Ein richtiger Autor

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„Ich bin so aufgeregt!“, meinte mein Vater und wippte von einem Bein auf das andere. „Halt still, sonst kann ich dir die Fliege nicht binden!“, schimpfte ich, gab es aber schließlich auf. Der Mann vor mir war einfach viel zu aufgeregt! „Lass die Fliege weg. Am Besten auch das Sakko. Es ist eh viel zu warm draußen“, schlug ich vor und legte das schwarze Band auf den Tisch. „Aber du hast dich doch auch extra hübsch gemacht“, schmunzelte mein Vater. Ich blickte an mir herunter. Ich trug eine Jeans und eine Bluse, so außerordentlich gestylt war ich jetzt auch nicht. „Papa, mach dir keinen Stress. Ich weiß, es ist ein großer Tag…“ „Und wie! Mein Buch. Kannst du dir das vorstellen? Vom Hobbyschreiber zum veröffentlichten Autor! Wann müssen wir beim Verlagsgebäude sein?“ Zum fünften Mal warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. „Wir müssen in einer Viertelstunde los. Keine Sorge. Es wird schon alles gutgehen. Die Leute kommen zu deiner Vorlesung, du liest ein bisschen aus dem Buch. Und dann werden sie sich alle dieses Meisterwerk kaufen und von dir signieren lassen. Du wirst sehen, ehe du dich versiehst, sind wir schon wieder hier zu Hause und stoßen mit Wein an.“ Mein Vater seufzte und legte seine Hände auf meine Schultern. „Was würde ich nur ohne dich tun“, murmelte er und strich mir über die Wange. „Im Cafe arbeiten und einer möglichen Karriere hinterhertrauern“, grinste ich. „Und jetzt komm, wir müssen los.“

Wir fuhren eine Stunde in die nächstgrößere Stadt und parkten vor dem Verlagsgebäude. Dort warteten schon Aiden und seine Eltern und Marc mit Emma, Anton und seinen Eltern auf uns. „Pascal“, grinste Jerold und die beiden Männer gaben sich die Hand. Aiden unterdessen zog mich an sich heran. „Du siehst wunderschön aus“, murmelte er und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. „Danke. Aber ihr habt euch ja auch alle etwas schick gemacht“, grinste ich und warf einen Blick über die Anwesenden. „Oh, ich freue mich so, Sie endlich kennenzulernen!“, rief Emma in diesem Moment und schüttelte eifrig die Hand meines Vaters. Dessen verdutzter Gesichtsausdruck brachte mich noch mehr zum Grinsen. „Ich wollte schon immer mal einen Schriftsteller kennenlernen! Ich freue mich so auf Ihr Buch.“ „Bitte, ich bin Pascal“, murmelte mein Vater. Seine Wangen färbten sich leicht rot. Ich konnte mir ein Kichern nicht unterdrücken. „Kommt, lasst uns reingehen. Bald geht es los“, meinte Luis und wir machten uns auf den Weg in den Vorlesungssaal. Ich drückte meinen Vater noch einmal fest, ehe er hinter der Bühne verschwand. Wir anderen setzten uns in die erste Reihe und warteten.

Der Raum füllte sich bis zum Anschlag, was mich erleichtert ausatmen ließ. Ich hatte nicht erwartet, dass so viele Leute zu der Vorlesung eines neuen Autor kamen, aber da hatte der Verlag wohl ordentlich die Werbetrommel gerührt. Ein Mann im Anzug betrat mit einem Mikro die Bühne. „Guten Nachmittag, meine Damen und Herren. Ohne viel Federlesen möchte ich Ihnen nun unseren neuesten Autor vorstellen, der sich als ein wahres Talent herausgestellt hat. Entdeckt wurde er durch einen unserer jährlichen Schreibwettbewerbe. Nicht nur gewann er diesen, sondern zog uns auch mit seinen weiteren Manuskripten in den Bann, sodass wir ihn unter Vertrag nahmen. Und hier ist er nun mit seinem ersten Buch, das den schönen Namen ‚Spätsommerlimonde‘ trägt. Bitte begrüßen Sie mit mir: Pascal Redhead!“ Unsere Gruppe war natürlich die, die am lautesten applaudierte, während mein Vater mit einem verhaltenen Lächeln zu dem Mann auf die Bühne trat. Der verwies auf zwei Sessel, zwischen denen ein Tisch mit Wasserflaschen und dem Buch meines Vaters stand.

