erinnerung gesehen Mutter. Wenn Kira in seine Nähe kommt will ich auf sie aufpassen. Außerdem werden die wilden Drachen vielleicht auch Wert auf die Meinung eines Artgenossen legen was ihr neues Heim betrifft." -
Saphira betrachtete ihren Sohn skeptisch, erkannte aber seine Entschlossenheit an. Sanft stieß ihn mit der Schnauze an.
- "Pass aber bitte nicht nur auf Kira sondern auch auf dich auf Junge. Außerdem, sei nicht zu schroff zu Dorn. Denk daran als ich gegen ihn kämpfen musste stand er unter Galbatorix Kontrolle. Er hat kein leichtes Leben gehabt und verdient es nicht von seiner eigenen Art verurteilt zu werden." -
Hidalgo summte versöhnlich und rieb seinen Kopf liebevoll an die Flanke seiner Mutter. Schließlich legte er sich wieder nieder.
Eragon nahm seine Ausführungen wieder auf.
"Während ich fort bin Arya würde ich vorschlagen, dass du damit beginnst Marek und Tar in der Magie auszubilden. Tar hat da zwar schon einige Kenntnisse aber im Vergleich zu dem was er noch lernen muss, beherrscht er gerade erst die Grundlagen. Was Marek betrifft, so traue ich ihm durchaus zu, zu Tar auf zu schließen. Von beiden wäre es aber recht viel verlangt Naries Vorsprung einzuholen. Daher kann sie mich ruhig begleiten. Wenn wir zurückkehren dürften unsere drei Schützlinge fast wieder auf dem gleichen Niveau sein. Dies sollte die weitere Ausbildung dann einfacher gestalten."
"Wie lange schätzt Du werdet ihr fort sein?" Erkundigte sich Arya. Jemand der die Elfe nicht kannte, hätte ihren Tonfall für neutral gehalten. Eragon kannte seine Gefährtin jedoch besser. Eine leichte Unsicherheit schwang in ihrer Stimme mit.
"Ich denke in etwa drei Wochen, höchstens einen Monat."
Aryas Blick blieb auf die Karte gerichtet. Erst als Eragon vorsichtig ihre Hand ergriff sah sie ihm in die Augen.
"Mach dir keine Sorgen mein Stern. Diesmal ist es kein Lebewohl. Außerdem werden wir einen magischen Spiegel mitnehmen und uns täglich bei euch melden. "
- "Trotzdem wird sie dich so vermissen." - Spottete Hidalgo.-"Und du sie erst!"-
Während sein Vater, sehr zum Missfallen seiner Reiterin, in das Lachen seines Sohnes einstimmte, ernteten die beiden männlichen Drachen von Saphira einen vernichtenden Blick, den Vervarda nach Kräften unterstützte.


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Von Wut und Verzweiflung getrieben, schleuderte König Orrin einen seiner Glaskolben an die Wand. Ein weiterer Gelehrter, den er zu sich eingeladen hatte war nichts als eine Enttäuschung gewesen. Unheilbar, möglicherweise vererbt vom Vater auf den Sohn aber unheilbar. Wie oft hatte der König von Surda schon diese Worte gehört. Zu oft! War Shruikans Angebot wirklich der einzige Ausweg für ihn? In den Monaten, seit das Schiff Richtung Vroengard aufgebrochen war, zweifelte der junge Monarch mehr und mehr an seiner Allianz mit dem Geist des schwarzen Drachens.
Gerade wollte Orrin seiner Verzweiflung durch einen weiteren Akt der Zerstörung an seiner Laborausstattung Luft machen als eine kalte Stimme den Raum durchschnitt.
"Ist unser kleiner König, der von einem Weibchen seiner Art auf den zweiten Platz verwiesen wurde, heute vielleicht etwas verstimmt?"
Orrin wirbelte herum. Der große Spiegel in der Ecke des Raums hatte jeden Glanz verloren. Nichts war mehr in ihm zu erkennen außer endlose, alles verschlingende Dunkelheit.
Der König von Surda rang kurz um Fassung, dann trat er vor den Spiegel und ging widerwillig auf die Knie.
"Meister Shruikan, wie kann ich euch dienen? Ist es womöglich an der Zeit?"
"Nein noch nicht. Aber meine Pläne machen gute Fortschritte. Eben das ist der Grund, warum wir dieses Gespräch führen. Damit sich alles weiterhin zu meiner Zufriedenheit entwickelt benötige ich etwas von dir Orrin."
