Der Unfall

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Gähnend streckte ich mich und warf einen Blick aus dem Fenster. Und erstarrte. Langsam breitete sich ein Grinsen auf meinen Lippen aus. „Papa, es hat Schnee!“, schrie ich und rannte los. Ich riss die Tür meines Vaters auf, aber natürlich war dieser wie immer schon wach. Also rannte ich die Stufen nach unten und bemerkte nicht einmal, wie kalt der Boden unter meinen nackten Füßen war. „Papa, es hat Schnee!“, wiederholte ich und rannte auf die Terrassentür zu. „Hiergeblieben“, lachte mein Vater und packte mich von hinten. „Hey!“ „Zieh dich erst mal warm an! Sonst holst du dir schneller eine Erkältung als du gucken kannst.“ „Und dann bauen wir einen Schneemann!“, beschloss ich und rannte unter dem Lachen meines Vaters wieder in mein Zimmer. Schnell zog ich mir warme Sachen an und kämmte mir einmal durch die Haare. Dann eilte ich die Treppe wieder hinunter. „Komm schon! Ich will einen Schneemann bauen“, rief ich meinen Vater zur Terrassentür und riss diese auf. Kalter Wind schlug mir entgegen, angereichert mit dem Geruch nach neuem Schnee. Der erste dieses Winters. „Aber vergiss nicht, dass du dich heute noch mit Aiden in der Stadt treffen wolltest“, grinste mein Vater und zog sich seine Jacke an. „Das vergesse ich doch nicht!“ „Weißt du was. Wenn es soweit ist, fahre ich dich schnell. Bei dem plötzlichen Schneefall werden die Stadtwerke es nicht schaffen, bis heute Nachmittag alle Wege um die Stadt zu räumen und zu streuen.“ „Das hat mir sonst auch nie was gemacht“, warf ich ein und zog mir die Mütze auf, die mein Vater mir reichte. „Trotzdem“, erwiderte dieser. Schulterzuckend nahm ich es hin und begann eine Kugel zu rollen.

Dann hielt ich inne. „Weißt du was? Aiden kann mich bestimmt auch abholen. Er hat ja schon den Führerschein. Ich frage ihn direkt mal.“ Schnell eilte ich wieder nach drinnen und suchte mein Handy. Dort prangte mir schon eine Nachricht entgegen. ‚Bin schon in der Stadt. Muss ein paar Sachen erledigen. Treffen uns dort. Bitte fahr nicht mit dem Fahrrad‘, schrieb Aiden. Seufzend antwortete ich ihm, dass mein Vater mich fahren würde. „Aiden ist schon in der Stadt. Er muss was erledigen“, gab ich wenig später an meinen Vater weiter und dieser nickte. „Dann fahre ich dich einfach.“ Ich nickte und rollte eine weitere Kugel für unseren Schneemann. Ein paar Minuten später besorgte ich von drinnen einen Topf und eine Karotte. Schon stand unser Schneemann. Der erste diesen Winter.

Plötzlich traf mich etwas Kaltes im Nacken. Quietschend machte ich einen Satz zur Seite und strich mir eilig den Schnee vom Hals. „Hey!“, rief ich und blickte zu meinem Vater, der sich lachend den Bauch hielt. „Na warte“, murmelte ich und bückte mich langsam. Schnell formte ich eine Kugel und warf. Das Lachen meines Vaters verstummte. Mit verzogenem Gesicht strich er sich den Schnee von der Stirn und der Mütze. Dann bückte wir uns gleichzeitig und starteten eine Schneeballschlacht. Die erste diesen Winter. Lachend traf ich ein ums andere mal, bekam aber auch jede Menge Schnee ab. Da brachte es auch nichts mich hinter unserem Schneemann zu verstecken. „Ist gut, ich geb auf. Ich geb auf“, gab ich mich schließlich geschlagen, als ein dritter Schneeball in meinem Nacken landete. „Gewonnen!“, brüllte mein Vater und riss seine Arme nach oben. „Du bist so kindisch“, lachte ich und schubste ihn etwas, was leider so viel brachte, wie wenn man eine Wand versuchte mit bloßer Hand umzuwerfen. Nämlich gar nichts. Außer man war Hulk. Lachend schlang mein Vater einen Arm um meine Schulter und drückte mich an ihn. „Du magst zwar erwachsen sein, aber ich gewinne trotzdem immer noch. Und jetzt sollten wir uns beide umziehen. Wann muss ich dich denn in die Stadt bringen?“ Wir traten auf die Terrasse und klopften unsere Stiefel ab. Ich warf einen Blick nach drinnen zur Uhr. „In knapp anderthalb Stunden. Dann kann ich noch duschen“, grinste ich und eilte nach oben.

In meinem Zimmer suchte ich mir ein paar gemütliche Sachen zusammen und genoss dann das warme Wasser. Eine Stunde später war ich fertig. „Komm, Leonie. Wir fahren schon mal los. Ich weiß nicht, wie schnell wir durchkommen, wenn noch nicht gestreut sein sollte. Hier fährt ja auch sonst kaum jemand lang“, rief mein Vater. Eilig flocht ich meinen Zopf zu Ende und lief dann nach unten. „Ist es ok, wenn ich mein Handy hierlasse?“ „Wenn du es nicht brauchst. Aiden wird dich ja sicher später nach Hause bringen.“ Ich nickte. „Dann mache ich mir keine Sorgen. Komm.“ Wir stiegen ins Auto und fuhren los. Schon nach den ersten Metern merkte ich, wie angespannt mein Vater und wie rutschig die Fahrbahn war. „Es ist ungewöhnlich, dass nicht zumindest die Straße schon wieder normal befahrbar ist“, murmelte ich und mein Vater nickte. „Ich muss mich mal beim Stadtrat beschweren. Das geht so doch nicht! Damit bringen die uns bloß in Gefahr“, schnaubte er. Seine Finger umklammerten das Lenkrad fester, als wir einen kleinen Schlenker machten. Ich schluckte und versuchte mich zu beruhigen. Es würde schon alles gutgehen. So wie jedes Jahr.

My Love, My Life, My Mate (Werwolf FF)Where stories live. Discover now