Mein Vater räusperte sich in sein Ansteckmikro und richtete seinen Blick auf das Publikum. Seine Augen fanden meine und hefteten sich daran fest. „Guten Nachmittag, meine Damen und Herren. Vielen Dank, dass Sie heute zu meiner Lesung gekommen sind. Es ist meine erste überhaupt, deswegen bitte ich zu verzeihen, sollte ich mich etwas unautorenhaft verhalten.“ Leises Lachen. Ich konnte nicht anders als leicht zu grinsen, was mein Vater erwiderte. „Bevor ich sie in die Weiten meines Romans entführe, möchte ich noch einer ganz besonderen Person danken. Sie hat mich unterstützt, seit sie sprechen und lesen konnte. Sie hat mir immer geholfen, wenn ich mal eine Schreibblockade hatte. Sie hat meine Manuskripte korrekturgelesen. Und letztlich war es auch sie, die mich bei diesem Wettbewerb angemeldet und mich damit überrumpelt hat. Ohne sie hätte ich es niemals so weit gebracht. Diese Person ist meine Tochter Leonie. Und ich danke Gott jeden Tag dafür, dass ich sie habe.“ Meine Sicht verschwamm. Verhalten wischte ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Aiden griff nach meiner Hand und drückte sie fest.

Mein Vater nahm sein Buch zur Hand, schlug eine Seite auf und begann zu lesen. Eine Dreiviertelstunde später wechselten wir den Raum. Mein Vater hatte die Lesung mit Bravour gemeistert und nun stand der Erstverkauf und die Signieraktion an. Viele der Gäste blieben tatsächlich und gönnten sich ein Exemplar, das sie gleich von meinem Vater unterschreiben ließen und meist auch einige Worte mit ihm wechselten. Auch Emma, Josephine und Isolde besorgten sich ein Buch. Kopfschüttelnd sah ich sie an. Das hätten sie aber nicht tun müssen. „Ich hätte euch auch so ein Exemplar besorgt, ihr hättet es nicht extra kaufen müssen“, tadelte auch mein Vater. „Nana, immerhin verdienst du so jetzt deinen Lebensunterhalt. Das können wir verschmerzen. Das ist den Preis allemal wert“, tadelte Josephine zurück und ließ sich ihr Exemplar signieren. „Hey, Leonie, schau mal. Die Widmung“, flüsterte Emma mir wenig später zu und zeigte mir die erste Seite ihres Buches. Ich hielt meinen Atem an. ‚Gewidmet meinem Stern und größtem Glück, meiner Tochter Leonie. Ich liebe dich, mein Schatz.‘ Schluckend wischte ich mir über die Augen. Aiden schlang von hinten seine Arme um ich. „Er liebt dich so sehr“, hauchte er mir ins Ohr. Ich nickte und lehnte mich gegen ihn.

Sachte löste ich seine Arme von mir und bahnte mir einen Weg zu meinem Vater. Seufzend schlang ich meine Arme von hinten um ihn. „Ich hab dich auch lieb. Danke für die Widmung“, flüsterte ich ihm ins Ohr. Sein Kopf drehte sich leicht zu mir. „Ich liebe dich, mein Schatz“, murmelte er und küsste mich auf die Schläfe. „Komm, Leonie. Dein Vater muss weiter Autogramme geben“, sagte Aiden hinter mir und zog mich sachte von meinem Vater weg. Wieder schlang er die Arme um mich und wiegte mich sanft hin und her. Marc verabschiedete sich bald mit seiner Familie nach Hause, doch Aiden und die beiden Anführer des Rudels blieben noch hier bei meinem Vater und mir, bis auch der letzte Besucher zufrieden mit seinem signierten Buch den Raum verließ. Der Mann im Anzug kam auf meinen Vater zu und die beiden wechselten ein paar Worte, während im Hintergrund ein paar Mitarbeiter schon anfingen alles abzuräumen. Dann kam mein Vater zu uns. Aiden gab mich frei, sodass er mich in eine feste Umarmung ziehen konnte. „Danke“, flüsterte er einfach nur. „Danke“, erwiderte ich. Kurz standen wir noch so da, bis wir ebenfalls das Verlagsgebäude verließen und uns von Aiden und seinen Eltern verabschiedeten. In Hochstimmung fuhren wir nach Hause und leerten eine halbe Flasche Rotwein.

My Love, My Life, My Mate (Werwolf FF)Where stories live. Discover now