9. Kapitel

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"Sorry, ich ähm." Binahs komplettes Gesicht ist rot, als sie sich wieder aufrappelt und mir die Hand hinhält. Ich ziehe mich daran hoch. Wahrscheinlich ist mein Kopf mindestens genauso rot.

"Tut mir leid.", entschuldige auch ich mich. Gott, war das peinlich!

Wir sehen einander eine Weile an. Sie wirkt verlegen, klein. Sie sieht total süß aus. Ich würde sie am liebsten umarmen, aber das lasse ich, weil meine Angst zu groß ist, dass wir dann wieder hinfallen. 

Wir sehen uns nur an. Dann müssen wir beide loskichern. Ich halte noch immer Binahs Hand, obwohl ich schon lange wieder stehe. 

"Wollen wir weiterfahren?", fragt sie. Ich nicke, obwohl ich eigentlich schon jetzt eine Pause ertragen könnte. 

"Ich finde das Café übrigens echt schön.", meint Binah dann, als wir wieder langsam losfahren. Sie achtet genau auf mich. Darauf, dass ich mitkomme. Dass es mir nicht zu schwer wird. Ich finde das total süß von ihr. 

"Danke. Ich muss dort die nächsten zwei Wochen arbeiten..." Man hört an meiner Stimme wie wenig begeistert ich darüber bin. Allerdings beginne ich, meinen Job immer mehr zu mögen, je häufiger ich dort Binah treffe. 

"Wie cool! Machst du dort ein Praktikum?", fragt sie. Ich nicke. 

"Meine Mom hat mich dazu gezwungen. Eigentlich wollte ich mit meiner besten Freundin im Kindergarten arbeiten.", erwidere ich. Auch wenn ich vor drei Tagen noch anderer Meinung war, ist es vielleicht doch eine gute Idee gewesen, dass ich im Café von Alice mein Praktikum absolvieren muss. Sonst hätte ich schließlich niemals Binah kennengelernt. 

"Oh... Gefällt es dir im Café nicht?", will sie wissen. 

"Es geht. Inzwischen gefällt es mir immer besser, aber am Anfang hatte ich echt gar keine Lust. Alice mag es, mich fürs Spülen auszunutzen und ist auch generell sehr streng mit mir.", erzähle ich. 

"Alice? Streng? Das hätte ich niemals gedacht. Sie ist doch immer so unglaublich nett zu uns Kunden."

"Ja, zu den Kunden." Ich schnaufe, weil ich mich so anstrenge. Im Hintergrund setzt gerade All I Want For Christmas Is You von Mariah Carey ein. Ich liebe diesen Song. Und irgendwie scheint er gerade auch die ganze Halle zu begeistern. Viele Paare lächeln sich an und fahren Händchen haltend nebeneinander. Es sieht total süß. "Bei mir ist das anders. Keine Ahnung, sie kann mich wohl irgendwie nicht leiden. Vielleicht weiß sie von Mom, dass ich lesbisch bin und hat deswegen etwas gegen mich. Keine Ahnung..."

"Ist sie homophob?", fragt Binah schockiert und sieht kurz auf, was mich wieder für einige Sekunden aus der Fassung bringt. Aber ich schaffe es, einigermaßen normal weiterzufahren. 

"Na ja, sie hat zumindest schonmal solche Bemerkungen gemacht. Homosexuelle sind keine richtigen Paare, meinte sie mal. Ich habe ihr dann gesagt, dass das nicht stimmt und Homosexuelle sich genauso lieben wie Heterosexuelle, aber das wollte sie mir nicht glauben."

"Shit... Das macht sie wieder unsympathischer... Musstest du ansonsten schonmal Diskriminierung erleben?"

Ich konzentriere mich weiter darauf, sicher zu fahren. Immer wieder erschrecke ich mich jedoch ein bisschen, weil ich fast stolpere oder Leute, die sich total cool fühlen, direkt vor uns vorbei fahren. 

"Na ja, nicht wirklich. Es wissen nicht so viele Leute, dass ich lesbisch bin. Genauer gesagt nur vier oder fünf. Meine beste Freundin, Alice vielleicht und meine Eltern und mein Bruder. Die allerdings erst seit gestern."

"Wow. Bei mir ist das etwas anders. Ich war quasi dazu gezwungen, mich in der Schule zu outen, weil ich mit einem neuen Namen und den richtigen Pronomen angesprochen werden wollte."

You make it feel like Christmas (Deutsch, girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt