19 | PETER

41 6 6
                                    

Heute ist Trainingstag. Anders als während des Semesters ist das reguläre Training in den Semesterferien stark reduziert. Dafür hat jeder von uns einen individuellen Plan bekommen, den er abarbeiten muss. Für mich steht heute Krafttraining auf dem Programm. Ich bin an diesem Abend nicht allein, mit mir stehen noch vier andere aus der Basketballmannschaft an den Geräten. Auch von den anderen Sportteams, mit denen wir uns das Gym teilen, kann ich einige entdecken.

Auf Konversation habe ich heute keine große Lust, also begrüße ich meine Teamkameraden nur mit einem kurzen Winken, setze meine Kopfhörer auf und drehe die Musik auf, während ich mich auf dem Laufband aufwärme.

Es dauert nicht lange, bis ich auf Autopilot laufe und mein Körper mechanisch funktioniert. Ich achte gar nicht mehr darauf, was ich durch die riesige Fensterfront sehen kann, sondern schotte mich komplett von der Welt ab. Eine Wohltat nach den letzten Wochen, die mental sehr anstrengend waren. Ich liebe einfach die Wirkung, die der Sport auf Körper und Geist hat.

Aber irgendwann kann ich das Gedankenkarussell doch nicht mehr aufhalten. Aber das ist in Ordnung. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, die Dinge rationaler betrachten zu können.

Auf die Frage, was sich plötzlich zwischen Ivete und mir verändert hat, habe ich leider immer noch keine Antwort gefunden. Zumindest keine befriedigende.

Sicher ist, dass ich mein Single-Leben liebe und nicht gewillt bin, dieses aufzugeben. Die Unabhängigkeit und Freiheit, die ich genieße. Das war auch mal anders. Damals mit Kelly.

Mit ihr war ich gefühlt ein halbes Leben zusammen. Es gab immer nur Peter UND Kelly, nie Peter alleine. Das hat mich damals nicht gestört. Ich liebte sie und war gerne mit ihr zusammen, auch wenn meine Freunde der Meinung waren, dass sie viel zu viel Raum für sich beanspruchte.

Unsere Beziehung endete nach unserem Highschoolabschluss leider nicht ganz so harmonisch, dafür sind wir beide einfach zu große Hitzköpfe. Aber inzwischen haben wir unsere Differenzen überwunden. Kelly studiert jetzt in Chicago und wir haben hin und wieder noch lockeren Kontakt.

Ich habe die Zeit mit ihr geliebt. Trotz der ewigen Streitereien. Aber es ist lange vorbei und jetzt bin ich überzeugter Single. Es passt einfach besser zu dem Leben, das ich jetzt führe. Irgendwann kommt auch wieder die Zeit, in der ich mich auf jemanden einlassen kann.

Als plötzlich Ivetes Gesicht vor meinem inneren Auge erscheint, schüttle ich genervt den Kopf. Nein, bestimmt nicht sie!

Wie ich in so eine Situation geraten konnte, ist mir unbegreiflich. Ausgerechnet ich, dem Loyalität und Ehrlichkeit immer so wichtig waren.

Ich bin so in Gedanken, dass ich den Coach erst im letzten Moment bemerke, als er neben das Laufband tritt. Sofort verlangsame ich mein Tempo, gehe in einen lockeren Laufschritt über und nehme die Kopfhörer aus den Ohren.

»Hallo Coach.«

Coach Harrison ist der Inbegriff eines College-Trainers. Ein Hüne von einem Mann, breitschultrig, groß, markante Gesichtszüge. Wenn er am Spielfeldrand steht, wirkt er wie ein Fels in der Brandung. Man sieht ihm die jahrelange Erfahrung im Basketball an, und auch mit 50 Jahren ist er noch fit genug, um es mit uns aufzunehmen. Jetzt mustert er mich aufmerksam mit seinen schwarzen Augen, wirft einen Blick auf die Zahlen auf dem Display und nickt. Was er sieht, scheint ihn zufriedenzustellen.

»Alles klar bei dir, Shaw?«

Nein, nichts ist klar. Aber der Coach interessiert sich nicht für meine privaten Probleme. Also nicke ich nur.

»Hast du dich schon entschieden?«

Oh ja, da war was. Das habe ich in der ganzen Aufregung und Hektik ganz vergessen.

Unbekannter Gegner (Drei Fragezeichen Fanfiction)Where stories live. Discover now