Marc und Emma

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Die nächsten Tage verbrachte Emma viel bei uns im Rudel und sie nahm sich wirklich vor, jeden einzelnen ordentlich kennenzulernen. Ich fühlte mich richtig schlecht bei ihrem Engagement, was man mir wohl deutlich ansah. Bald suchte Aiden das Gespräch mit mir. Ich erzählte ihm also von all meinen Gedanken, die ich gehabt hatte, seit Marc Emma gefunden hatte. Angefangen von der Frage, ob unsere Beziehung gleich verlaufen würde wie die der beiden, wäre ich ein Werwolf. Weiter über die Bedenken, dass ich als Mensch gar nicht gut genug für Aiden war. Bis hin zu den Zweifeln, dass ich zu wenig Engagement im Rudel zeigte, obwohl ich ja die zukünftige Luna war. Danach hatte Aiden mir einen langen Vortrag darüber gehalten, dass alle Liebespaare unterschiedlich waren, ich als Mensch kein Hindernis darstellte und Aiden mich über alles liebte, ebenso wie das Rudel sich über mich freute, auch wenn ich noch nicht alle Namen kannte. Dann hatte Aiden mich in eine lange Umarmung gezogen.

Am nächsten Morgen hatte ich mich Emma angeschlossen und jeden Dorfbewohner etwas kennengelernt. Dass viele beteuerten, ich wäre eine hervorragende Luna, konnte wohl nur an Aiden liegen, der per Gedankenübertragung etwas verlauten hatte lassen. Nach den Tagen im Rudel folgten die Tage, an denen wir als Vierergruppe etwas unternahmen. Angefangen von einem Doppeldate im Restaurant, wo wir uns viel unterhielten, über einen Kinobesuch bis hin zu einem Shoppingtrip. Ich konnte Emma schneller als meine Freundin und Vertraute bezeichnen als ich Aiden angefangen hatte richtig zu lieben. Und das sollte schon etwas heißen. Wenn ich einmal Luna war, konnte ich mich definitiv auf sie als meine Beta verlassen, wenn es mal Dinge gab, die ich nicht mit Marc oder Aiden regeln konnte.

Anfang März stand dann der lang ersehnte 18. Geburtstag von Emma an, den sie natürlich noch in ihrem alten Rudel feiern würde. Da sie ihren Mate schon gefunden hatte, würde der Countdown um kurz vor Mitternacht wegfallen. Einen Tag vor ihrem Geburtstag gab es eine Rudelversammlung, bei der Carl mitteilte, dass Emma ihren Mate schon gefunden hatte und in unser Rudel ziehen würde. Nur wenige schienen wirklich überrascht. Wahrscheinlich hatten fast alle bemerkt, dass Aiden, Marc und ich öfter ein und aus gegangen waren und Emma oft bei uns gewesen war. Marc war an diesem Tag so aufgeregt, dass Aiden ihn nicht Auto fahren ließ. Stattdessen fuhr er. Ich saß vorne neben ihm und beobachtete durch den Rückspiegel Marc, der einfach nicht stillsitzen konnte.

Kaum standen wir auf dem Hauptplatz von Emmas Noch-Rudel, sprang unser Beta schon aus der Tür und öffnete den Kofferraum. Grinsend holten wir alle unsere Geschenke und machten uns auf den Weg zu Emmas Haus. Natürlich begrüßten sich Emma und Marc lange und innig. Aiden und ich entfernten uns diskret und brachten unsere Geschenke in die Küche. Wenig später folgte unser Beta-Paar und Emma öffnete ihre Päckchen. Ich war stolz sagen zu können, dass sie sich über mein Geschenk am Meisten freute. Sie hatte mir während unserem Shoppingtrip verraten, dass sie gerne zeichnete, aber einfach nicht die richtigen Utensilien besaß. Also hatte ich ihr ein ganzes Set geschenkt, angefangen von Papier, über Stifte und alles, was ein Künstler sonst noch so brauchte. Und weil sie Mangas so gerne mochte, hatte ich ihr dazu noch ein Buch mit Anleitungen für Manga Zeichnungen geschenkt. Vielleicht zeichnete sie ja mal einen Manga für mich? Emmas Eltern waren natürlich nicht da. Stattdessen standen im Wohnzimmer zwei Mate-Paare, die Emma uns als Finn, Maja, Lukas und Sonja vorstellte. Wir schauten einen Anime nach Emmas Wahl, tanzten und hatten Spaß, bis es schließlich Mitternacht wurde und sich langsam alle verabschiedeten. Immerhin war morgen Freitag und somit leider noch Schule. Um sechs mussten wir alle schon wieder aufstehen.