"Was immer ihr begehrt."
"Von jetzt an werdet ihr jeden Monat etwa 50 Menschen, lebende Menschen zu mir nach Vroengard schicken."
"Was wollt Ihr mit diesen Menschen? Wollte sie zu Kriegern ausbilden?"
Ein eiskaltes Lachen drang aus dem Spiegel.
"Sie werden der Ausbildung einer Streitmacht dienen aber nicht als Krieger. Gibt es ein Problem Orrin? Plagt euch euer Gewissen?"
"Nichts dergleichen Meister." Versicherte der König. "Ich will nur nicht, dass eure Pläne gefährdet werden. 50 Menschen kann man nicht einfach verschwinden lassen. Ist es wichtig in welchem Zustand diese Menschen sind?"
"Sie müssen leben und sollten keine ansteckenden Krankheiten aufweisen. Ansonsten stelle ich keine Anforderungen."
"Dann sehe ich kein Problem. Die Gefängnisse meines Landes sind immer gut gefüllt und ein paar strengere Gesetze werden dafür sorgen, dass es so bleibt. Betrachtet euren Befehl als ausgeführt Meister. Ihr könnt mit dem ersten Schiff in etwa drei Wochen rechnen."
"Ausgezeichnet mein Verbündeter." Shruikans Stimme klang nun befriedigt. "Ich bewundere euren Einfallsreichtum. Ihr habt euch heute als nützlich erwiesen. Deswegen will ich ein kleines Geschenk machen. Seht es als einen Vorschuss auf eure endgültige Bezahlung an. Legt eure Hand auf den Spiegel König von Surda."
Nur zögernd kam Orrin diese Anweisung nach. Er wusste nicht was Shruikan vorhatte. Worin er sich aber sicher war, war dass es ihm nicht bekommen würde den Anweisungen seines Verbündeten nicht zu gehorchen.
Kaum hatte der junge König seine Hand auf das Glas des Spiegels gelegt, als sich ein Teil der Dunkelheit, die ihn anstarrte, sich von der glatten Fläche löste. Wie eine Marde bohrte sich der kleine schwarze Wurm in die Haut des Königs. Ein kurzer Schmerz, dann eisige Kälte, dann war es vorbei.
"Die Krankheit die ihr so fürchtet wird nicht ausbrechen, solange ihr mir treu dient. Sollte ihr mich aber verraten, würde es euch schlecht bekommen. "
Mit diesen Worten löste sich die Dunkelheit in dem Spiegel auf und beendete damit Shruikans Präsenz. Zitternd starke Orrin auf seiner Hand. Seine Zweifel waren verflogen. Er hatte eine Lösung gefunden. Eine Möglichkeit sich vor der Verdammnis zu retten, die über seinen Vater gekommen war. Nur zu gut erinnert er sich:
der alte König von Surda war immer vergesslicher geworden. Zunächst waren es nur alltägliche Dinge gewesen, dann war es schlimmer geworden. Mehr und mehr war der Geist von Orrins Vater zerfallen. Manchmal hatte er seinen eigenen Sohn nicht mehr erkannt oder vergessen, dass seine geliebte Frau, Orrins Mutter, längst verstorben war. Schließlich hatte er nicht mal mehr sprechen können. Wie ein Neugeborenes hatte der einst kräftige, mächtige Herrscher in seinem Bett gelegen. Nass und dreckig von seinen eigenen Fäkalien. "Tod der Seele" so nannten die Heiler die Krankheit. Ein Name, der noch auf die Priester zurückging. Ihren Glauben nach beschlossen die Götter, einem sündigen Menschen die Seele zu nehmen. Nur das Fleisch blieb zurück. Äußerlich gesund doch ohne eigenen willen und Persönlichkeit. Man hatte ihn gewarnt: die Krankheit war erblich. Der Gedanke, dass der Mensch, die Persönlichkeit, welche ein Leben lang gebraucht hatte und zu werden was sie war, auf diese grauenvolle Weise in das Nichts verschwand hatte sich für Orrin als unerträglich erwiesen. Wie besessen hatte er nach Lösungen und Heilung geforscht. Doch der Erfolg war ihm versagt geblieben. Shruikan bot ihm nicht nur eine Lösung sondern die Sicherheit und absolute Macht der Unsterblichkeit. Wie konnte er zweifeln? Was waren schon die Leben von 50 Verbrechern oder Obdachlosen gegen diesen Preis?

Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang (wird überarbeitet)Where stories live. Discover now