8 | PETER

56 6 1
                                    

Der Raum ist dunkel. Der Lichtkegel, der durch die geöffnete Tür fällt, lässt eine Art Abstell- oder Lagerraum erkennen. Inmitten des Lichts, zwischen Regalen voller Utensilien, kauert ein Mann im Anzug auf dem Boden, unter ihm liegt eine weitere Person auf dem Rücken - offensichtlich eine Frau. Ich erkenne sofort den olivgrünen Stoff des Kleides und die High Heels mit den schmalen Riemchen.

Ohne zu zögern springe ich vor und reiße den Mann mit aller Kraft von ihr weg. Er reagiert viel zu langsam, kann den Sturz nicht abfangen und schlägt mit dem Kopf hart gegen die Wand. Etwas benommen blinzelt er mich an, als ich ihn am Kragen hochziehe und gegen die Wand drücke.

»Was sollte das hier werden, du verdammtes Arschloch?« Wut durchströmt jede Pore meines Körpers und ich muss mich sehr zusammenreißen, ihm nicht hier und jetzt die Visage zu polieren.

»Lass mich los!«, ächzt er, weil ich ihm die Luft abdrücke. Er ist etwas kleiner, treibt definitiv weniger Sport als ich und scheint kein ernstzunehmender Gegner zu sein.

»Nicht, bevor du mir nicht sagst, was du hier machst!«

»Fuck, Mann! Lass mich los, ich wollte nur helfen! Ich schwöre es!«

»Ja, ganz bestimmt!«, zische ich ihm zu. »Und ich bin der Weihnachtsmann! Wenn du auch nur dran denkst, nochmal in ihre Nähe zu kommen, sorge ich dafür, dass du morgen nicht mehr laufen kannst!«

Eine Hand legt sich auf meine Schulter. »Peter, kümmer dich um deine Freundin und überlass den Dreckskerl mir!« Sascha steht neben mir, das Gesicht versteinert und in den Augen eine Kälte, die selbst mich kurz zögern lässt.

Doch dann fällt mein Blick auf Ivete, die regungslos auf dem Rücken liegt, und ich nehme Saschas Angebot dankbar an. Mit zwei großen Schritten bin ich bei ihr und lasse mich neben ihr nieder. Ivete scheint bewusstlos zu sein. Ihre Frisur hat sich teilweise gelöst, die schwarzen Locken liegen wild auf dem Boden. Das Kleid ist verrutscht und ich schiebe schnell die Träger über ihre Schultern und den Stoff des Rockes nach unten, so dass ihre Oberschenkel bedeckt sind. Dann ziehe ich meine Jacke aus und breite sie über ihr aus. Als ich meine Hand ausstrecke, um ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen, merke ich, dass ich zittere. Tief einatmend versuche ich, ruhig zu bleiben.

Plötzlich bewegt sie sich. Die Erleichterung ist so groß, dass mir fast schwindelig wird. Sie gibt einen undefinierbaren Laut von sich und öffnet blinzelnd die Augen.

»Willkommen zurück«, flüstere ich ihr zu.

Sie verzieht das Gesicht und versucht, sich aufzurichten. Ich helfe ihr und lehne sie an das Regal neben ihr. Neben uns gibt es einen Tumult, den ich nur mit halben Ohr wahrnehme. Das Licht wird angeschaltet und ich bekomme das ganze Ausmaß zu sehen.

Ivete ist immer noch völlig benommen und sieht aus, als würde sie jeden Augenblick wieder das Bewusstsein verlieren. Ihre Haut ist blass und fahl, die Augen glasig und nur halb geöffnet. Ihr Make-up ist verschmiert. Ich untersuche sie rasch nach Verletzungen. Doch oberflächlich kann ich nichts feststellen.

»Wie geht es ihr?« Sascha taucht neben mir auf und lässt mich zum ersten Mal aufblicken. Besorgt schaut er auf Ivete hinunter. Neben ihm steht ein Mann, den ich nicht kenne.

Mit Ausnahme von uns vieren ist der Raum auf einmal leer.

»Wo ist das Arschloch?«, frage ich, statt ihm zu antworten.

»In Sicherungsverwahrung«, antwortet der Mann, auf dessen Namensschild ›Mason‹ steht. »Die Polizei wird ihn übernehmen. Soll ich einen Krankenwagen rufen?«

Plötzlich gibt Ivete doch noch ein Lebenszeichen von sich. Sie setzt sich aufrechter hin und räuspert sich. Mehrere Male muss sie blinzeln, dann fokussiert sich ihr Blick ein wenig.

Unbekannter Gegner (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt