Kapitel 15

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Ich komme innerlich zur Ruhe, besänftige meinem aufgewühlten Geist und suche tief in meinem Inneren nach einer Quelle neuer Kraft. Ohne zu wissen, wonach genau ich suchen muss,  halte ich automatisch nach einem Feuer irgendeiner Art Ausschau. Wenn ein Lebewesen als innere Kraftquelle Feuer hat, dann ich. Ich gleite wie auf unsichtbaren Flügeln an Landschaften vorbei, die ich irgendwann einmal in meinem Leben gesehen habe und an die meine Erinnerungen vergessen sind. Mitten in diesem Worten Kram fühle ich eine Hitzewelle. Da, vor mir, ist ein riesiges, symbolisches Feuer. Geleitet von meinen Instinkten konzentriere ich mich auf dieses Feuer und auf Azriel. Ich beginne das Feuer umzufüllen, weiß nicht genau, wie oder was ich da tue, aber es fühlt sich richtig an. Ich verlasse mich auf das, was ich weiß - Azriel braucht Hilfe, und ich kann sie ihm geben. Es wird schwerer für mich, die Verbindung aufrechterhalten. Ich fühle, wie meine Kraft mich mehr und mehr verlässt. Mein Geist zittert unter der Anstrengung, weiter zu machen. Plötzlich kann ich es nicht mehr halten. Erschöpft und entkräftet liege ich neben Azriel auf dem Boden, der sich mittlerweile aufgesetzt hat. Mein Atem geht flach und schnell, ich habe keinerlei Kontrolle mehr über meinen Körper. Mit der größten Anstrengung, die ich je in meinem ganzen Leben unternommen habe, gelingt es mir, aufzustehen. Azriel steht ebenfalls schon und irgendwie gelingt es uns gemensam, uns aus dem Raum zu schleppen. Keuchend stolpern wir weiter, meine Nerven fühlen sich an wie ein einziges Knäuel aus Panik und Müdigkeit. Genau in diesem Moment ertönen hinter uns schnelle Schritte. Eine Millisekunde sehen wir uns nur an, dann rennen wir zeitgleich los. Meine Muskeln schreien auf vor Qual, als ich sie schneller und schneller bewege. Azriel neben mir geht es nicht besser. Die Schritte hinter uns kommen näher, und näher, die Angst wird mit jedem Schritt größer.
Dann ertönt ein lauter Knall und Azriel geht zu Boden. Ein tosendes Rauschen erfüllt mich. Sie haben auf ihn geschossen. Verzweifelt, panisch ziehe ich ihn hoch, es gibt keine Zeit, um die Wunde zu betrachten. Vielleicht fehlt ihm ein ganzes Bein, vielleicht hat er ein Loch in der Brust - ich weiß es nicht. Wir rennen weiter, ich ziehe Azriel mehr, als dass er selbst geht. In jener Sekunde, auf der Schwelle zum Aufgeben, taucht vor uns der Ausgang auf. Wir haben es geschafft, nur noch durch diese eine Tür und dann kann ich fliegen. Die Tür kommt näher, meine Hoffnung wird größer. Ich beginne zu lachen, ein befreites Lachen, entsprungen aus einer Quelle des Lichts tief in mir. Azriel lacht auch, das Glück ist spürbar. Doch dann schießen sie erneut.

Gerechtigkeit - Ein Leben für ein LebenWhere stories live. Discover now