„Und du willst wirklich nicht mitkommen?“, fragte Aiden nun schon zum bestimmt vierten Mal und grinste Marc spitzbübisch an. „Nein, nein. Geht ihr nur“, lachte Marc und legte einen Arm um Emma. Aiden tat dasselbe bei mir und führte mich zu unserem Auto. „Weißt du, was ich denke?“, fragte mein Mate und startete den Motor. „Dass du die Scheinwerfer anmachen solltest, wenn uns keiner der Polizei melden soll“, lachte ich und Aiden schaltete das Licht schnell ein. „Danke. Aber das meinte ich nicht. Ich denke, dass Emma und Marc jetzt bestimmt das Mate-Bonding machen. Die beiden sahen ja schon so aus, als könnten sie es kaum erwarten.“ „Denkst du nicht, das haben sie schon längst gemacht?“ Aiden schüttelte seinen Kopf. „Dann hätten wir Werwölfe es gerochen. Und außerdem war Marc nie abends oder nachts bei Emma oder Emma bei ihm. Und ich denke auch, dass die beiden selbst noch bis zu ihrem 18. Geburtstag warten wollten.“ Ich nickte leicht und musste dann lange gähnen. Aiden lachte bellend auf. „Meinst du nicht, wir sollten heute einfach blau machen?“, schlug er vor. Ich schüttelte meinen Kopf. „Ich hab doch meine letzte Stunde Bio vor der Klausur. Da will ich anwesend sein“, murmelte ich. „Dann schlaf jetzt schon etwas. Ich wecke dich, wenn wir wieder bei mir sind.“ „Ist gut“, nuschelte ich und schloss meine Augen. Tja, Aiden hatte mich angelogen. Nicht er weckte mich, als wir wieder auf der Lichtung waren, sondern der Wecker, als es Zeit wurde aufzustehen.

Einen Tag später war es so weit. Emma hatte all ihre Sachen schon die Woche über in Kisten verstaut, die jetzt nur darauf warteten in unser Rudel transportiert zu werden. Aiden und Marc fuhren dafür extra mit zwei Autos ins Nachbarrudel, damit wir alle Kisten verstauen konnten. Immerhin kamen keine Möbel dazu. So mussten wir keinen Kleintransporter mieten. Emma würde zu Marc ins Haus ziehen. Luis und Isolde hatten die Frau mit offenen Armen empfangen und natürlich sofort zugestimmt, als es um die Frage ging, ob Emma bei ihnen wohnen dürfte. Anton war wohl der Leidtragende der ganzen Geschichte geworden. Marc kaute ihm ein Ohr ab, wie toll Emma sei und dass er sich gut mit ihr verstehen würde. Seine Eltern verdonnerten ihn fast jeden Tag zum Aufräumen. Und während sein großer Bruder mit Herzchenbrille auf Wolke sieben schwebte, fühlte sich Anton mächtig unter Druck gesetzt. Ich war sehr überrascht gewesen, als er mit genau diesen Worten zu mir gekommen war und sein Leid geklagt hatte. Das hatte er letztlich damit begründet, dass ich ja auch die Luna des Rudels war und er lieber mit mir redete als mit jemandem, der 30 Jahre älter war als er und ihn wahrscheinlich nicht einmal verstehen würde. Also war ich todesmutig meinem Amt als Luna nachgegangen und hatte mit Antons Eltern gesprochen. Sie waren sehr verständnisvoll gewesen. Marcs kleiner Bruder kam schon am nächsten Tag erneut auf mich zu und bedankte sich so überschwänglich, dass Aiden von der ganzen Sache Wind bekam und mich in den Himmel lobte.

