18. Der Unterricht beginnt

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Eragon näherte sich seiner Behausung. Die ganze Schlüpflingswiese glitzerte im morgendlichen Licht der Sonne. Die Tautropfen auf dem Grashalmen fingen die ersten Strahlen der Sonne ein und zauberten mit ihnen ein wundervolles Schauspiel.
Als der junge Drachenreiter die kleine Küche betrat, stieß er dort auf Arya. Die Elfe schien gerade aufgestanden zu sein. Sie war bereits vollständig angezogen und hatte ihr langes schwarzes Haar im Nacken zusammengebunden.
Das Lächeln, welches sie ihm schenkte als er neben sie trat, verschönerte den heraufziehenden Tag Eragon noch mehr.
"Wo warst du?" Wollte seine Gefährtin wissen. "Ich wollte dich wecken aber du warst schon fort."
"Ich habe unseren Schülern etwas zu essen vor ihrer Behausungen gestellt. Sie sollen die Möglichkeit haben sich etwas zu stärken. Heute beginnt schließlich ihre Ausbildung. "
Mit einer einladenden Bewegung deutete Eragon auf den fertig gedeckten Frühstückstisch, der in einer Nische der Küche stand. Arya schien angenehm überrascht fragte aber mit einem schelmischen Grinsen: "Ich dachte, bei euch Menschen wäre es üblich, dass die Frau das Essen auf den Tisch bringt."
"Ich bin eben bewusst, dass meine Gefährtin kein schwächliches Menschenweib ist." Antwortete Eragon schlagfertig als sich beide am Tisch niederließen.
"Vergiss das lieber nicht Schattentöter. "Gab Arya lächelnd zurück. Sie goss sich ein Glas des goldgelben Apfelsaftes ein, den Eragon bereitgestellt hatte. Offenbar hatte er das Getränk selbst aus Früchten, seines Gartens, hergestellt.
"Das werde ich nicht Sachttentöterin." Erwiderte Eragon und bediente sich selbst an den bereitgestellten Speisen.
Eine Weile genossen die beiden das gemeinsame Frühstücks. Schließlich was Arya, die erneut das Wort ergriff: "Wie denkst du sollten wir heute vorgehen?"
"Heute sollte es zunächst einmal darum gehen, dass wir uns ein genaues Bild von den Fähigkeiten unserer Schüler machen. "Schlug Eragon vor. "Wir müssen genau wissen, worauf wir aufbauen können. Ich schlage vor, dass wir sie heute prüfen und uns am Abend zusammensetzen um individuelle Lehrpläne für sie zu erstellen. "
Arya nickte zustimmend und Eragon fuhr fort: "Naries Fähigkeiten würdest Du schon recht gut einschätzen können oder?"
Die elfische Reiterin überlegte einen Moment bevor sie antwortete.
"Nicht so gut wie du vielleicht glaubst Eragon. Du weißt es die Kinder unseres Volkes von einer besonderen Kraft erfüllt sind. Sie lernen und beherrschen praktisch alles in kürzester Zeit. Erst wenn diese Gabe sie verlässt zeigen sie ihre wahren Stärken und Schwächen. Als ich Narie das letzte Mal gesehen habe war sie noch erfüllt von dieser besonderen Kraft. Jetzt ist sie es nicht mehr und ich habe schon bemerkt, dass sie im Vergleich zu früher regelrecht tollpatschig geworden ist. Natürlich weiß ich, was Sie über Geschichte, Kultur der Völker und Sprachen gelernt hat. Ich muss mir aber ein genaues Bild über ihre jetzigen, körperlichen Fähigkeiten machen. "
"Ich vertraue dir in dieser Angelegenheit. Ich denke es wird das beste sein, wenn du Naries Ausbildung hauptverantwortlich überwachst. Ich werde heute mit Tar und Aroc arbeiten. "
Die Elfe blickte ihn herausfordernd an.
"Willst du dich vor Marek drücken?"
Eragon konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
"Nein das möchte ich nicht. Doch heute wäre ich dankbar, wenn du seine Einschätzung übernehmen würdest mein Stern. Tars großes Problem ist seine Schüchternheit. Wenn ich Marek heute übernehme, wird Tar erneut in den Hintergrund gedrängt. Es ist mein Ziel, zu ihm durchzudringen. Ich denke das es ihm allein leichter fällt sich zu öffnen. Natürlich könntest auch du versuchen dieses Ziel zu erreichen. Narie ist bei weitem nicht so dominant wie Marek. Dafür, bist du aber recht Ehrfurchtgebieten. Das wäre eine weitere Entschuldigung für Tar sich noch weiter zurückzuziehen."
