12 | IVETE

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Am folgenden Montagmorgen bin ich allein in der WG. Da ich den restlichen Sonntag mit Grübeln verbracht habe, suche ich heute gezielt Ablenkung und nutze die Gelegenheit, mit meiner Schwester die nächsten Termine durchzusprechen. Arbeit war schon immer eine gute Möglichkeit, meine Gedanken zu fokussieren. Neben mir auf dem Tisch liegen mein Notizbuch und jede Menge Unterlagen.

»Am Montag in zwei Wochen ist eine Auktion in San Diego. Papai sagt, du solltest hinfahren.«

Ich nicke. Das gehört zwar eigentlich nicht zu meinem Aufgabengebiet, aber wenn ich schon quasi vor Ort bin, macht es durchaus Sinn, dass ich es übernehme und nicht jemand anderes, der erst her fliegen muss.

»Schickt mir einfach alle Informationen, die ich wissen muss. Ich übernehme das. Soll ich wieder unter Pseudonym bieten?«

Taís nickt. »Das wäre sicherlich immer noch ratsam.«

Vor einigen Monaten hatte ich mich aus dem offiziellen Geschäft zurückgezogen, um nicht noch mehr Staub aufzuwirbeln. Irgendwann jedoch hatten wir gemeinsam beschlossen, dass ich wieder einsteige. Da ich die Familiengeschäfte eh früher oder später übernehmen werde, macht es Sinn. Außerdem bin ich ein Workaholic, die eine Aufgabe und ein Ziel braucht, um glücklich zu sein. Weswegen es allen lieber ist, wenn ich irgendwie eingespannt werden kann. Damit ich Seay aber nicht doch noch ungewollt auf mich aufmerksam mache, nachdem ich eine zeitlang genau das provoziert habe, wurden mehrere Pseudonyme entwickelt, derer ich mich bedienen kann. Ich will nicht so genau wissen, wie Taís das angestellt hat, aber ich besitze sogar gültige Pässe für diese Identitäten.

Ein Geräusch an der Wohnungstür lässt mich aufblicken.

Bob kommt herein und stellt seine Reisetasche neben der Eingangstür auf den Boden. Als er mich anlächelt, beginnt mein Herz einen Takt schneller zu schlagen. Man sieht ihm an, dass er ein anstrengendes Wochenende hinter sich hat. Die Haare stehen nach allen Seiten ab, die Brille sitzt etwas schief und das T-Shirt ist zerknittert. Aber es tut gut, ihn endlich wieder zu sehen.

Er bemerkt natürlich, dass ich mitten in einem Meeting stecke und zögert, näherzukommen. Ich aber winke ihn zu mir und ziehe das Headset vom Kopf.

»Dem verliebten Glitzern in deinen Augen nach ist dein Liebster nach Hause gekommen«, kommentiert Taís.

Da ich das Headset vom Laptop entkoppelt habe und der Ton nun über die Lautsprecher kommt, hört Bob die Worte.

»Hallo, Lieblingsschwägerin!«, begrüßt er sie lachend und beugt sich hinter mir über die Stuhllehne, um auf den Laptop zu schauen.

»Olá, homen bonito! Wie war der Ausflug nach San Francisco?«

»Von der Stadt hab ich nichts gesehen, außer der Veranstaltungshalle und den Flughafen«, gesteht er. Er lehnt seine Wange gegen meinen Kopf und ich höre, wie er tief einatmet. »Entschuldige, Taís, du weißt, dass ich dich mag und mich gerne mit dir unterhalte, aber jetzt habe ich erst mal etwas anderes zu tun.«

Mit den Worten kippt er den Deckel meines Laptops, sodass die Kamera uns nicht mehr erfasst.

Das Lachen meiner Schwester dröhnt aus den Lautsprechern. »Alles klar, viel Spaß euch beiden. Até logo!«

Ich habe keine Gelegenheit mehr, zu antworten, denn er kommt mir bereits entgegen und endlich treffen unsere Lippen aufeinander. Die Berührung ist nicht mehr, als ein hauchzartes Streicheln, kaum spürbar und doch wie immer absolut berauschend. Ein warmes Kribbeln bleibt auf meinen Lippen, als er sich viel zu schnell von mir löst.

Ich lasse die Augen geschlossen und spüre den Empfindungen nach, während er mir einen sanften Kuss auf die Stirn gibt und sich wieder aufrichtet. Als ich die Lider hebe, sehe ich direkt in seine strahlenden blauen Augen.

Unbekannter Gegner (Drei Fragezeichen Fanfiction)Where stories live. Discover now