So hatte nun die ganze Beta-Familie beim Grundputz des Hauses geholfen und es war alles bereit für Emmas Einzug am Samstag. Dean, Naomie, Felix, Melanie und Martin hatten zugesagt beim Kisten Tragen zu helfen. Danach wollten wir alle Emma so richtig in unsere Freundesgruppe aufnehmen und mit ihr auf der Trainingslichtung grillen. „So viele Kisten sind es ja gar nicht“, rief Aiden aus Emmas Haus und brachte die dritte Kiste herunter. Emma und ich warfen uns einen Blick zu. „Es sind ja nur fünf Kisten. So viel Zeug hab ich jetzt auch nicht, was unbedingt mit muss. Ich nehme ja auch keine Möbel mit“, antwortete Emma, ehe sie sich wieder unserem Gespräch über Mangas zuwandte. Natürlich hatten Marc und Aiden darauf bestanden, dass wir beiden keine Kisten schleppten. Also konnten wir auch gut zusammen quatschen. Fünfzehn Minuten später waren alle Kisten in den Kofferräumen der Autos verstaut und Emma verabschiedete sich von ihren Eltern. Dann stiegen wir in unsere Autos und fuhren los. Vor Marcs Haus warteten schon unsere Freunde auf uns. Wir stiegen aus. Die Männer sichteten die Kisten. Jeder schnappte sich eine und schleppte sie in Marcs Zimmer. „Und jetzt“, rief Dean und klopfte sich die Hände ab, „grillen wir auf unserer Trainingslichtung. Auspacken kannst du auch heute Abend noch. Wobei ich nicht glaube, dass du dazu kommen wirst.“ Die Männer begannen einstimmig zu lachen. Emma errötete. Ich warf Aiden einen scharfen Blick zu. Naomie und Melanie schlugen ihren Mates gegen die Schultern.

„Na los, wir haben schon alles hingebracht. Das Feuer setzt gerade Anton in Gang“, grinste Martin und lief voran. Wir anderen folgten ihm über den Trampelpfad durch den Wald bis hin zur Lichtung. „Da seid ihr ja endlich! Fast hätte ich ohne euch angefangen zu grillen“, lachte Marcs kleiner Bruder uns entgegen. Wir spießten uns jeder ein Würstchen auf und setzten uns auf die Isomatten ans Lagerfeuer. Nach den Würstchen folgte Stockbrot. Nach der Ruhe folgten lange Gespräche, bei denen besonders Emma im Mittelpunkt stand. Immerhin wollten unsere Freunde sie ebenfalls besser kennenlernen.

„Aiden?“, wandte ich mich flüsternd an meinen Mate. Er beugte sich zu mir. „Ja?“ „Ich hab da mal eine Frage.“ „Ja?“ Ich nickte in Richtung Martin. Der ließ mir nämlich keine Ruhe mehr. „Wann hat er eigentlich seinen 18. Geburtstag?“, wollte ich wissen. Aiden schaute mich mit gerunzelter Stirn an. „Er ist schon 18“, offenbarte er mir. Verblüfft blinzelte ich zu ihm hoch. „Was? Aber hat er seine Mate denn schon gefunden? Ich hab sie noch nie gesehen. Oder hat er keine? Aber er wirkt so normal. Gar nicht traurig oder so.“ Ich war wirklich verwirrt. Aiden seufzte. „Er hat noch keine Mate. Aber er sucht auch nicht nach ihr. Diese Mentalität hat er von seinen Eltern angelernt bekommen. Oder vielleicht auch vererbt, wer weiß das schon. Jedenfalls wird er nur deswegen nicht verrückt. Seine Familie ist nämlich der Überzeugung, dass die Mondgöttin Luna unser Schicksal vorherbestimmt. Und deswegen ist es auch vorherbestimmt, dass jeder Werwolf seine Mate irgendwann findet. Es kann niemals nicht passieren. Deswegen sucht er nicht nach ihr. Weil er sicher ist, dass sein Weg so gelenkt wird, dass er am vorherbestimmten Zeitpunkt seine Mate treffen wird oder das Schicksal sie zu ihm führt.“ Ich konnte nur ungläubig meinen Kopf schütteln. „Das ist unglaublich.“ Aiden nickte. „Ich bewundere ihn jeden Tag seit seinem 18. Geburtstag dafür. Ich wäre verrückt geworden, hätte ich dich nicht gefunden.“ Grinsend ließ ich es zu, dass der Mann mich in einen innigen Kuss zog.

My Love, My Life, My Mate (Werwolf FF)Where stories live. Discover now