"Du findest mich also Ehrfurchtgebietend?" Die Belustigung in Aryas Stimme war nicht zu überhören.
"Über alle Maßen!" Gab Eragon schelmisch zurück und entlockte der Elfe damit ein Lachen.
"Gut dann übernehme ich heute auch Marek. Ich denke wir müssen sowieso etwas gegen diesen ständigen Streit zwischen ihm und Narie unternehmen. Was ich vorhabe, ist ein wenig gewagt. Doch ich glaube, das Marek im Grunde seines Herzens kein schlechter Kerl ist. Wenn mein Plan aufgeht, können alle Parteien nur gewinnen. "
"Ich vertraue, was das betrifft, deinem Urteil. "
Nachdem sie ihr Vorgehen abgesprochen hatten, beendeten Eragon und Arya ihr gemeinsames Frühstück. Als sie fertig waren, wurde es Zeit, sich mit ihren Schülern zu treffen.
Als sich die beiden Drachenreiter auf den Weg machten, teilte Saphira Eragon mit, dass sie bereits mit Bleodhgram gesprochen hatte. Der Wolfkatzenelf würde sich verstärkt um die Schlüpflinge kümmern, solange sie selbst und Fírnen mit dem Unterricht beschäftigt waren.
Auf der Schlüpflingswiese wurden die beiden älteren Reiter tatsächlich schon von ihren Schülern erwartet. Der Junge Urgal Tar wirkte wie üblich etwas unsicher aber dennoch auch neugierig. Er trug eine Lederhose, welche ihm bis zu den Knöcheln reichte, sowie eine armelose Lederweste, welche aus Schafshaut hergestellt war. Innen,sowie ab den Näten, war noch das weiße Schafsfell zu erkennen. An seiner Hüfte baumelte sein Krummschwert. Nicht nur hatte es jetzt die passende Farbe, sondern auch einen neuen Namen:Indûr hatte der Junge seine Waffe getauft. Es bedeutete soviel wie Neubeginn. In Anbetracht der Tatsache, dass er der erste Urgal war, der zum Drachenreiter berufen wurde, ein durchaus passender Name.
Neben ihm folgte sein brauner Drache Aroc. Zum ersten Mal bemerkte Eragon, dass sich die Hörner des jungen Drachen ähnlich dem Geweih eines Urgals in einer Art Spirale nach vorne hin ausbreiteten. Die Spitzen verliefen parallel zu den Kieferknochen des jungen Drachen. Schläge mit dem Kopf würden durch diese besondere Form der Hörner zu gefährlichen Angelegenheiten für jeden Feind werden.
Narie war ebenfalls auf der Wiese eingetroffen. Sie wirkte nervös und voller Tatendrang. Sie trug ein einfaches weißes Hemd und eine Hose aus weißem, festem Stoff. Ihre Kampflanze entsprach nun ebenfalls den Farben ihres Drachen. Der Stiel leuchtete in einem kräftigen Rot, während die Lanzenspitze, sowie die gabelartigen Fortsätze in der aufgehenden Sonne golden strahlten. Sie hatte ihrer Waffe den Namen "Vardo" gegeben. Eragon erkannte darin eine Abwandlung des Wortes "Varde". "Vardo" bedeutete "Beschützer", während "Varde" eher mit dem Wort "Wächter" gleichzusetzen war.
Ihr Drachenmädchen Kira schmiegte sich genüsslich Summen an ihre Beine und schien um Streicheleinheiten zu betteln. Zwar waren die Rote noch immer kleiner als die anderen jungen Drachen, doch auch sie hatte einen Wachstumsschub hinter sich. Sie war nun etwa so groß wie ein ausgewachsener Fuchs.
Marek war der einzige von den dreien, der alles andere als ausgeschlafen wirkte. Sein kräftiger, schwarzer Haarschopf war an einer Seite völlig platt gedrückt. Er wirkte als wäre er gerade erst aus dem Bett gefallen. Sein braunes Hemd hatte er auf links angezogen und einen seiner Schulen hielt er immer noch in der Hand während es der andere zumindest an den Fuß geschafft hatte. Leider allerdings an den falschen Fuß.
Zumindest hatte er daran gedacht sich sein gelbes Kurzschwert auf den Rücken zu schnallen. Die Waffe trug nun den Namen: Fricai. Das Wort für "Freund" in der alten Sprachen.
