Zwischen Bestien und Elstern II

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Ejahl deutete mit einer Handbewegung in Ciacas' Richtung. »Du hast die beiden Raben also getroffen«, sagte er. »Was geschah dann?«

»Die beiden brauchten meine Hilfe bei ihrem Auftrag«, meinte Ciacas, »und ich nannte ihnen meinen Preis. Beim Tod des Fürstensohnes sollten sie eine Nachricht überbringen: ›Wir holen uns zurück, was uns gehört‹. Ich erwartete kaum, dass sie ihr Wort halten würden, aber sie taten es. Als das Chaos losbrach und die Aufstände sich entfachten, war ich jedoch schon auf dem Weg in den Norden, damit der Rabe mir nicht den Kopf abschlägt, wie er es angedroht hat.«

»Dann weißt du nicht, was derzeit in Terbet vor sich geht?«, fragte Ejahl.

»Ich war hier und hielt mich bedeckt«, sagte Ciacas.

Liraw hüstelte. »Nur im übertragenden Sinne.«

Ciacas funkelte ihn an, antwortete aber nichts darauf und Ejahl seufzte nur leidvoll.

Er erhob sich von seiner Couch. »Nun gut, mehr ist eigentlich nicht zu besprechen. Außer ...« Er wandte sich an Liraw. »Gibt es Probleme mit den Waisenhäusern?«

V bekam nicht mehr von dem Gespräch mit, denn eine Hand legte sich auf ihre Schulter und sie fand sich in Ciacas' Armen wieder. »Und du, meine Liebe«, sagte er, »möchtest du mir nicht noch eine Weile Gesellschaft leisten?«

Sie hob die Hände und legte sie auf Ciacas' Brust. »Ich verzichte.« Ihre Stimme klang nicht halb so fest, wie sie sich gewünscht hatte. Durch Jeanne hatte sie schon bemerkt, dass die Diebe ein anderes Verhältnis zu Nähe hatten als sie, doch ungewohnt war es für sie nichtsdestoweniger.

In der Hoffnung, Ejahl würde sie aus dieser Situation retten, warf sie ihm einen Blick zu, aber er war in sein Gespräch mit Liraw verwickelt.

»Wenn die beiden ohnehin noch wichtige Dinge zu besprechen haben«, beanspruchte Ciacas ihre Aufmerksamkeit wieder für sich, »dann können wir uns doch auch in ein anderes Zimmer zurückziehen und ...«

»Ciacas!« Die Stimme des Meisterdiebes ließ ihn kurz zusammenzucken, aber er behielt seinen Arm um V gelegt. Sie atmete erleichtert auf, denn nun wusste sie, dass Ejahl sie nicht einfach im Stich lassen würde.

»... und gemeinsam Tee trinken«, führte Ciacas den angefangenen Satz zu Ende. »Du kannst mir all deine Sorgen und Probleme berichten und ich werde ganz wohlgesittet und brav lauschen. Klingt das nicht wundervoll?«

Vielleicht hätte V sich sogar dazu breitschlagen lassen, wenn er ein wenig glaubwürdig wäre und er sie nicht an sich gedrückt halten würde.

»Ich komme gut allein klar«, sagte sie und versuchte sich aus seinem Griff zu winden. Er ließ zu, dass sie sich ein wenig befreite, legte dann aber wieder einen Arm auf ihre Schulter.

Er beugte sich zu ihr und sprach mit gesenkter Stimme. »Bist du dir sicher? Manchmal kann ein offenes Ohr helfen. Ich weiß zwar nicht, was du mit ihm«, er deutete mit dem Kinn in Ejahls Richtung, »zu schaffen hast, aber ich bin in jeder Hinsicht besser als er.«

V runzelte die Stirn. Etwas in seinem Ton hatte sich verändert und der Ausdruck in seinen Augen verriet, dass es nicht länger nur um das Offensichtliche ging.

»Wovon sprecht Ihr?«, fragte sie, ihre Stimme nur ein Flüstern.

»Über was sollte ich schon sprechen?«, erwiderte er unschuldig. »Was denn anderes als ebenjenes, was ich sagte? Ich kann deine Probleme viel besser verstehen als er. Jeder hat Sorgen, meine Hübsche, und jeder möchte doch insgeheim jemanden, der ihm zuhört. Welches sind deine Sorgen? Probleme in der Liebe?«

Unwillkürlich schweiften Vs Gedanken zu Jeanne und sie wich seinem Blick aus.

»Ah, ich hatte es geahnt«, sagte Ciacas. »Gerade in deinem Alter wirkt alles noch so neu und unbekannt. Es kann durchaus schön sein, aber ebenso beängstigend.«

The Tale of Greed and VirtueWhere stories live. Discover now