Kapitel 10

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Viele Stunden später, vielleicht waren es auch Tage oder Wochen, wache ich ausgeruht und innerlich ruhig auf. Es gibt in diesem kurzen Moment nach dem Aufwachen keinen Menschen der Erde, der so glücklich und zufrieden ist wie ich. Dann sinkt die Wahrheit ein. Ich habe mich auf jemanden eingelassen, einen völlig Fremden. Nicht nur das, ich habe mit ihm _geschlafen_. Fucking Scheiße. Fucking, fucking Scheiße. Ich muss hier raus. Sofort. Ich kann nicht zulassen, dass ich jemandem noch ein einziges Mal so nahe komme wie Azriel in dieser Nacht. Ich brauche einen Fluchtweg - und zwar jetzt. Ich sehe mich um und bemerke, dass die Schmerzen in meinem Rücken weit abgemildert sind. Ich muss hier raus. Der verdammte kastenförmige Raum hat keine Fenster, keine Türen, keine Gitterstäbe: nur graue Wände ohne Unterlass. Verdammte  Scheiße, was mach ich denn jetzt? Ich habe hiermit ganz offiziell den allerletzten Platz in der Lebenslotterie ergattert - kein Umtausch, keine Retoure. Ich blicke mich hektisch um, hoffe gegen Hoffnung, doch noch einen Ausweg erkennen zu können - vergeblich. Nein, halt - dort, in der Decke; ist das eine Falltüre? Sie ist nur schwer zu erkennen, grau, wie sie ist, inmitten dem Rest des Graus. Dennoch kann ich ihre Umrisse zumindest erahnen, und ich glaube, sie bietet eine valide Möglichkeit, abzuhauen - und das schnellstmöglich. Doch gerade als ich die Entfernung taxiere und abzuschätzen versuche, wie ich sie überbrücken könnte, öffnet sie sich. Erschrocken ducke ich mich an die Wand. Wer kommt hier herein - und was bedeutet das für mich (für uns, denkt ein ungebetener Teil von mir, der die Seelenverbindung zu Azriel längst akzeptiert hat)? Auf einer Leiter, die so grellweiß ist, dass ich mich geblendet abwenden muss, werden zwei Männer in dem Raum hinein gefahren. Es sind beides Soldaten.

Gerechtigkeit - Ein Leben für ein LebenWhere stories live. Discover now