Glücklicherweise hatte sich Laorie, Mareks Drachenmädchen, als nicht so ängstlich herausgestellt wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Offenbar war sie nur durch die ungewohnte Situation mit König Orrin verschüchtert gewesen. Der Moment betrachtete sie ihren Reiter missbilligend und schien sich zu überlegen in welchem Teil seines Körpers sie ihre spitzen Zähne graben sollte um ihn wach zu bekommen.
"Guten Morgen!" Begrüßte Eragon seine Schüler. "Willkommen zum ersten Tag eurer Ausbildung. Keine Sorge, heute wird es in erster Linie darum gehen zu prüfen welche Fähigkeiten ihr bereits mitbringt. Wir werden euch verschiedenen Tests unterziehen in denen ihr eure Fähigkeiten demonstrieren werdet."
"Das dürfte bei manchen schneller gehen als bei anderen." Schoss Marek in Naries Richtung.
"Soviel ehrliche Selbsterkenntnis hätte ich von dir gar nicht erwartet Mensch." Erwiderte Narie giftig. "Aber du musst dich deswegen nicht schämen. Geringe Fähigkeiten sind oft nur ein Problem mangelhafter Ausbildung. Dir hätte man zum Beispiel beizeiten beibringen soll deine Schuhe richtig anzuziehen."
Ein Blick auf seine Füße enthüllte Marek das Problem. Während er selbiges, auf einem Bein hüpfen behob, konnte eine weitere verbale Spitze in Naries Richtung nicht unterdrücken: "Wenigstens stolpere ich nicht über meine eigenen Füße. "
"Das reicht jetzt. "
Eragon hatte beschlossen einzugreifen bevor der Streit weiter eskalierte.
"Marek, von dir erwarte ich, dass du in Zukunft nicht beim Unterricht erscheinst als hättest du die Nacht in einem Wirtshaus durchzächt. Narie, ich dachte ich hätte gestern klargemacht was ich von euren ständigen Streitereien halte. Marek hat vielleicht angefangen aber du bist darauf eingestiegen. Wenn dein Volk, dem der Menschen tatsächlich überlegen ist, dann sollte es auch die Weisheit besitzen, zu erkennen wann man einen Kampf aufnimmt und wann nicht."
Sowohl Narie, als auch Marek pressten ein "Ja Meister" zwischen den Zähnen hervor.
"Gut. Nun, da das geklärt ist, werden wir euch aufteilen. Tar, du und dein Drache Aroc werdet heute von mir und Saphira unterrichtet. Narie und Marek, sowie eure Drachen, ihr untersteht heute Arya."
Die beiden älteren Reiter entging nicht, dass sowohl Narie als auch Marek, die Aussicht in den Tagen miteinander zu verbringen, nicht gefiel. Die beiden Schüler rollten viel sagend die Augen.
"Gibt es ein Problem?" Fragte Eragon.
Diesmal rangen sich die Beiden ein "Nein Meister" ab.
"Gut. Sorgt dafür dass es so bleibt. Denn bitte daran: Ihr seid hier weil ihr zu Drachenreiter erwählt worden seid. Es gibt keine höhere Ehre aber auch keine größere Verantwortung. Und weder schätzt die diese Ehre angemessen Wert, noch werde die eurer Verantwortung gerecht wenn ihr euch aufführt wie zankende Kleinkinder. "
Ein weiteres gepresstes "Ja Meister "folgte.
Eragon gab Arya ein Zeichen und diese bedeutete ihren Schützlingen ihr zu folgen. Auch ihr grüner Drache schloss sich der Gruppe an.
Als Eragon auf Tar zutraut hatte er den Eindruck, als wolle der junge Urgal am liebsten in der Erde versinken.
"Ich befürchte, ihr werdet meine Fähigkeiten mehr als nur unzulänglich finden Meister." Murmelte er ohne dem älteren Drachenreiter dabei ins Gesicht zu sehen.
Aroc schnaufte missbilligend und verdreht die Augen als er die Aussage seines Reiters hörte.
Eragon klopfte seinem jungen Schüler aufmunternd auf die Schulter.
"Wir Menschen haben ein Sprichwort Tar: Nicht vor den Schlägen heulen. Wir werden sehen was du mitbringst. Und denke immer daran: Du bist schließlich hier um zu lernen. Solange du das nach besten Kräften tust kannst du gar nicht so unzulänglich sein wie du vielleicht glaubst."

Eragon Band 5 - Jedes Ende ist ein Anfang (wird überarbeitet)Where stories live. Discover now