Wiedersehen unter Freunden II

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Auf Ejahls Lippen formte sich ein wieseliges Lächeln. So viel Biss war er nur selten von Attentätern gewöhnt.

Ciacas, der vor dem Raben saß, wandte sich zu ihnen um. »Ah, Ejahl das ist –« Er brach ab, als sein Blick auf Kematian fiel, und erstarrte zu einer Salzsäule. Um eines seiner Augen und seinen Wangenknochen zogen sich blaue Verfärbungen.

Er brauchte nur einige Augenblicke, bis ihn sein Lebenserhaltungstrieb wieder erreichte und er aufsprang. »Ejahl?« Seine Stimme war mindestens eine Oktave in die Höhe gesprungen.

»Oh, ich erinnere mich«, sagte der Meisterdieb. »Ihr zwei kennt euch. Ich hoffe auf ein frohes und vor allem unblutiges Wiedersehen.«

Kematian brummte nur etwas Unverständliches und da er Ciacas nicht sofort den Kopf abriss, nahm Ejahl es als gutes Zeichen.

Auf Ciacas' Lippen legte sich ein unsicheres Lächeln. Er räusperte sich und wich zurück. »Ihr braucht mich nun ja nicht mehr«, sagte er und war schon aus der Tür verschwunden, ohne dem Meisterdieb die Möglichkeit zu einer Antwort zu geben.

Ejahl sah ihm noch kurz nach und wandte sich dann der jungen Frau zu, die gefesselt in der Mitte des Raumes saß. Er zog einen Stuhl heran und ließ sich darauf nieder.

Stechend grüne Augen blitzten hinter den roten Locken hervor und folgten jeder seiner Bewegungen, aber flackerten immer wieder zu Kematian.

»Es ist mir eine Freude, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte Ejahl und schenkte ihr ein Lächeln. »Mein Name ist Ejahl und ich führe diesen Haufen von Chaoten an.«

Sie schnaubte nur. Ein Ruck durchfuhr ihr Gesicht.

Ejahl legte den Kopf schief und musterte sie, ehe er fortfuhr: »Ich vermute, Ihr habt von mir gehört. Und da Ihr von mir gehört habt, wisst Ihr auch, weshalb ich hier bin. Wir können es also auf die leichte Art machen und Ihr sagt mir einfach, wo sich Euer Nest befindet, und dürft mich gern in die ein oder anderen Pläne einweihen, wenn Ihr etwas wisst.«

Sie schnalzte abschätzig mit der Zunge.

»Oder ich breche Euch erst jeden Knochen im Körper.« Sein Lächeln wurde kühl. »Und dann, wenn Ihr Euch schon wünscht, dass Ihr mir niemals begegnet wärt, könnt Ihr mich mit Euren letzten Atemzügen anflehen, es wenigstens schnell zu beenden. Diesem Wunsch werde ich selbstverständlich nachkommen. Sobald ich erfahren habe, was ich wissen möchte.«

Sie betrachtete ihn nur unbeeindruckt und schnaubte erneut.

»Das wird bei ihr nichts bringen«, ergriff nun Kematian das Wort. »Das ist Sorah. Sie gehörte einst mir.«

Ejahl wandte sich zu ihm. »Und das hättest du mir nicht sagen können, bevor ich mit dem ganzen ›Ich breche deine Knochen‹ angefangen habe?«

Kematian zuckte beiläufig mit den Schultern. »Ich hätte es, aber du hast sofort damit begonnen.«

Kurz schwieg Ejahl. Er musste dem Raben recht geben ... wenn auch ungern. »Dann ist sie also diejenige, um die du dich gesorgt hast?«

Ein knappes Nicken kam von Kematian, ehe er sich an Sorah wandte. »Hat Niellen dich angefasst?«

»Und was wäre, wenn?«, spuckte sie ihm entgegen. »Es hat Euch nicht interessiert, als Ihr mich allein unter den Raben gelassen habt oder als Ihr mit einer Elster in unserem Nest aufgetaucht seid. Was kümmert Euch jetzt, ob Niellen mich angefasst hat?«

Spannung sammelte sich wie eine düstere Wolke um Kematian herum. Er atmete tief aus. »Ejahl, gib mir eine Schaufel.« In einer flüssigen Bewegung zog er sein Messer.

Sorahs Augen weiteten sich, ihr Blick fest auf den kalten Stahl gerichtet. Zum ersten Mal, seit Ejahl den Raum betreten hatte, zog sich ein Riss durch die Maske aus Gleichgültigkeit und Zorn.

The Tale of Greed and VirtueWhere stories live. Discover now